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„Wen wollt ihr sehen?“, fragt uns ein alter Mann, der auf seinem Hof wurstelt. „Michel, einen deutschen Kerl, der hier Büffel züchtet, kennen Sie vielleicht?“, erkundigen wir uns. „Wer kennt ihn nicht. Natürlich kennen wir ihn. Ihr sollt dorthin gehen!“

Die gesamte Region Transkarpatien kennt Michel schon. Zum ersten Mal haben wir uns im Winter neben seinem Stall im Dorf Tschumalowo getroffen, der damals erst vor ein paar Tagen erbaut worden war. Er baute dort einen riesigen Hangar für die Tiere und zwei kleine Zimmer für sich selbst. In einem der Zimmer hat er zwei Betten stehen und einen Heizofen mit einem Herd, wo er etwas zubereiten kann. Wir haben nur drei Tassen für fünf Personen. Wir setzen uns und reden darüber, warum er hier in der Ukraine ist. Und es scheint so, als wollte er selbst alles gerne erzählen. Michels Gesicht leuchtet im Dunkeln, als würde es eine unglaubliche helle Energie ausstrahlen. Er spricht mit einem echten transkarpatischen Akzent, manchmal können wir einige Wörter nicht verstehen, er merkt das sofort und verwendet ein englisches Wort. Er kann über Büffel und sein Geschäft auf Ukrainisch sprechen, aber wenn etwas die Philosophie und ihn selbst betrifft — dann wechselt er zu Englisch. Michel lernte Ukrainisch von hiesigen älteren Menschen, die ihm auch die Viehzucht beigebracht haben.

Michel ist 33 Jahre alt. Er kommt aus Kiel, einer Stadt in Norddeutschland, in der Nähe von der dänischen Grenze. Seine Eltern haben ihr eigenes Geschäft, und vor kurzem eröffnete sein Bruder eine eigene Fabrik. Michel wählte einen anderen Weg. Er studierte Forstwissenschaften an der Universität Freiburg — einer Stadt in der Nähe von Frankreich und der Schweiz. Aber er wollte in Deutschland nicht bleiben.

„Ich dachte, dass ich die ökologischen Bedingungen unserer Vorfahren, die in Deutschland nicht mehr existierten, in der Ukraine finden kann. Die Menschen sollten näher an der Natur leben, und das ist was ich an meinem Beispiel zeigen will.“

Zuerst ist Michel der Longo Maї Kooperative beigetreten und half in der Siedlung Nyschne. Dann fing er an, sich für Büffel zu interessieren. Es stellte sich heraus, dass es Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in den drei umliegenden Dörfern mehrere tausend Büffel gab. Jeder Haushalt hielt damals Büffel so, wie heute man Kühe hält. Aber dann kamen die Kommunisten und beschlagnahmten all die Büffel zugunsten der Kolchose. Die Menschen blieben ohne ihr Hab und Gut. Alles wurde kollektiviert. Niemand konnte sich vorstellen, wie es sich auf die Tiere auswirken wird. Die Büffel in der Kolchose gaben keine Milch, deshalb wurden sie für das Fleisch geschlachtet.

„Sie werden zu ihr für Milch kommen, und sie wird zu Ihnen sagen: ‚Hey, Mann, was willst du? Was für Milch? Bist du mein Kind oder mein Freund? Wofür brauchst du Milch?‘ Diese Kolchosenbüffeln gaben überhaupt keine Milch und die Kommunisten schlachteten sie einfach für das Fleisch.“

In den 1990er Jahren blieben nur etwa ein hundert Büffel in den Dörfern übrig. Ihr Bestand nahm immer ab. Michel ist hierher vor sieben Jahren gekommen und begab sich auf die Suche nach Büffeln in jedem Hof und Dorf. Er hat einige gemeinnützige Stiftungen gefunden, die ihm bei der Suche halfen; einige Dorfvorsteher schenkten ihm Land, das niemandem gehörte. Michel begann mit dem Zusammenbringen von Büffeln aus der Umgebung.

Die Farm In Tschumalowo ist schon seine zweite, die erste liegt im Dorf Stebliwka. Michel sagt, dass es in Tschumalowo viel besser ist, da es ganz weit weg von den Menschen liegt und es fast keine Abfälle oder Müll auf den Feldern gibt. Im Sommer führt Michel die Büffel auf die Pereslip Polonyna (Bergweide in den ukrainischen Karpaten) im Kreis Rachiw. Der Weg dorthin dauert mehr als eine Woche mit mehreren Stopps in verschiedenen Orten zum Übernachten.

