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Sie träumte von ihrem eigenen Kunst-Gehöft, um mit ihren Gleichgesinnten und Freunden Festivals, Filmfeste, verschiedene Kunstprojekte zu schaffen. Ein Jahr lang suchte sie nach einem Dorf mit wenig Einwohner, aber seit sie es gefunden hat, kämpft sie nun mit heimischen Gesetzen und findet Menschen, die sie begeistern.

Die Kyjiwer Journalistin Kateryna Misina besitzt schon seit 2 Jahren ihr eigenes Haus im Gehöft Selenyj Haj, das sich 120 km von der Hauptstadt entfernt befindet. Sie will es in einen Kunstraum verwandeln. Die Einheimischen nennen das Gehöft „Hoitsch“, sie sagen, das bedeute Waldwiese. Dies ist eine Geschichte über Träume, Hindernisse und die Erde. Die Erde, welche Kräfte liefert und Grundlage für den Garten bildet. Es geht um wilde Wälder, um ein Ambiente, das so viele Menschen begeistern könnte, um den großen Glauben an Menschen und um die Enttäuschung, um Podillja und Polissja, um Schwarzerde und Sand.

Suche nach einem Ort

Kateryna Misina suchte etwa ein Jahr lang nach ihrem Traumort. Die junge Frau nahm einfach ihr Fahrrad und fuhr gezielt in jene Umgebung. Sie fuhr durch kleine Dörfer, markierte auf der Karte die kleinsten davon, die kaum von ein paar Leuten besiedelt waren. Aber Selenyj Haj wurde von Katjas Freunden gefunden:

„Dann bin ich gekommen, und der Ort hat mir gefallen. Zuerst wollte ja einfach niemand mir ein Haus verkaufen. Ich habe alle gefunden – die Erben, die Enkel. Niemand wollte im Endeffekt mitmachen. ‚Nein, wir verkaufen nichts‘. Der Gemeindeleiter war auch ablehnend: ‚Davon weiß ich nichts‘. Und ich bin weiter gefahren. Ein Jahr später bin ich ins Nachbargebiet gefahren, und dann wieder hierher zurückgekehrt. Man hat mich gesehen und mir erzählt, dass dort alles schon ausgeraubt wäre und niemand dort wohnen würde, die Häuser auseinander genommen wären. Sie meinten: ‚Dort hat es gebrannt und niemand konnte das Feuer löschen, bis wir aus dem Dorf hierher gekommen sind und mit einem Traktor den Brand gelöscht haben, war das Feuer schon in der Nähe der Häuser. So ein Unglück, jemand muss dort wohnen‘. Solche Vorgespräche gab es. Ich habe gedacht: ‚Oh! Das ist sicherlich der richtige Zeitpunkt‘. Und ich habe alles von Anfang an begonnen. Vier Monate später habe ich das Haus endlich gekauft.“

Katjas Entscheidung, von Kyjiw auf das Gehöft zu ziehen, verstehen die Einheimischen kaum, darum fangen sie an, ihre eigenen Erklärungen zu erdenken:

„Es passt einfach nicht in deren Köpfe. Ich bin 25 Jahre alt, ich bin Journalistin, es geht mir gut, ich wohne in Kyjiw, ich verdiene Geld. Ich komme her und kaufe hier ein Haus. Wozu brauche ich das? Da sie es nicht verstehen, wollen sie gar nicht mitwirken. Wenn man es nicht versteht – ist es einem fremd, man beginnt, nach eigenen Gründen zu suchen. Sie überlegen: ‚Was würde mich dazu bringen, so zu handeln?‘. Und sie fangen an zu denken, dass ich das mache, weil ich Geld verdienen, sie betrügen, ausbeuten oder was auch immer tun will.“

Jetzt führt Katja den Haushalt in zwei kleinen Häuschen, in einem davon lebte zuvor eine ältere Dame Eva. Als die junge Frau zum ersten Mal nach Hoitsch kam, unterhielt sie sich mit ihr. Zu diesem Zeitpunkt lebten die ältere Frau Eva und der „Zigeuner“ Pawlo auf dem Gehöft. Es war Eva, die Katja und ihren Freunden von diesem Dorf erzählte, von denen, die hier gelebt hatten, und Pawlo machte Führungen durch die Gegend. Kurz danach brachten die Töchter von Eva Halyna und Ljudmyla ihre Großmutter nach Malyn, und Katja schlug vor, ihr Haus zu kaufen. Erst nach zwei Monaten von Erinnerungen und Anrufen stimmten die Besitzerinnen zu, das Haus zu verkaufen.

