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Über Janko Derevlyanyj gibt es ebenso viele Hinweise im Netz, wie Wege zum Berg Jawornyk, also praktisch keine. Hierher kommen höchstens Wanderer, und selbst die nur durch Zufall. Der Berg ist eines der ersten Ziele unserer Expedition, die wir mit unserem Bergführer Juri erreichen. Er bringt uns vom Städchen Welykyj Beresnyj aus zum Berg, am einzigen Dorf Ruski Motschar vorbei, der Weg ist wirklich schlecht und anstrengend. Im Sommer fährt es sich auf breiten Reifen leichter durch die Sümpfe, als durch den tiefen Schnee. Im Winter, wenn Jurko seinen Freund Janko besuchen möchte, muss er an der Stoßstange seines Autos ein Schiebeschild festmachen, aber auch das reicht nicht immer.

Janko Derevlyanyj erinnert ein bisschen an den österreichischen Künstler und Architekten Hundertwasser, seine Hütte und Kleidung könnten einem Werk Tolkiens entstammen, sein Lebensstil jedoch gleicht in etwa Buddha Gautama. Aber er ist ein einfacher Sohn Transkarpatiens, der als junger Mann im Baubataillon in der Stadt Elektrostal diente. Das war der berühmte Betrieb, wo im Rahmen des Kurtschatow-Projektes die Atombombe gebaut wurde.

Janko wuchs als jüngstes Kind einer großen Lehrerfamilie auf. Schon damals malte er gern. Er ist auf seine eigene besondere Art ein sehr unabhängiger Mensch. Obwohl ihm diese Unabhängigkeit sehr wichtig ist, hat er nach zehn Jahren Briefwechsel mit seiner zukünftigen Frau, den Jahren in der Armee und anderen Verzögerungen eine Familie gegründet und ist seit 35 Jahren glücklich verheiratet. Er hat zwei Kinder großgezogen, denen er viel Aufmerksamkeit geschenkt und sie in jeder ihrer kreativen Unternehmungen bestärkt hat.

Aber sobald er nach Transkarpatien zurückkehrte, kam das gewöhnliche Leben für ihn nicht mehr in Frage. Er lebte praktisch seit den 70er Jahren auf dem Jawornyk, als hier noch eine sowjetische Berghütte war, wohin er als Grafiker und Designer oft eingeladen wurde. Die Gebäude waren aber schon vorher, nämlich in den dreißiger Jahren, von Tschechen und Slowaken errichtet worden.

Jankos Herberge

Der Jawornyk ist insofern einzigartig, als dass es der einzige Berg ist, auf dem es über all die Jahre eine steinerne Schutzhütte gab, die bis heute erhalten geblieben ist und die auch ganzjährig bewirtschaftet wurde. Da Janko mit der Einrichtung und Ausstattung des Hauses beauftragt wurde, kümmerte er sich nebenher um die Touristen. Zum ersten Mal kam er 1974 auf den Jawornyk, seitdem hat er viel an diesem Ort geändert. Er hat Hütten und Feuerstelle entworfen und gebaut, wobei ihn Familie und Freunde halfen. Bis heute schuf er hier in der Nähe von Welykyj Beresnyj, ganz in der Nähe der Bergpitze, eine recht ungewöhnliche touristische Herberge.

In Tschechien und in der Slowakei sind Berghütten keine Seltenheit. Dort kann man immer einen Schlafplatz finden, rasten, Essen zubereiten, Schutz vor Unwettern suchen und andere Wanderer kennen lernen. Diese Hütten reduzieren das Risiko bei Wanderungen in den Bergen und sind oft wie rettende Inseln bei schlechtem Wetter.

„Einmal haben sich hier zwei Mädchen aus Kyiw verirrt“, erzählt Maria, Jankos Tochter. „Eine war dazu noch Polizeimajor. Sie machten Urlaub im Erholungsheim ‚Dubowyj Hai‘ und wollten auf den Jawornyk wandern. Plötzlich zog dichter Nebel auf, und sie verirrten sich, dann trafen sie auf zwei ältere Männer aus der Gegend, die ihnen den Weg zu Janko zeigten. Der war jedoch nicht da. Aber natürlich war die Hütte offen, die Mädchen fanden eine trockene Unterkunft, wickelten sich in die Decken und übernachteten. Das war ausgerechnet zu der Zeit, als mein Vater zu Hause im Tal war. Aber nachdem die Mädchen im Nebel auf die beiden Männer getroffen waren, hatten schon viele aus Beresnyj bei Janko angerufen, um ihm zu sagen, dass zwei Mädchen aus Kyiw auf dem Jawornyk im Nebel herumlaufen. Gleich am nächsten Morgen nahm Janko seinen Rucksack und stieg auf den Jawornyk, unterwegs traf er die Mädchen, die bereits auf dem Rückweg waren. Sie haben sich sofort erkannt. Die Mädchen bedankten sich für die Nacht, und als Janko in die Hütte kam, sah er auch Geld, das sie dort gelassen hatten. Im folgenden Jahr gingen die Mädchen nicht erst ins Erholungsheim, sondern kamen gleich in Jankos Hütte.“

