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Stadteile mit dem Namen Little India oder China Town, in denen Einwanderer aus Indien beziehungsweise China besonders dicht aneinander leben, kennt man aus Südostasien. In europäischen Großstädten sind solche Viertel auch verbreitet. Allerdings sehen sie moderner aus, da die Auswanderung in die westlichen Regionen viel später stattgefunden hat. In der Ukraine hatten bisher nur Roma-Gemeinden eigene Stadteile mit einem engen Zusammenleben.

Hier erzählen wir allerdings über Inder, die zum Studium nach Uschhorod in die Ukraine gekommen sind. Warum kommen junge Leute aus Indien ausgerechnet in die Ukraine zum Studieren? Und wie werden sie in der Ukraine empfangen? Was kann die kleinste Oblast-Hauptstadt Uschhorod den Studenten aus dem zweitbevölkerungsreichsten Land bieten? (Oblast – Verwaltungsgebiet in der Ukraine, Uschhorod ist die Hauptstadt der Oblast Transkarpatien, red.).

Laut Ukrainischem Zentrum für die Internationale Bildung*, studieren derzeit etwa 64.000 ausländische Studenten aus 148 Ländern in der Ukraine. 6,145 von denen kommen aus Indien, jeder zehnte also. Mehr kommen nur aus Aserbaidschan und Turkmenistan.

UZIA
Das Ukrainisches Zentrum für die Internationale Ausbildung wurde im Jahr 2003 durch das Ministerium für Bildung gegründet. Zweck des Zentrums ist die Förderung der ukrainischen Bildung im Ausland.

Die Leiterin des Zentrums für die Internationale Bildung erklärt, dass die Hälfte der 1,3 Milliarden Inder unter 21 ist und somit potenzielle Studenten. Ähnlich wie in China, ist auch in Indien ein Studium im Ausland hoch anerkannt und angestrebt. Doch in die Ukraine zum Studium zu kommen ist gar nicht so einfach. Laut inoffiziellen Quellen ist der Erhalt eines Studentenvisums für die indischen Bürger besonders kompliziert und teuer, und das obwohl Indien für die Ukraine kein Land mit Migrationsrisiko ist.

Dementsprechend sind die fünf ukrainischen Universitäten mit der höchsten Anzahl Indischer Studenten die Nationale Medizinische Universität in Charkiw, die Bogomolez Nationale Medizinische Universität, die Staatliche Medizinische Universität in Saporischschja und die Nationale Universität in Uschhorod.

Letztere Universität bekam erst im Jahr 2016 ihre Lizenz für die Ausbildung ausländischer Stundeten. Und im Gegensatz zu den Millionenstädten wie Charkiw, Kyjiw und Saporischschja, fällt in kleinem Uschhorod eine solche Anzahl von Inder gleich auf. Die Wahrscheinlichkeit, mit denen in Kontakt zu treten ist auch viel höher. Deshalb haben wir diese Stadt gewählt, um über den Alltag der indischen Studenten in der Ukraine zu erfahren.

Zahlen
+59% Im Studienjahr 2016/2017 ist die Anzahl der Anträge indischer Bürger auf einen Studienplatz in der Ukraine von 2.194 auf 3.500 gestiegen. Die überwiegende Mehrheit von indischen Studenten erwirbt hier einen medizinischen Abschluss. Luftfahrttechnik, IT, BWL und internationale Beziehungen zählen zu den weiteren beliebten Fächern.

Hari Krisshnan

Wir besuchen Hari um zu lernen, wie ein durchschnittlicher indischer Student in der Ukraine lebt. Hari wohnt zur Miete. Eine Bleibe zu finden fällt einem Ausländer schwerer, Vermieter verlangten gleich mehr Geld, erzählt er.