Die Motivation, ein Haus zu kaufen, war eindeutig – der Wunsch, etwas Eigenes, einen eigenen Platz zu haben und nicht einfach eine Wohnung zu kaufen:

„Irgendwann habe ich verstanden, dass ich Geld für meine eigene Wohnung in meinem Arbeitstempo als Journalistin jahrzehntelang sparen würde, zum Beispiel, in Kyjiw. Und ich wollte nach Kamjanez nicht zurück, in meine Heimatstadt.“

„Ich wollte einen eigenen Ort haben, an den ich immer zurückkehren kann.“

Und dann kam die Fantasie, wie das Haus aussehen und was dort stattfinden müsste. Es ist interessant für Katja, etwas zu schaffen, und nicht nur bloß konsumierend zu leben:

„Ich wollte einen Platz finden, wo man etwas schaffen kann. Aber ich hatte weder die Inspiration, noch die Absicht, ein Haus zu bauen, denn Männer haben normalerweise so eine sportliche Idee – ein eigenes Haus zu bauen. Aber ich hatte sowas nicht, ich wollte ein altes Haus in einem alten Dorf kaufen, wo fast niemand wohnt, wo man aber etwas Neues machen kann. Auf der Grundlage von etwas Altem etwas Interessantes machen, upgraden und irgendwelche Prozesse in Gang setzen.“

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Katja suchte gezielt nach einem Ort, an dem es nur wenige Menschen geben würde, denn sie wusste, dass es in einem Dorf mit vielen Einwohnern schon ein eigenes „Ökosystem“, eigener Alltag, Leben, Vorstellungen und Prinzipien, nach denen sie leben, Beziehungen untereinander gibt, und es deswegen für sie extrem schwierig wäre, dort etwas Neues einzubringen. Die junge Frau wollte einen Grenzfall finden, wo schon etwas geschaffen ist, wie dieses Gehöft, wo einst Menschen lebten, aber nun nichts mehr passiert:

„Die Idee war, dass das Gehöft ein neues Leben bekommen sollte. Bis jetzt komme ich hierher ohne Heimatgefühl. Aber dieser Ort ist für mich schon sehr heimisch, weil wir uns an Dinge gewöhnen, mit welchen wir oft etwas erleben. Mit Menschen ist es so, wenn wir zusammen in die Berge gehen oder reisen, beginnen wir diesen Menschen als seelenverwandt wahrzunehmen. Mit diesem Ort ist es auch so: wie einige unserer Freunde, ärgert er manchmal sehr stark – hier passieren teilweise solche unangenehmen Dinge. Und gleichzeitig bereitet er viel Freude: Durch die Landschaften und die Menschen, die hierher kommen, sich hier versammeln und die ich hier kennenlerne. Wegen solcher gleichzeitig guten und schlechten Beispiele ist dieser Ort für mich sehr heimisch geworden. Noch kein Zuhause, aber dennoch…“

Noch eine Besonderheit des Gehöfts Hoitsch ist es die Tatsache, dass die Menschen hier nicht weniger als 80 Jahre alt werden. Katja sagt, sie sei hergekommen, um ebenfalls so lange zu leben.

Kontrastreiches Leben

Es gibt genug Kontraste in Katjas Leben auf dem Gehöft – sowohl positive, als auch negative. Als Beispiel erzählt sie von einem Tag, der diese Balance deutlich zeigt:

„Ich bin zurückgekommen, und vor der Haustür gab es eine Nachricht aus Löwenzahnblüten: ‚Ruf mich an‘ und eine Telefonnummer. So romantisch! Also rufe ich an: ‚Hallo Katja, ich heiße Natalija. Ich bin aus dem Dorf Nedaschky, ich bin eine Dichterin und will sie unbedingt kennenlernen. Habe Ihnen eine Notiz hinterlassen, weil Sie nicht da waren.‘ Das ist ja eine Überraschung, Klasse. Dann werde ich kommen. Ein Mann kam, um den Brunnen zu reinigen, Mychajlo Krol ist sein Name. Wir haben uns befreundet, aber Leute, wie ich, die nicht nur an die Stadt, an Geld oder an alles andere denken, gibt es wenig. Ich schließe das Haus ab, und fahre hin, um sie kennenzulernen. Das war wirklich die erste Bekanntschaft mit Menschen, die zumindest aus eigenem Willen kamen, sie wollten mich einfach treffen und sich mit mir unterhalten. Gerade in diesem Moment, als ich bei ihnen war, wurde in mein Haus eingebrochen. Ich kam von dem Besuch zurück, ging ins Haus und sah, dass es dort keinen Rucksack mehr gab, in dem mein Laptop war. Das war so ein Moment, solche Erhebung – endlich habe ich Menschen gefunden, die mich verstanden haben, die mich unterstützen werden. Und gleichzeitig gab es so einen Reinfall.“