die Anzahl
43 Jahren Jahren betreibt Janko die Hütte auf dem Jawornyk.

Heute ist dieser Ort sein ganzes Leben, hierher kommen die Leute, um einen ungewöhnlichen Ort zu sehen und Janko Derevlyanyj persönlich zu treffen. Dieser „Volksname“ wurde ihm für seine Holzarbeiten verliehen, als er noch in der Werkstatt von Dubovyj Hai arbeitete. Hier auf der Hütte finden die Menschen Wanderwege, Heidelbeeren, eine unglaubliche Aussicht und natürlich Janko selbst. Er ist kein Einsiedler, auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen mag, aber er hat schon seine Eigenheiten, was die Kommunikation angeht: ein Philosoph, der sich in Kunst, Architektur und natürlich im Leben auskennt; ein Erfinder neuer Methoden bei der Arbeit mit Holz. Er macht sich an die Arbeit mit einem einfachen Stück Holz ohne Nägel oder seltsam krumm gewachsenen Stämmen, er lässt sich inspirieren, überlegt und fantasiert; er ist viel mehr, als man von ihm erwartet, und das kann man nur in spannenden Gesprächen erfahren, die am besten gar nicht aufhören sollen.

Die Schnitzereien und Architektur von Derevlyanyj

Janko zeigt uns Möbel, Interieur-Elemente, Häuser und verschiedene architektonische Details vor allem auf Bildern. Denn die meisten seiner Werke sind auf der ganzen Welt verstreut.

Zum Beispiel eine große geschnitzte „Roseta“, ein Sonnensymbol, das aus grauer Vorzeit überliefert wurde, befindet sich heute in Dänemark. Ukrainische Ärzte nahmen sie als Geschenk für dänische Kollegen dorthin mit. Später kam der Arzt, in dessen Hause diese Arbeit hängt, Derevlyany persönlich besuchen und sagte, dass das Kunstwerk ihn an die Sonne erinnere.

Die Arbeit an diesem Bild begann Janko schon in den 80er Jahren, in der sowjetischen Zeit, als solche Arbeiten noch verboten waren, und beendete sie erst mit der Unabhängigkeit, also in den 90ern.

„Glücklich sind nur die Sekunden, in denen du tust, was du für sinnvoll hältst. Es ist ein andauerndes Experiment.“

Einige Arbeiten beeindrucken sogar, wenn man sie nur auf einem Bild sieht: so das geschnitzte drei Meter großes Kreuz aus einem Stück Holz, das Janko über 12 lange Jahre „mitschleppte“ und dann fertig schnitzte. Es schmückt jetzt eine kleine Kirche im italienischen Städtchen Bassano.

„In der Nähe wohnt Celentano, wisst ihr?“, sagt Janko selbstsicher.

Er weiß mit den Narben seines Materials zu arbeiten, und auch mit solchem, das andere Meister schon abschreiben würden: Möbelstücke aus Krummholz oder aus Verbundplatten „Kripazhi“. Er sieht seine Textur, passt die Idee dem Material an und verwendet natürliche Elemente für das Objekt. Er arbeitet „trocken“ und vergisst nicht die Zeichen und Symbole.

Unter seinen vielfältigen Werken gibt es auch Holzbrücken: sowohl Bogenbrücken als auch die Brücken auf den Spalten. Manchmal wird die Ästhetik von Jankos Arbeiten durch die architektonische Funktion bestimmt. Wie zum Beispiel diese „Spinne“, die er auf dem Bild zeigt. Sie ist das zentrale Element, das die ganze Konstruktion verbindet und die Überdachung der zwanzig Meter langen Terrasse trägt.