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„Uschhorod ist eine sehr ruhige Stadt. Auf meinem Zimmer kann ich mich ungestört um eigene Dinge kümmern. In Indien ist so etwas kaum vorstellbar, da wird man ständig durch Lärm gestört. Hier ist es so ruhig. Ich kann sogar Vogelgezwitscher hören. Uschhorod ist sehr klein, die Leute hier sind sehr freundlich. Es lebt sich leicht, ich habe viele ukrainische Freunde. Nach dem Leben in der Ostukraine ist hier die Nähe zu Europa deutlich zu spüren. Ich kam aus Luhansk nach Uschhorod. Die Leute dort sind anders. Sie wurden aggressiv schon alleine deswegen, weil wir Englisch gesprochen haben. Im ersten Semester konnte ich außer ‚Zdravstvujte‘ [russisch – ‚Guten Tag‘] und ‚Spasibo‘ [russisch – ‚Danke‘] weder ukrainisch noch russisch.“

Mit der Fotografie beschäftigte sich Hari noch Indien. Dort hat er ein halbes Jahr für eine lokale Zeitung fotografiert, später noch ein halbes Jahr für eine Modelagentur.

„Ich studiere Medizin und kann jetzt nach ein paar Studienjahren sagen, dass Fotografie und Medizin für mich eine ideale Kombination bilden. Ich arbeite als Mode- oder Straßenfotograf und konnte bereits viele ziemlich gute schwarz-weißen Fotos schießen. Hier bin ich nun als ‚der indische Junge, der schwarz-weißen Fotos macht‘ bekannt.“

„Zurzeit habe ich viele Aufträge, aber das erste Jahr war wirklich hart. In Uschhorod kannte mich niemand, so wie auch ich niemanden gekannt hatte. Ich musste viel Überzeugungsarbeit leisten, bis mir geglaubt wurde, dass ich ein Fotograf bin und dass ich guten Job machen kann.“

Die Gemeinschaft der ausländischen Studenten in Uschhorod ist nicht sehr groß, das sind bloß 300-400 Ausländer: Inder, Sri-Lanker, Afrikaner, insgesamt sind circa 15-20 Länder vertreten.

„Es gibt hier ein kleines Café für diejenigen, die indische Spezialitäten probieren möchten oder Indien vermissen. Ich koche dennoch selbst. Ukrainische Küche mag ich auch sehr gerne, aber ich bin ein Vegetarier und im Winter kann man hier nur sehr schwer gutes Obst und Gemüse bekommen. Richtig gute spezielle Gewürze finde ich nur im Sommer manchmal auf dem Flohmarkt bei der Einkaufsmall ‚Luxor Plaza‘. Im Winter sind sie entweder zu teuer oder gar nicht zu bekommen. Manchmal bestelle ich Gewürze aus Indien. Wenn ich aus Indien in die Ukraine fliege nehme ich einen ganzen Sack indischer Gewürze mit.“

Hari erzählt, wie einer seiner Freunde nach sechs Jahren Studium in Luhansk keinen Nachweis über den Studienabschluss bekommen konnte, weil im Osten des Landes der Krieg ausgebrochen ist. Er musste das Studium von vorne anfangen und studiert jetzt in Uschhorod wieder im 3. Jahr. Studiengebühren zahlen die indischen Studenten entweder selbst oder mit Unterstützung ihrer Familien.

„Von unserer Regierung bekommen wir nichts. Indien ist zu bevölkert und die Regierung hat keine Möglichkeiten Stipendien anzubieten. In den meisten Fällen helfen die Eltern. Da ich hier arbeite, kann ich für meinen Lebensunterhalt selber sorgen. Meine Eltern zahlen nur die Studiengebühren.“

Auf die Frage, welche Sehenswürdigkeiten er den ausländischen Touristen in Uschhorod empfehlen kann, antwortet Hari:

„Ich träume davon, meiner Familie die Uferpromenade am Usch [Fluss in Uschhorod, red.] zu zeigen, das Stadtzentrum. Ich gehe sehr gerne dort spazieren, fotografiere schöne Aussichten und interessante Menschen. Außerhalb der Stadt gib es auch viel Sehenswertes. Ich gehe oft in die Berge. Dort gibt es so viele schöne Flüsse, Wälder. Ich mag den Berg Pylypez, den Wald neben Mukachewe, das Schloss Palanok in Mukachewe.“

Hari kommt aus Indiens Süden, sein Haus steht direkt am Ozeanufer. Dass er nicht oft Zuhause ist, kümmere ihn nicht so sehr, sagt er.