„Wenn ein Büffel geschlachtet wird, findet man etwa zehn Kilo Kunststoff im Magen. Die Büffeln sind einfach krank davon. Und die Menschen verunreinigen die Natur und machen sich keine Gedanken über das Aussehen ihres Landes, und töten ihre Tiere.“

Die Zucht von Büffeln kann man nur schwer ein richtiges Geschäft nennen. Die Haltung von Vieh ist nur dank der Herstellung von Milch und Käse möglich. Ein Kilo Käse kostet 200 UAH. Niemand will die Büffel kaufen. Es gibt keinen Preis für sie

„Ich kann jeden beliebigen Preis nennen. Der durchschnittliche Wert eines Büffels ist etwa zwei Tausend Euro. Aber selbst für fünf Hundert Euro wird sie keiner kaufen. Manchmal kauft doch jemand einen, aber er schlachtet ihn nach einem halben Jahr Qual. Die Menschen rufen mich an und sagen: ‚Mensch, nimm diese dumme Büffel zurück!‘ In den letzten zwei Jahren habe ich keinen einzigen verkauft. Alle sagen, dass der karpatische Büffel dumm ist, aber es ist nicht wahr. Im Gegenteil, er ist eher wie ein Mensch. Der Büffel ist für ein Geschäft nicht geeignet, er wird euch im Haushalt helfen, mehr aber nicht. Ich habe zehn Büffel, aber nur drei produzieren Milch. Die anderen vertrauen mir noch nicht.“

„Es gibt verschiedene Arten von Büffeln. Unsere karpatischen sind sehr intelligent und völlig anders als die bulgarischen zum Beispiel. Der karpatische Büffel ist ein Freund. Man darf ihn nicht schlagen. Der karpatische Büffel ist der ukrainische Elefant. Er merkt sich alles, er hat seinen eigenen Charakter. Eine Büffelkuh wird nie Milch produzieren, solange ihr keine Freunde seid. Man muss mit ihr sprechen. Sie ist keine dumme Kuh oder Ziege.“

Jeder Büffel hat seinen Namen. Der Stier heißt Romko. Michel spricht mit seinen Tieren auf transkarpatischem Dialekt. Wir kommen auf die Weide zu, er macht uns mit ihnen bekannt, erzählt über jede Büffelkuh, stellt uns dem Stier vor. Michel rät uns, dem Stier nicht zu nah zu kommen. Wir haben ganz gemischte Gefühle. Die Büffel machen ihre Hufe sauber und atmen schwer. Es sieht so aus, als ob sie für einen Stierkampf bereit sind. Michel lädt uns ein, die freundlichste Büffelkuh zu reiten. Alle vier von uns weigern sich höflich.

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Michel geht an die Organisation der Prozesse auf seiner Farm sehr vernünftig heran. Vor kurzem lag er ein Zuchtstammbuch an, eine genetische Reserve im Zentrum Transkarpatiens — im „Saldobosch“. Michel versucht vorzumachen, wie man die Büffel züchten kann und was man dafür braucht. Als Michel mit seiner Farm begann, organisierte er verschiedene Treffen mit Menschen, die eigene Erfahrung mit Büffeln schon hatten.

„Ich habe begriffen, dass niemand hier versteht, wie man Büffel hegen und pflegen soll. Ich, ein Deutscher, habe hier für die Einheimischen Seminare zur Pflege der Tiere gegeben, die hier seit eineinhalb tausend Jahren leben.“

Aber trotzdem kennt Michel hier eine alte Dame, die er seine Lehrerin nennt. Gerade sie hat ihm eine Unmenge von Kenntnissen über die lokale Tierhaltung und Pflanzenbau übermittelt.

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Michel freut sich immer über die freiwilligen Helfer. Aber er sagt, dass es furchtbar schwer ist, mit ihnen zu arbeiten, da das Verhalten der Tiere vorhersehbarer ist, als das der Menschen. Die Freiwilligen kommen nur für eine kurze Zeit und arbeiten sich gerade ein, als plötzlich ist es schon Zeit, wieder nach Hause zurückzukehren. Einige betrinken sich, sobald Michel die Farm für ein paar Tage verlässt. Er hat auch eine alte Farm in Tschumalowo, wo er seine Ziegen hält. Dort hat er auch eine huzulische Kuh und ein karpatisches Wollschwein namens Saschko, das sich wie ein Hund verhält.

Außerdem züchtet Michel lokale Pferde, die eine Unterart Hutan (Huzule) sind. Es gibt nur etwa fünf Hundert Wollschweine, 50 davon bei Michel. Zudem besitzt er die Hälfte der Büffel in den Karpaten, oder sogar noch mehr.

Außerdem züchtet Michael lokale Pferde, die eine Unterart Hutan sind. Es bleibt nur etwa fünf Hundert von wolligen Schweinen, 50 davon sind bei Michael. Zudem besitzt er die Hälfte der Büffel in den Karpaten, falls nicht noch mehr. Die Straßen sind hier ganz schlecht, es gibt keinen Asphalt. Nach dem Regen bleibt der Ton an seinen Schuhen haften, aber sogar hier sieht Michel etwas Positives — kaum ein Mensch schafft es hierher. Die einzige Straße, die es in der Nähe gibt, führt zu einem Kloster. Und vor allem von dort kommt der Müll auf die Weide.