„Ich will nicht behaupten, dass es meine Idee war. Ich glaube, man hat es auch vor mir schon so gemacht. Aber ich habe es nach meinen eigenen Zeichnungen gebaut. Meine Vorbilder waren Gaudi und Calatrava.“

Janko bewundert diese Architekten sehr, sie inspirieren ihn. Antonio Gaudi ist der katalanische Meister und Künstler, der die herausragenden Baudenkmäler von Barcelona entworfen hat. Er ergänzte Gebäude um filigran durchbrochene Türme, individuelle Designlösungen und dekorative Keramik. Er galt nicht nur als Meister der Form, er fühlte in drei Dimensionen und arbeitete mit völlig unterschiedlichen Materialien von Kunstguss bis zur Möbelgestaltung.

Santiago Calatrava ist ein weiterer spanischer Architekt, Autor von vielen modernen futuristischen Gebäuden, der Architektur und Skulptur verband. Unter seinen Arbeiten gibt es Brücken, Gebäude und Straßenkreuzungen in Europa, USA und Asien.

Außerdem erwähnt Janko auch den in Ungarn geborenen Künstler Marcel Breuer, der bei Transkarpatiern, wie er sagt, aus irgendeinem Grund nicht sonderlich beliebt ist. Er arbeitete im Bauhaus und nach seiner Emigration in Amerika und projektierte unglaubliche Mauer- und Betongussmeisterwerke. Schon Jankos Beschreibung des 20 Meter hohen Glockenturms von Breuer ist beeindruckend. Er selbst war so gut wie nie im Ausland, lediglich in Moskau und in den baltischen Staaten sowie einmal bei einer „geplanten“ Dienstreise im damaligen Leningrad. Aber er hat Bilder von seinen eigenen Werken, die auf der ganzen Welt verstreut sind. Auf die Frage, ob er denn nicht selbst einen Blick auf die Werke von Gaudi werfen möchte, zuckt er nur mit den Schultern, er hat ja bereits die Bilder gesehen, die ihm ein Freund mitgebracht hat. Janko kann sich nicht vorstellen, für so lange Zeit Javornyk zu verlassen. Ihm gefällt die Formensprache Breuers und hat Vieles, wie z.B. Betonformen, in seinem Stil gemacht.

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Trotz des Spitznamens Derevlyanyj (der Hölzerne), arbeitet er nicht nur mit Holz, sondern auch mit Stein, Metall und sogar mit Beton:

„Ich habe Beton in der Armee kennen gelernt, ich bin ausgebildeter Betonbauer, dort lernte ich einen echten Beton, echte Arbeit kennen, das Unternehmen war phänomenal. Vieles habe ich dort gelernt, wie und was man aus Metall und Beton macht. Es war der beste Stahl, den man für Ausrüstung der Armee nahm.“

Auf Javornyk verändert sich das Leben schnell. Unter den Fotos von Janko kann man noch die Bilder des Schilifts sehen, den es schon lange nicht mehr gibt. Hier gab es auch mal eine tschechische Försterei, dann eine Touristenherberge, entworfen vom Architekten Schnajda. Diese Touristen kamen hierher zum Ski fahren, weil es hier Schnee und eine gute Piste gab. Mit der Zeit ist aber fast alles außer der Hütte von Janko allmählich verfallen. Er arbeitet hartnäckig weiter daran, den Ort hier zu verschönern und gemütlicher für Touristen zu machen. Jetzt kann er etwa 20 Personen unterbringen, sogar mehr, wenn sie keine großen Ansprüche stellen.

„Hierher führen mehrere Pfade, sogar ein halbwegs befahrbarer Weg. Allerdings kann nicht jeder diese Straße hinauffahren. ‚Ich komme sehr schnell rauf, ich kenne kurze Wege, die Touristen brauchen einige Stunden‘.“

Das Grundstück, auf dem Janko jetzt wohnt, ist im Besitz eines jungen Mannes, dem Sohn seiner Freunde.