Für Katja war es schwierig, den Kontakt zu den Einheimischen zu finden. Die junge Frau sagt, dass es ganz andere Menschen in Podillja gebe, und es sei ziemlich kompliziert in Schytomyr Oblast für Sie:

„Vielleicht, weil ich mich hier ansiedeln wollte, und fing an, tiefer in ihr Leben einzutauchen, aber irgendwie haben sie alle ihre Macken! Sie erfinden teilweise solche Legenden über mich! Ein Typ sagte: ‚Sie ist ein Monster, sie will mich töten und darum werde ich mein Haus ihren Freunden nicht verkaufen.‘ Er lehnte es ab, meinen Bekannten das Haus zu verkaufen, weil er dachte, dass ich ihn bedrohe. Wegen solcher unangenehmen Situationen, die ich hier erlebt habe, wollte ich alles hinschmeißen, an einen anderen Ort fahren oder verreisen – ich kann mich jederzeit irgendwo niederzulassen.“

Der lokale Oligarch Iwan

Es gibt nur 11 Häuser auf dem Gehöft Hoitsch, die Einheimischen sagen, dass es früher 30 gab. Einige von ihnen wurden demontiert, einige wurden nach Nedaschky transportiert, einige sind eingestürzt. Es gibt sogar noch Orte, an denen es erkennbar ist, dass es dort Häuser gab. Aber alle Häuser sind verlassen, niemand lebt dort, obwohl die meisten normal aussehen. Katja und ihre Freunde können sie aber nicht kaufen. Wie sich herausstellte, wurden einige von ihnen bereits an einen lokalen „Oligarchen“ verkauft. Katja hat ihre eigene Idee, wofür er das tut:

„Als ich vor zwei Jahren hierher kam, brauchte einfach niemand diese Häuser. Alles fiel in sich zusammen. Alles war zugewachsen. Und dann begannen alle Besitzer ihre Meinung zu ändern und hörten auf, diese Häuser an uns zu verkaufen. Dann habe ich herausgefunden, dass sie sie an jemanden anderen verkauft haben. Eins nach dem anderen. Und ich habe erfahren, dass es einen Mann gibt, der von hier stammt, er lebt schon lange in Kyjiw, hat keine Wurzeln mehr hier. Vielleicht wohnen seine Verwandten in Nedaschky. Er begann Häuser zu kaufen, um hier ‚ein Museum zu errichten‘ – wie er mir erzählte. Aber das glaube ich nicht. Weil er hier nichts macht. Er hat schon 5 Häuser gekauft – alle, die verkauft werden könnten. Und wir haben keine Möglichkeit mehr, hier etwas zu kaufen, weil sie alle schon an ihn verkauft wurden.“

Katja hat sogar versucht, mit dem lokalen Oligarchen Iwan Kontakt aufzunehmen. Sie haben sich getroffen, abgestimmt, dass sie etwas zusammen tun würden – sie würde mithilfe der Medien helfen, hier ein aktives kulturelles Leben wieder zu gestalten. Während des Treffens versicherte Iwan Katja, dass dieser Ort ihm nahe liege, er wurde hier geboren, und deshalb möchte er hier etwas mit seinen Kindern tun:

„Ich frage: ‚Was wollen Sie hier tut?‘ – ‚Na, vielleicht ein Museum, wie in Pyrohowo‘. Ich sage: ‚Ich kritisiere es nicht, aber wer wird in Ihr Museum kommen? Das ist sehr weit weg. Außerdem gibt es schon Pyrohowo.‘ – ‚Ich werde schon jemanden finden, der hierher kommt!‘ Und davor habe ich die Veranstaltung gemacht, als alle Leute Bäume gepflanzt haben. Es kamen etwa 50 Menschen, einfach um in der Erde zu buddeln. Er wusste davon – er hatte es in den Zeitungen gesehen, und deshalb fing er damit an. Ich sage: ‚Schauen Sie mal, ich kann Menschen versammeln. Ich bin Journalistin, ich habe andere Mittel, ich kann Ihnen helfen, diesen Ort populärer zu machen, die Aufmerksamkeit der Medien zu lenken, Gäste einzuladen.‘ – ‚Ja, vielleicht wäre es interessant für uns zusammen zu arbeiten‘. Ich dachte: ‚Nun, endlich!‘ Er hat Kohle – lass ihn doch all diese Häuschen kaufen, wir werden etwas zusammen damit tun, wir werden uns vereinen. Ich sage: ‚Ok, aber, bitte, kaufen Sie nichts mehr. Um dort zu bleiben, um ein Aufseher, Wächter dieses Ortes zu sein, brauche ich jemanden, der sich dort niederlässt. Wir brauchen Nachbarn, weil ich allein dort bin, und es ist nicht sehr cool für mich, alles selbst zu entwickeln, wenn es ein Museum für jemand anderen ist.‘ – ‚Ja-ja, dann lass uns den Plan des Gehöfts anschauen und überlegen, wo was hinkommt.‘ Und Ich sage: ‚Super! Lassen Sie uns das machen. Nächste Woche hören wir uns.‘ Am nächsten Wochenende komme ich hierher mit einem Freund, der die Vorauszahlung für eines dieser grünen Häuser mitbringt. Die Frau, mit der wir uns treffen mussten, ist nicht gekommen, hat sich nicht gemeldet. Jemand von den Einheimischen kommt vorbei und ich frage ihn: ‚Wissen Sie wo Lida ist? Sie hat versprochen, zu kommen, wir haben eine Vorauszahlung für sie mitgebracht.‘ – ‚Sie hat doch letztes Wochenende ihr Haus an Iwan verkauft‘.“

Von Zeit zu Zeit kamen Verwandte von Menschen, die früher hier lebten, auf das Gehöft. Einigen begegnen auch wir während einer improvisierten Wanderung. Viele Menschen kennen Katja vom Hören, begrüßen sie, erzählen Geschichten darüber, dass es früher viele Pilze und einen Teich gab, man im Wald verschiedene Beeren essen konnte, außerdem gab es einen See auf dem Gehöft. Sie zeigen Fotos, erinnern sich an die Kindheit, die Atmosphäre, die hier herrschte. Katja träumt davon, dass man hier in Hoitsch eines Tages baden kann. Die Einheimischen verstehen auch, dass der Käufer der Häuser nichts für das Dorf tun wird, aber sie lehnen es trotzdem ab, ihre Häuser an Katja zu verkaufen.

Katja glaubt, dass die Menschen hier eine große Angst vor allem haben. Über sie und ihre Freunde haben die Einheimischen zuerst gesagt, dass sie Flüchtlinge sind, und haben es in Verbindung mit dem andauernden Krieg gebracht. Die meisten haben Angst davor, die junge Frau kennenzulernen, dafür hört Katja ständig neue Geschichten über sich. Jemand sagt, dass sie die Häuser weiterverkauft, einige haben sogar Angst davor, ihr einfach nur Brennholz zu bringen.

Lokale „Triebkräfte“ für Katja

Es gibt jedoch Menschen auf dem Gehöft und in der Umgebung, die eine besondere „Triebkraft“ und Motivation für Katja sind. Nadja, ein 15-jähriges Mädchen, das den Gästen von Hoitsch das Reiten beibringt und Bandura spielt, der BBC-Fan Iwan, Lehrerin Ljudmyla aus Kyjiw, die an der Haltestelle Katja eine Liebeserklärung gemacht hat, eine 90-jährige ältere Dame Malwina, welche die junge Frau lehrt, Ordnung zu schaffen und einen Bräutigam zu suchen. Sie alle haben die Zugezogene angenommen und versuchen, die Einstellung anderer gegenüber Katja zu ändern.

Nadja und Iwan

„Nadja lebt in Nedaschky. Als ich das letzte Mal kam, um eine Veranstaltung zu machen – wurde eine Filmvorstellung geplant, viele Leute kamen und ich ging nach Nedaschky, um nach jemandem zu suchen, der Pferde bringen könnte. Ich habe sofort gemerkt, dass in Nedaschky die Einwohner viele Pferde haben und ich dachte, dass es eine tolle Veranstaltung für die Gäste wäre. Ich fuhr dorthin, um nach diesen Menschen zu suchen und fand Nadjas Vater Iwan.“

Nadjas Vater brachte sein Pferd und das Mädchen kam mit ihm. Sie hat allen Gästen gefallen, und dann rief sie sogar Katja an und hat sie zu ihrem Geburtstag eingeladen:

„Und ihr Vater ist so witzig. Ich habe ihm den Film ‚Virunga‘, der 2012 als bester Dokumentarfilm einen Oscar gewann, gezeigt. Es geht um das Naturschutzgebiet in Kongo, wohin die Amerikaner kamen, um in diesem Schutzgebiet einige Betriebe für die Erdölverarbeitung zu bauen. Dort gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen den Einheimischen, die in diesem Schutzgebiet sich um Gorillas kümmerten, und den Amerikanern. Und dieser Iwan, Nadjas Vater, schaute diesen Film wirklich so – er stand! Ich sage: ‚Setzen Sie sich!‘ – ‚Nein – sagt er – ich bleibe lieber stehen.‘ Also schaute er den ganzen Film im Stehen, zwei Stunden lang. Dann kommt er zu mir und sagt: ‚Katja, du hast so einen Film gezeigt! Einfach super!‘ Ich sage: ‚Ich bin froh, dass er Ihnen gefallen hat.‘ – ‚Ich schaue solche Sachen gerne! Wenn wir fernsehen, schalte ich immer ein, was WWS gefilmt hat. Meine Familie sagt: Was hast du schon wieder eingeschaltet? Aber mir gefällt es so sehr!‘ Ich sage nichts und überlege: was ist WWS? Vielleicht ‚Krieg‘, ‚Armee‘ (Bem.: beide Wörter fangen mit ‚W‘ im Ukrainischen an.) Und dann kapiere ich es – das ist BBC! Er schaut gern BBC! Oh mein Gott, Onkel Wanja! Super, dann bringe ich Ihnen mehr solcher Filme!“

Ljudmyla

In Nedaschky lernte Katja die Lehrerin Ljudmyla kennen, als sie auf einen Bus wartete:

„Ich stehe da, füttere einen Hund mit Napfkuchen. In einem Kopfhörer höre ich Musik, mit dem zweiten Ohr – ob ein Bus kommt, da ich auf die Straße nicht schaue. Und da ist eine Frau, ich habe auf sie nicht geachtet, bis der Bus da war, und sie näher zu mir kam. ‚Und Sie sind die Katja?‘ – ‚Ja.‘ – ‚Ich liebe Sie so sehr!‘ Ich habe einfach so genickt, hatte ja meine Kopfhörer in den Ohren. Und dann steige ich in den Bus. Ich denke, vielleicht habe ich mich verhört. Ich habe Musik in meinen Kopfhörern, vielleicht habe ich da das Wort ‚lieben‘ gehört. Es passt nicht: Eine fremde Frau kommt zu mir an der Haltestelle und sagt: ‚Ich liebe Sie so sehr!‘ Vor allem in Nedaschky, wo mich alle hassen. Ich habe mich zu ihr umgedreht und denke: ich frage sie mal. Aber es schien so, als wäre sie im Bus eingeschlafen. Ich habe einen Post darüber geschrieben, alle haben ihn viel geliked. Das nächste Mal, als ich mit dem Bus gefahren bin, bin ich ihrer Freundin begegnet und wir sind ins Gespräch gekommen.“

Ljudmyla wohnt in Kyjiw und kommt hierher zu ihrer Mutter. Die Frau versprach Katja, ihr mit allem zu helfen – sie würde ihr „Bulldozer“ sein.

Die alte Dame Malwina

In den wärmeren Monaten bekommt Katja eine weitere Nachbarin – die 90-Jährige Frau Malwina. Sie bringt dem Mädel bei, sich um den Haushalt zu kümmern und sagt, dass es schon an der Zeit wäre, einen Mann auszuwählen:

„Einmal kam ich mit einem jungen Mann, weiß nur noch, dass sein Name Ihor war und er mal schauen wollte was für Häuser hier verkauft werden. Wir kamen hierher und sind zu Frau Malwina gegangen, und sie hat sich ja nicht für die Details interessiert und sagt: ‚Oh, Ihor, na Hallo.‘ So hat sie sich schon eine eigene Meinung gebildet. Er hat sich hier umgeschaut und ist nach 2 Tagen wieder abgereist. Ich blieb hier und dann kam Dima Kuprijan zu mir. So steht er da und mäht das Gras vor dem Haus. Dann kommt Malwina und sagt: ‚Oh, Hallo‘. Dann kommt sie zu mir: ‚Das ist Ihor, oder?‘ Ich sage: ‚Nein, das ist Dima‘. – ‚Und wo ist Ihor?‘ Und ich sage: ‚Ihor ist schon weg, er kam doch nur um das Haus zu sehen.‘ – ‚Ah, gut.‘ Und dann ging sie zu Dima, um ihn kennenzulernen. ‚Du muss das auf diese Weise machen und auf diese Weise.‘ Dann kam sie wieder zu mir und sagte: ‚Dima ist ein guter Kerl, nimm ihn.‘ – ‚Also gut, Danke, Malwina.‘ Sie ging nach Hause, eine Stunde später kam Sascha Kwjatkowskij. Irgendwo hinter dem Haus hat er eine Hängematte angebracht oder sowas in der Art. Und die Frau so: ‚Guten Tag, Dima!‘ Dann ging sie um das Haus und sagte: ‚Hallo, und wer sind Sie?“ Und er antwortet: ‚Sascha.“ Und sie: ‚Katja, wer ist das?‘ Danach war sie wieder weg. Nach einer Stunde kommt sie und da stand schon Ruslan, er hat mir geholfen die Scheune abzubauen. Und sie sagt: „Guten Tag, Sascha!‘ Darauf sagt er: ‚Ich bin nicht Sascha‘. – ‚Und wo ist Sascha? Bist du Dima?‘ – ‚Nein, ich bin nicht Dima. Ich bin Ruslan.‘ Sie kommt zu mir: ‚Katja, Dima ist der Beste, nimm Dima, er war sehr gut beim Mähen.‘ Danach fingen die Gerüchte an: ‚Oh, es kommen Männer zu ihr‘.“

Katjas Mutter

Katjas Mutter ist im Dorf geboren und aufgewachsen. Mit 14 Jahren zog sie weg von dort, um ihre Ausbildung an einer städtischen Schule fortzusetzen. Später studierte sie an der Universität in Moskau. Das heißt, sie hatte immer den Wunsch, das Dorf zu verlassen:

„Als ich ihr sagte, nachdem ich in Kyjiw die Ausbildung zur TV-Moderatorin abgeschlossen habe, dass ich ein Haus im Dorf kaufen möchte, so etwas machen möchte… Ich konnte keine passenden Worte finden, um zu erklären, was ich tun möchte. Ich dachte, es ist besser, ihr das zu zeigen, wenn ich es geschafft habe. Ich lebte in Obyrok, damals hat sie mich besucht und gesehen, dass es nicht einfach nur ein Leben im Dorf, sondern etwas Anderes ist. Ich erinnere mich daran, als ich ihr sagte: ‚Mutter, ich habe ein Haus im Dorf gekauft‘, und sie war so… Es war einfach still im Telefon. Sie war geschockt.“

Obyrok
Ein Kunst-Gehöft, das 2007 auf dem Platz des verlassenen Dorfes in Tschernihiw Oblast gegründet wurde. Heute ist es ein Veranstaltungsort für verschiedene Festivals und künstlerische Aktionen.

Obwohl Katjas zwei Großmütter in einem Dorf bei der Stadt Kamjanez wohnen und dort zwei Häuser haben und sie dort jeder kennt, will sie nicht dorthin zurückkehren, wo sie sich wohl fühlt:

„Ich setze mir was Neues zu Aufgabe. Und deshalb wollte ich nicht dorthin zurückkehren, wo ich eine Wohnung habe, in der meine Mutter oder jemand auf mich wartet. Ich bin gezielt in diese Region gezogen, da ich nichts darüber, über dieses Gebiet, über diese Orte, über diese Tschornobyl-Zone wusste. Das war etwas Neues und sehr Interessantes für mich. Je neuer und unbekannter, desto interessanter war es für mich.“

Zum ersten Mal hat Katjas Mutter sie vor etwa einem Jahr im Winter besucht. Sie erzählt, als sie die Gegend sah, hatte sie „Herzschmerzen“:

„Oh mein Gott! Wir haben andere Häuser. Unsere Scheune ist ja besser, als dieses Haus. Nun, wir bauen anders, die Dörfer sind reicher. Die Natur ist anders. Alles war ungewöhnlich. Und als ich ins Haus kam, war alles schwarz, wie meine Jacke. Herrgott. Und weil sie zu dieser Jahreszeit in dieses Dorf fährt, schlafe ich die halbe Nacht nicht und denke: wie geht es ihr dort ganz allein? Es gibt dort nur Wald, Wölfe und Katja.“

Die Mutter ist überrascht, dass alle die Dörfer verlassen, und ihre Tochter das Gegenteil tut:

„Im Inneren habe ich gestaunt: ‚Mein Gott, Katja! Alle verlassen die Dörfer. Sie ziehen in die Städte um, dort gibt es Kultur, dort ist es möglich, sich zu waschen… Warum fährst du in diesen Sumpf?‘. Aber dann kam ich her, und hier gibt es keinen Sumpf. Und hier gibt es Sand, einen Strand. So gefällt es ihr und ich kann nichts dagegen tun.“

Die Strahlung der Veränderungen

Katja hatte Pläne für das ganze Dorf. Die junge Frau hat sich alles im Maßstab der ganzen Ortschaft vorgestellt, aber jetzt hat sie nur ihr eigenes Haus und sie versucht ihre Ambitionen etwas zu reduzieren. Katja hat vor, verschiedene Veranstaltungen zusammen mit den Einheimischen durchzuführen und sie kennenzulernen. Sie will einfach Menschen miteinander bekannt machen – nicht nur die Einheimischen, sondern auch die Kyjiwer. Katja hat sich bereits damit abgefunden, dass es eher eine Kunsthütte und kein ganzes Gehöft sein wird:

„Ich möchte das Haus reparieren, ich möchte eine Sauna bauen. Möchte, dass Leute, die hier übernachten, baden können. Ich möchte eine Werkstatt machen, wo man etwas bauen kann, etwas mit eigenen Händen schaffen. Das heißt, es kann am Wochenende sein, wenn Menschen sich versammeln können und zusammen etwas schaffen. Es ist einfach eine tolle Möglichkeit, denn Menschen haben oft keinen Platz, um sich kennenzulernen, zu reden, zu werkeln. Beschäftigungstherapie ist eigentlich eine zauberhafte Sache. Ich mochte es selber nie, im Dorf zu arbeiten, bis ich solche Umstände schuf, in denen es angenehm und nützlich ist zu arbeiten. Und hier ist die Luft sehr rein, es gibt sehr günstige Umstände, hier gibt es kein Internet, keine gute Verbindung – und das ist klasse. Es verbindet Menschen, alle schalten die Smartphones aus und fangen an zu kommunizieren.“

Das Dorf hat Katja beigebracht, die Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind, zu lächeln und keine negativen Kommunikationsmethoden zu benutzen:

„Und es funktioniert. Nun, wirklich, wenn zu dir Einer kommt: ‚Hör zu, dass es keine Probleme gibt, ich habe dir Brennholz gebracht‘. Ich sage: ‚Worüber sprechen Sie, was für Probleme? Jeder hat im Leben Probleme: ich habe Probleme, Sie haben Probleme.‘ Ich lächele ihn an und er lächelt zurück und fährt weg. Wenn du eine Person anlächelst, während derjenige schlecht gelaunt ist, das ist magisch, es funktioniert. Jeder fängt an zu lächeln.“

Obwohl Katja versucht, das Gehöft und die umliegenden Dörfer zu verändern, würde sie das Amt des Dorfoberhaupts ablehnen. Die junge Frau sagt, dass sie sich momentan nicht in der Lage fühlt, hier etwas zu verändern:

„Nun wirklich, ich habe in der Nähe des Dorfes, 3 km entfernt, ein Haus auf dem Gehöft gekauft. Wen könnte ich hier nur stören? Alle von ihnen, das ganze Dorf, gehe ich etwas an. Wenn ich die Bürgermeisterin wäre, würden die Leute mich mit faulen Eiern bewerfen. Ich will nicht sagen, dass sie nicht bereit sind, aber es ist noch nicht die richtige Zeit, etwas in diesem Dorf zu verändern. Ich selbst würde in diesem Amt untergehen. Es gibt hier überall eigene Beziehungen: Forstwirtschaft, Sägewerke, Polizei, Jäger. Alles ist miteinander verzwickt. Dieses System würde mich verschlingen. Ich würde hier nichts ändern. Es ist besser, etwas auf meinem kleinen Gehöft zu ändern und es wie eine Strahlung weiterzuverbreiten.“

Unabhängigkeit – die Möglichkeit etwas erschaffen zu können

Katja sagt, dass die Ukrainer im Grunde sehr nette Menschen sind, dass sie durch etwas „Unsichtbares“ vereint sind, obwohl sie alle sehr verschieden sind:

„Ein gemeinsames Merkmal der Ukrainer ist die Gastfreundschaft, obwohl es zuerst scheint, als wäre es nicht so. Hier sind die Menschen sehr unfreundlich, so schien es mir, aber je näher man sie kennenlernt… Ukrainer sind kompliziert, aber sehr nett. Und es lässt dich in diese Menschen verlieben. Ihre Freundlichkeit, Aufrichtigkeit.“