Michel ist ständig auf der Suche nach Menschen, die sich ihm anschließen wollen. Er wohnt hier schon seit fünf Jahren ohne Dusche und normale Lebensbedingungen. Aber jetzt will er den Wohnkomfort verbessern, weil ihn jedes Jahr seine Eltern besuchen und sich mit dem ganzen Dreck schwer tun. Michel hat viele Pläne und Projekte für die Zukunft. So ist ein Deutscher, der keine ukrainischen Wurzeln hat, hier geblieben, hat die Sprache und das Züchten der hiesigen Tiere gelernt, dabei hat er sein kleines Geschäft in den schwierigen Bedingungen unseres post-sowjetischen Systems, das aus vielen Beschränkungen und Verboten besteht, etabliert. Michel wundert sich über die Gleichgültigkeit der Einheimischen, aber er hofft auf das Beste.

„Natürlich verstehe ich, dass die Kommunisten kamen und alles vernichteten. Wer in der Lage war, etwas zu tun, wurde verschleppt, und nur diejenigen, die ihnen gehorchten, wurden hier gelassen. Ich gehe ins Dorf und sage: ‚Kommt und macht!‘, und sie antworten: ‚Wir können nicht‘. Es fehlt ihnen immer an etwas oder sie haben immer keine Zeit dafür. Ich zeige ihnen an meinem Beispiel, dass es große Chancen hier für jedermann gibt. Ich habe mich für ein solches Leben entschieden, ich wohne hier mit meinen Büffeln in der Nähe vom Lagerfeuer genauso wie ihre Großeltern und Urgroßeltern vor vielen Jahren hier gelebt hatten. Aber die Leute denken, dass ich für irgendwelche Stiftungen arbeite und sie warten auch, dass jemand kommt und alles für sie tut, jemand anderer, aber nicht sie selbst.“

Michel hat eine weiche und angenehme Stimme. Während er spricht, glänzen seine Augen mit einem erstaunlichen Licht, und seine Worte sind voller Begeisterung und unglaublicher Energie. Michel bewirtet uns mit Milch und Käse. Die Büffelmilch kommt uns ungewöhnlich fett vor, der Käse aber hat einen wirklich erstaunlichen Geschmack.

„Man verkauft Brinsen, einen gesalzenen Frischkäse, für 100 UAH pro Kilo. Aber es soll das Doppelte kosten, da es ein völlig ökologisches Produkt aus Karpaten ist!“

Diesen Sommer ist Michel mit seinen Büffeln von der Weide, auf der es zu viel Kunststoff und Müll gegeben hat, auf das Pereslip Bergtal im Kreis Rachiw umgezogen. Früher hatten Schäfer in diesem Tal gewohnt, die ihren Sommer mit ihren Herden dort verbrachten, aber jetzt sind die Wiesen und Weiden total leer. Es gibt kein mobiles Netz. Michel wohnt hier unter freiem Himmel ein paar Monate im Jahr. Er baute eine kleine Holzhütte. Es gibt keine Notwendigkeit für einen Stall. seine Büffel grasen und schlafen im Sommer einfach auf der Wiese.

Vor kurzem ist Michel eine unangenehme Geschichte passiert. Er hat einen Bluttest in einem privaten Labor in Chust machen lassen. Die Probe ergab eine Hepatitis B. Als er davon erfahren hatte, schrieb Michel: „Ich weine und lasse meine Büffel vielleicht für ein ganzes halbes Jahr, da ich mich behandeln lassen muss“. Er musste nach Deutschland fahren und eine weitere Blutprobe machen lassen. Erst dort erwies es sich als ein Fehler, Michel hatte keine Hepatitis. Einerseits schämt man sich für die ukrainische Medizin, andererseits war das ein erfreuendes Ergebnis, dass Michel gesund war und schnell zurückkommen konnte.

„Es gibt ein großes Naturschutzgebiet in der Nähe der Donau. Dort gibt es eine Insel, auf die man ein paar meiner Büffel nehmen möchte, damit sie dort wild leben. Ich bin bereit, so viel zu geben, wie man braucht. Es gibt schon wilde Pferde dort. Die Büffel können zusammen mit ihnen und ohne Menschen ganzjährig weiden, da die Winter dort sehr warm sind. Ich habe viele Büffel, die nicht gelernt haben, Milch zu geben. Ich würde sie lieber in einer natürlichen Umgebung leben lassen. Ich habe davon schon für eine sehr lange Zeit geträumt.“

Beitragende

Projektgründer,

Autor des Textes:

Bogdan Logwynenko

Kameramann:

Dmytro Ochrimenko

Fotograf:

Trajan Mustjaze

Fotografin:

Darija Synelnykowa

Transkriptionist:

Serhij Husenkow

Übersetzerin:

Folge der Expedition