„Ich lebte lange am Ozean, und lebe bereits das dritte Jahr in der Gebirgsnähe. Das ist sehr anders. In Indien war ich im Himalaya, dort ist es ähnlich kalt, also bin ich dieses Klima gewohnt.“

Wie die meisten indischen Studenten hat Hari offene Intoleranz in Luhansk erlebt. In Uschhorod dagegen wurden sie viel herzlicher aufgenommen.

„In jedem Land gibt es gute und böse Menschen. Wenn ich mich nur auf die guten Menschen konzentriere und die bösen ignoriere, bin ich glücklicher. In Indien würdet ihr auch nicht sofort allen gefallen, doch die meisten Menschen würden sich euch gegenüber vernünftig benehmen. Aber auch in der Ukraine nimmt die Toleranz zu. Besonders in Uschhorod. Vor ein paar Jahren waren mindestens 60% der Bevölkerung in Luhansk den Ausländern feindlich gesinnt, nur 40% waren eher freundlich oder neutral. In Uschhorod dagegen, kann oder will nur 10% der Bevölkerung nichts mit den Gaststudenten zu tun haben. Klar, trifft man noch ab und an auf die Menschen, die deine Hautfarbe nicht mögen, meistens sind das Senioren. Im Gegenteil zu ihnen haben die jungen Menschen keine Probleme Englisch zu sprechen. Sie lernen Sprachen, sind offener und gebildeter. Und es ist gut so, Englisch braucht man heutzutage überall. Als ehemalige Britischen Kolonie mussten wir damals auch Englisch lernen.“

Hari erzählt über die mehr als 30 offiziellen Sprachen in Indien – jede Region hat eine eigene. Hari spricht insgesamt acht Sprachen, vier davon sind indische. Nachdem er einige Zeit in Dubai lebte, kann er auch arabisch. Mit uns spricht er ukrainisch – oder versucht es zumindest.

Medizinstudium: Ukraine vs. Indien

Für eine durchschnittliche indische Familie ist ein Medizinstudium im Heimatland unbezahlbar – im Jahr muss man mit mindestens zehn bis fünfzehntausend Euro rechnen. In der Ukraine zahlen ausländische Studenten ca. 2.5000 Euro im Jahr. Der Unterschied ist spürbar und so versuchen die indischen Eltern ihre Kinder für ein Studium im Ausland zu motivieren. In der Regel fällt die Wahl auf China, die Philippinen, Nepal, Lettland, Russland, Georgien, Kyrgyzstan oder die Ukraine. Letzteres Land ist aufgrund seiner geographische Lage besonders beliebt – es ist nah an Zentral- und Westeuropa und weit von Indien. Und je weiter von Zuhause man studieren kann, desto höher ist die Chance, Verantwortung und Selbständigkeit zu erlernen.

Ein Arzt in Indien zu sein, ist nicht nur prestigeträchtig, sondern auch profitabel. Je nach Spezialisierung verdient ein indischer Arzt zwischen zwei und fünftausend Euro im Monat. Die ukrainischen Kollegen im öffentlichen Dienst verdienen um Faktoren weniger. Um nach dem Studium in der Ukraine eine indische Lizenz zu bekommen, muss man in der Heimat nur eine zusätzliche Prüfung ablegen. Danach kann man in Indien als Arzt arbeiten.

Ajmal Abdul Majid

Ajmal erinnert sich, dass das Medizinstudium schon immer sein größter Wunsch war. Doch aufgrund sehr hoher Konkurrenz, limitierter Anzahl von Studienplätzen und – nicht zuletzt – der hohen Studiengebühren, entschied seine Familie, ihn in die Ukraine zum Studium zu schicken.

Bei einem solcher Workshops lernte Charmy den Professor aus der Uni in Uschhorod kennen, der sie letzten Endes überzeugen konnte, sich bei seiner Universität einzuschreiben. Ein guter Ruf der Hochschule ist für die ausländischen Studierende nicht weniger wichtig, als die Höhe der Studiengebühren. So erzählen viele ausländische Studenten, dass sie in Uschhorod unter anderem deswegen studieren, weil hier auch ihre älteren Freunde oder Verwandte studiert haben. Von ihnen haben sie gehört, dass die Uni ein sehr gutes Image und anspruchsvolles Studienprogramms hat.