Für Katja ist Unabhängigkeit, wenn sie nicht nach der Erlaubnis ihrer Mutter fragen muss, um zum Beispiel nach Afrika zu reisen, sondern ihr einfach davon erzählt, und wird unterstützt. Die junge Frau möchte niemandem mit ihrer Unabhängigkeit schaden:

„Weil die Unabhängigkeit oft mit etwas wie ‚ich mache, was ich will‘ verwechselt wird. Darum geht es nicht. Es geht darum, zu fühlen, dass man es schaffen kann, und das ist mein Entwicklungsstand, in dem ich es mir leisten kann, etwas zu kaufen, auf der materiellen Ebene, Geld zu verdienen und etwas zu kaufen. Und auf der metaphysischen Ebene – zu einer Person zu kommen und zu sagen: ‚Ich liebe Sie‘. Wie Ljudmila es zu mir gesagt hat. In der Tat ist es eine Unabhängigkeit von der Moral oder Klammern, Labyrinthen und Rahmen, welche uns von der Gesellschaft aufgezwungen werden. Ich möchte sie einfach loswerden und das als Unabhängigkeit bezeichnen – einen Menschen ohne Grund anzulächeln, die Liebe zu gestehen.“

Ich möchte, dass es hier Gärten gibt
Das Leben auf dem Gehöft hat Katja viel beigebracht, zum Beispiel Bäume zu pflanzen. Katja träumt von ihrem eigenen Garten, denn auf dem Gehöft gibt es viele Bäume, aber wenig Obstbäume. Sie ist daran gewöhnt, dass es in Podillja überall neben den Häusern riesige Gärten gibt. Die erste Sache, die die Menschen dort machen, wenn sie ein Haus bauen, ist es einen Garten zu pflanzen. Aber hier in Hoitsch gibt es neben ihrem Haus höchstens 2-3 Apfelbäume. Katja möchte, dass man hier in 15-20 Jahren Gärten bestaunen kann. Es war für sie eine Überraschung, dass es in Polissja meist sandige Böden gibt, weil sie in Podillja aufgewachsen ist, wo es überall Schwarzerde gibt:

„Das ist echt so, man spuckt einen Kirschkern aus, und da wächst schon bald was. Und hier habe ich viele Male welche ausgespuckt, aber es wächst nichts. Habe im Dorf nach Humus gesucht. Und ich fand einen Kerl, der eine Stute hat. Er sagte: ‚Nun, ich gebe dir ein bisschen‘. Er hat es auf einem Wagen gebracht. Die Ladung hat mich 400 oder 500 UAH gekostet. Es ist wirklich ein Schatz. Letztes Jahr haben wir ca. 30 Gruben und diesem Jahr 15 damit zugeschüttet. Der Dünger will nicht enden. Ich würde ja schon aufhören zu pflanzen (sie lacht).“

In der Zwischenzeit „pflanzt“ sie außer dem Garten unter anderem gegenseitiges Verständnis, zeigt wie Kunst sein kann und wie Arbeit Menschen verbindet. Jedes Mal schafft es Katja, viele Freunde auf dem Gehöft zu versammeln – einige kommen aus Weißrussland, Frankreich, hier kann man oft Aktivisten sehen, die einen Garten zusammen pflanzen oder ein Zelt aufstellen, manche wollen sogar ein „grünes Sofa“ im Garten bauen. Auf jeden Fall schafft Katja eine Sache sicher – Menschen zu vereinen, trotz allem. Und wer weiß, vielleicht lässt schließlich der „Oligarch“ Iwan die Träume der jungen Frau wahr werden.

Seht euch den Videoblog über unser Team und die Abenteuer auf dem Weg zum Gehöft Hoitsch an:

Beitragende

Projektgründer:

Bogdan Logwynenko

Autorin des Textes:

Maryna Odnorog

Redakteurin:

Tetjana Rodionowa

Projektproduzentin:

Olha Schor

Fotograf:

Taras Kowaltschuk

Kameramann:

Oleg Solohub

Mychajlo Titow

Kameramann,

Filmeditor,

Tontechniker:

Pawlo Paschko

Regisseur,

Filmeditor:

Mykola Nossok

Bildredakteur:

Olexandr Chomenko

Transkriptionistin:

Switlana Borschtsch

Anna Drahula

Korrektorin:

Halyna Wichmann

Folge der Expedition