„Der Junge kommt zu mir und sagt: ‚Onkel Wanja, ich will sowas hier …‘. Er erwähnte damals nicht, dass er das Land nur für Pferdezucht pachtete, so mussten wir uns überlegen, wie wir das umgehen. Ich begann die Arbeit. Hab das Projekt gemacht. Es war vor acht Jahren.“

Danach war das Leben von Janko auf Javornyk nicht mehr so einsam, ungefähr fünf Jahre lang lebten da bei ihm von Zeit zu Zeit die Bauarbeiter. Sie halfen ihm, Gästehäuser zu bauen. Dort haben auch einige Hirten gelebt. Unten war ein Pferdestall, und dort gab es ein phänomenales Pferd – es war für alles da, für Reiten und für Arbeit. Dann gab es Schafe, Ziegen. Ach, das war fantastisch, es gab sogar „Mongoliten“, so eine halbwilde Rasse…

Die Nachbarn von Janko

Neben den Haustieren gibt es auf Javornyk natürlich viele Wildtiere. Sie, und nicht die Menschen sind der häufigste Besuch und die nächsten Nachbarn von Janko. Hier kann man ein Wiesel sehen, es ist an Menschen gewöhnt. Das Wiesel ist übrigens das kleinste Raubtier der Erde. Es jagt in der Regel Mäuse, obwohl es manchmal auch Kaninchen erbeutet, die mehr als doppelt so groß sind.

„Die Wiesel sind überhaupt nicht scheu, man kann sie anfassen und streicheln. Außerdem sind sie relativ sauber. Sie laufen hier überall herum, schieben alles weg. Ich habe sogar die Bügeleisen auf den Regalen weggeräumt, weil sie dort herumlaufen und sie umwerfen könnten. Im Laufe der Jahre haben sie ihre Lebensweise angepasst. Die Mäuse sind lästig, sie fressen sich durch alles durch. Es kam vor, dass sie in ganzen Horden kamen. Wenn sie was zu fressen finden, verschwindet alles. Die Wiesel fressen gern Kekse, sie zerbeißen die Gitter und kommen auch ins Haus.“

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Janko sagt, dass hier sogar Katzen wild werden, und überhaupt kann es selten jemand auf Jawornyk für längere Zeit aushalten:

„Man muss das Gemüt dafür haben. Hier kann man nicht anders. Früher bat ich Kinder, die Tonnen von Holz von unten hier rauf zu tragen. Sie fragten nicht, wofür das Holz ist, trugen es einfach und fertig. Nach vielen Jahren kamen die Kinder von diesen Kindern hierher um zu erzählen, dass schon ihre Väter Holz für Jawornyk besorgt haben.“

Der Klimawandel geht auch an Jawornyk nicht vorbei, damit verändert sich auch die Fauna.

„Früher gab es hier so viel Schnee, dass der Hund durchs Fenster im ersten Stock reinkam – erinnert sich Janko – und in den letzten drei Jahren kommt immer weniger Schnee, bald werden wir kaum wissen, wie der richtige Winter aussieht. Als Kind habe ich Hirsche gesehen, und jetzt gibt es sie nicht mehr. Man konnte sehen, wie der Hirsch sein Geweih auf den Rücken legt, und dann vier Sprünge und er ist weg. Es gibt noch einige Wildschweine. Einmal habe ich das Liebesspiel von Rehen beobachtet, wie der Bock kniet, den Kopf auf den Boden legt und sich anbietet. Ich habe sie eine halbe Stunde beobachtet. Ich war damals 14-15 Jahre alt.“

Unterhalb von Javornik gibt es eine Wasserstelle, wohin Wildschweine, Füchse und Wölfe zum Trinken kommen. Aber die Tiere verschwinden nicht nur wegen des Klimawandels. Obwohl Javornyk Reservatsstatus hat, ist es ein beliebtes Jagdgebiet für die Wilderer aus Beresnyj, Sil und Sabridya.

Janko zählt die Gäste nicht, freut sich aber über jeden Besuch. Hierher, auf 1017 Meter Höhe kommt man oft mit den Kindern, und Janko bewirtet sie mit seinen Spezialitäten, erzählt seine Geschichten, bereitet am Feuer einen speziellen Kräutertee und führt durch die Gegend. Javornyk wird dank ihm lebendiger, Derevlyany jagt seine Nachbarn nicht und sie, außer den frechen Mäusen, lassen ihn auch in Ruhe. Janko beobachtet, skizziert und erzählt die Geschichten seinen Besuchern.

Beitragende

Projektgründer:

Bogdan Logwynenko

Autorin des Textes:

Sofija Anzscheljuk

Fotograf:

Taras Kowaltschuk

Serhij Hussakow

Witalij Mariasch

Kameramann:

Dmytro Ochrimenko

Filmeditor:

Anton Schynkarenko

Bildredakteur:

Walentyn Kusan

Transkriptionistin:

Marija Schtschur

Irena Nossowa

Transkriptionist:

Dmytro Tschernenko

Übersetzerin:

Korrektorin:

Halyna Wichmann

Folge der Expedition