In Indien gibt es mittlerweile mehrere Agenturen, die bei dem Bewerbungs- und Aufnahmeprozess in ausländische Universitäten, unter anderem in ukrainische, unterstützen. Sie organisieren auch Workshops und Infoabende, auf den Bewerber sich vorab formlos aber detailliert informieren können.

Charmi Ramanuj

Auch Charmi wollte schon immer eine Ärztin werden. Sie hat sich bereits als Kind dafür interessiert, wie der menschliche Körper funktioniert und wie die Krankheiten entstehen. Außerdem, möchte sie einfach kranken Menschen helfen:

„In Indien ist Arzt ein angesehener Beruf. Ärzte haben brillante Zukunftsaussichten, denn sie retten Menschenleben und bekommen dafür einen Segen. Hinzu kommt die immer steigende Nachfrage nach Ärzten, denn die Bevölkerung in Indien wächst bekanntlich schnell.“

Shikku erzählt von einer Prognose, dass die indische Bevölkerung sich in den nächsten vierzig Jahren verdoppeln wird. Entsprechend wird auch die Nachfrage nach qualifizierten Medizinern wachsen.

„Auf hundert Einwohner braucht man mindestens einen Arzt. Deswegen werden die jungen Fachleute immer einen Job haben. Dieser neue Medizinboom hat den IT-Boom abgelöst. Noch vor fünf, sechs Jahren wollten alle indischen Eltern, dass ihre Kinder Informatik studieren…“

Shikku Paulose

Nach dem Studium planen die meisten zurück nach Indien zu kehren, zu ihren Familien, die sie sehr vermissen.

„Natürlich plane ich, zurück nach Indien zu gehen, das heißt nicht, dass ich die Ukraine nicht mag. Ich möchte einfach gerne in meiner Heimat arbeiten.“

Manche Inder schließen die Möglichkeit nicht aus, einige Zeit in der Ukraine oder einem anderen Land zu arbeiten, bevor sie nach Hause zurückkehren.

Essen und Rituale

In Uschhorod gibt es ein paar Lokale, die auf eine oder andere Weise was mit Indien zu tun haben. Es gibt zum Beispiel einen Schawarma-Imbiss und eine indische Kantine, in der Studenten sich ab und zu zum Lunch treffen. Beliebt ist auch ein Buddhistisches Zentrum, in dem Essen kostenfrei ausgegeben wird. Studenten mögen die Atmosphäre, sie erinnert sie an die Heimat. Wobei das ukrainische „indische“ Essen noch Verbesserungspotenzial hat. Charmi erzählt:

„Man kriegt zum Beispiel Ingwerwasser in den lokalen Cafés, wir trinken aber kein Ingwerwasser zum Essen. Aber insgesamt ist das Essen hier sehr lecker, wenn auch der echte indische Geschmack fehlt. Es ist eher ein Mix aus der ukrainischen und indischen Küche.“

Das „Eat Me Cafe“ empfiehlt Charmy, wenn man echten indischen Masala-Tee probieren möchte:

„Wenn ich ihn in diesem Café trinke, bin ich für eine Minute auf einer indischen Straße – so gut macht man hier den Tee mit Honig und all den Gewürzen.“

Beide, Charmy und Hari, essen kein Fleisch und vermissen vegetarische Lokale in Uschhorod. Die Ausnahme ist nur das vegetarische Café „Jasne Sonetschko“ [ukrainisch – Sonnenschein].

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Binnenflüchtlinge: Luhansk – Uschhorod

Shikku hat drei Jahre in Luhansk studiert und kam im Jahr 2014 nach Uschhorod. Er gibt zu, große Angst um sein Studium gehabt zu haben:

„Im Dezember 2013 haben wir über die Maidandemonstrationen gehört. Danach gab es einige Probleme, aber der Universitätsbetrieb lief bis Juni 2014 normal weiter. Es gab Schwierigkeiten mit den Banken – man konnte kein Geld mehr abheben. Ende Mai hörte man Bombeneinschläge in der Nähe der Stadt. Wir hatten gehofft, dass wir das Studienjahr noch beenden werden und dann für die Sommerferien nach Indien gehen. Wenn wir zurück nach Luhansk kommen wäre doch alles eh längst vorbei. Aber dann kam der Indische Botschafter in der Ukraine an die Universität und warnte, die Stadt binnen 72 Stunden zu verlassen. Die indische Botschaft bezahlte allen ausländischen Studenten die Bahntickets, auch wenn sie keine Inder waren. So sind wir nach Kyjiw gekommen, wo wir einige Zeit in Hotel lebten.“

Milap Joshi

Vor diesen Ereignissen verbrachte Milap einen Monat in Simferopol, Krim zur Vorbereitung der Aufnahmeprüfungen:

„Alles war super, das Schwarze Meer ganz nah, aber dann hat Russland die Krim annektiert und ich konnte in diese Universität nicht mehr aufgenommen werden. Deswegen bin ich nach Uschhorod gezogen.“

Im Jahr 2014 wurden alle indische Studenten aus Luhansk, Donetsk und der Krim nach Ternopil, Lwiw und Uschhorod in die dortigen Hochschulen umdisponiert.

Nach drei Jahren Studienzeit in Luhansk, konnte sich Shikku kaum vorstellen, in einer anderen ukrainischen Stadt zu leben. Jetzt sagt er, dass der Umzug nach Uschhorod das Beste ist, was ihm und anderen Studenten aus Indien passieren konnte:

„Hier bekommen wir eine bessere Bildung, leben in besseren Umständen und sind von tollen Leuten umgeben. Die meisten Professoren haben eine europäische Ausbildung und sprechen fließend Englisch.“

Der Junge gibt zu, dass die Professoren in Luhansk den US-amerikanischen Dollar nicht abgeneigt waren:

„Eine erfolgreich abgelegte Prüfung hat manchmal bis zu 100 US Dollar gekostet. Die Professoren haben im Klartext darüber geredet, das war wahnsinnig! Natürlich waren nicht alle gleich, aber ein paar von denen waren – milde ausgedrückt – problematisch.“

Ajmal ist auch nach drei Jahren in Luhansk nach Uschhorod gezogen. Im Großen und Ganzen ist die Einstellung der Einheimischen gegenüber den indischen Studenten viel besser im Vergleich zu Luhansk.

„Besonders freundlich sind die älteren Leute. Sie fragen häufig wie es uns geht, wie läuft es mit dem Studium? Auch alte Bollywood-Schauspieler und Indira Gandhi interessieren sie sehr. Das kommt wahrscheinlich noch aus den Zeiten der Freundschaft zwischen der Sowjetunion und Indien, die Leute können sich deswegen an die indische Kultur erinnern. In Luhansk gab es dieses Interesse nicht.“

Eine andere Besonderheit fiel den indischen Studenten in Uschhorod auf – die hiesige Roma-Gemeinde. Ajmal teilt seine Beobachtungen:

„Es mag seltsam klingen, aber Roma in Uschhorod halten uns für ihre Verwandtschaft. Wahrscheinlich wegen der Hautfarbe. Das haben sie auch den Einheimischen erzählt. Die hatten dann gleich Angst, weil sie dachten, dass wir Träger von Krankheiten sein könnten. Besonders deutlich konnte man das in den öffentlichen Verkehrsmitteln merken. Die Menschen waren sichtlich genervt von unserer Anwesenheit. Einmal hat uns ein Saunabesitzer wegen unserer Hautfarbe den Eintritt verweigert.“

Aneri

Aneri hat auch eine negative Erfahrung der Kommunikation mit den Einheimischen:

„Für Uschhorod waren Inder als etwas Neues, deshalb domonstrieren die Einheimischen nicht selten offenes Rassismus. Es passiert, dass betrunkene Menschen uns verfolgen, weil wir aus einem anderen Land sind und sie denken, dass wir hilflos sind. Auf dem Gesicht der Verkäuferin aus dem Geschäft gegenüber unserer Unterkunft ist immer geschrieben: ‚O Gott, wieder diese Inder hier!‘. Sie benimmt sich mit uns unverschämt, macht sich über uns lustig und macht Witze über uns gemeinsam mit anderen Verkäufer so, als ob wir da nicht wären.
Und dies ohne Berücksichtigung der schrägen Blicke auf der Straße.

Die Studenten, die nach Uschhorod aus Luhansk umgezogen sind, sagen, dass es dort nicht sicher war, allein auf den Straßen zu laufen, denn die dunkle Hautfarbe führte bei den Einheimischen gleich zu vielen Fragen.

Shikku erinnert sich an Fälle, wenn die Menschen in Luhansk auf die Begrüßung „Zdrastujte“ nicht immer das Gespräch mit ihm begannen:

„Ich dachte schon: ‚Vielleicht soll ich mit denen Englisch sprechen?‘. Hier in Uschhorod kann ich sogar mit älteren Omas frei sprechen.“

Auch Aneri machte negative Erfahrungen im Umgang mit Einheimischen.

„Für die Einwohner in Uschhorod sind wir etwas Neues, Exotisches, deswegen verhalten sie sich leider nicht selten rassistisch. Es kann passieren, dass Betrunkene uns verfolgen, weil sie meinen, dass wir in ihrem Land auf Hilfe angewiesen sind. Wenn die Verkäuferin aus dem Laden gegenüber unseres Studentenheims uns sieht, steht auf ihrer Stirn fast immer geschrieben: ‚Oh Gott, schon wieder diese Inder‘. Sie benimmt sich uns gegenüber sehr grob, verspottet oder ignoriert uns. Und Die schrägen Blicke auf der Straße möchte ich gar nicht mal erwähnen.“

Studenten die nach Uschhorod aus Luhansk gezogen sind erzählen wie gefährlich es dort war. Selbst ein einfaches die Straße Entlanggehen, hat schon Fragen bei den Einheimischen aufgeworfen.

Shikhu erinnert sich, dass er auf seine Begrüßung „Zdravstvujte“ [russisch – „Guten Tag“] bei weitem nicht immer eine Antwort bekommen hat.

„Ich habe mich häufig gefragt, ob ich mit denen lieber Englisch sprechen sollte. Hier in Uschhorod kann ich mich frei unterhalten, sogar mit älteren Leuten.“

Shikku erklärt das teilweise mit dem niedrigeren Bildungsniveau der Bevölkerung in Luhansk. Eine Rolle spielt auch die Tatsache, dass die Stadt eher mononational ist. In Uschhorod dagegen leben Slowaken, Ungarn, Polen und Ukrainer sehr eng miteinander. Dann ergänzt der Student:

„Vielleicht versteht man in Uschhorod einfach besser, dass indische Studenten einen Mehrwert für die Stadt darstellen. Sie investieren ja praktisch in die Region in dem sie die Studiengebühren bezahlen und Geld hier vor Ort für Konsumgüter und Dienstleistungen ausgeben.“

Indische Studenten beobachten, dass man in der Ukraine generell viel arbeitet, besonders die Frauen. In Indien arbeiten nicht so viele Frauen. Auch seien die Ukrainer viel pünktlicher. Die ukrainischen Städte seien sauber und Leute auf den Straßen benehmen sich diszipliniert.

Indiens Besonderheit ist dagegen die Vielfalt des Landes – mit seinen vielen Sprachen, Kulturen und Religionen. Vor diesem Hintergrund scheint die Ukraine mehr oder weniger gleich in allen Regionen zu sein. Shikku bemerkt:

„Indien und die Ukraine sind zwei absolut unterschiedliche Länder. Begegnet man in Indien einem neuen Menschen, spricht man ihn an, auch wenn er ein Fremder ist. In Uschhorod kamen nur ein paar Mal Leute auf uns zu, um uns kennen zu lernen.“

Beitragende

Projektgründer:

Bogdan Logwynenko

Autorin des Textes:

Dascha Pyrohowa

Redakteurin:

Jewhenija Saposchnykowa

Fotograf:

Taras Kowaltschuk

Harry Krichnan

Kameramann:

Dmytro Ochrimenko

Drohnenpilot:

Dominik Levyzkyj Studio

Filmeditorin:

Anna Kondratjuk

Regisseur,

Filmeditor:

Mykola Nossok

Transkriptionist:

Serhij Husenkow

Übersetzerin:

Ksenija Schafranjuk

Folge der Expedition