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Wenn man der Statistik Glauben schenkt, finden in der Ukraine aktive Urbanisierungsprozesse statt, die Dörfer altern und sterben aus. Und nur in einer Region kann man das Gegenteil beobachten, und zwar in Transkarpatien.

Erstens ist Transkarpatien die am wenigsten urbanisierte Region der Ukraine, nur 36,6% leben hier in der Stadt, zweitens sank dieser Anteil in den letzten 25 Jahren um 4%, während er in den anderen Regionen anstieg. Die Städte, die in der Sowjetzeit künstlich mit Dorfbewohnern besiedelt wurden, leiden immer noch unter chaotischer Bebauung, dörflicher Kultur und einer Armee von Sozialarbeitern, während das Land immer weiter abgewertet wird. Am aktivsten war die Urbanisierung in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts, die Bevölkerungsanzahl der Städte vervielfachte sich um diese Zeit und einige „sozialistische Städte“ wurden von Grund auf in den Boden gestampft. Diese Phase konnte Transkarpatien damals umgehen, denn die Region gehörte zu der Zeit zur Tschechoslowakei. Vielleicht ist Transkarpatien gerade deshalb die am wenigsten urbanisierte Region mit der kleinsten Hauptstadt und lebendigen Dörfern.

Allerdings ist auch hier nicht alles perfekt. Traditionelle Landwirtschaft, Viehzucht und Handwerk verlieren ihre Relevanz, werden immer häufiger zu Attributen von Freilichtmuseen und spiegeln immer seltener die reale Lebensweise der Menschen auf dem Land wider. Zugleich sehen die Ukrainer die Begriffe „Bio“ und „Öko“ zunehmend häufiger in den Medien auftauchen und achten immer mehr auf die entsprechende Kennzeichnung ihrer Produkte. Aber nur die Wenigen denken wirklich darüber nach, was sich hinter dem banalen Begriff „Naturfreund“ verbirgt und wie man mit der Umwelt auf Augenhöhe interagieren und die Traditionen bewahren kann.

Die ersten Ökosiedlungen

Gerade die Erkenntnis der Bedrohung, die eine Konsumgesellschaft mit unbegrenztem Ressourcenverbrauch, mit sich bringt, und das Verständnis für die Wechselwirkungen des Menschen mit der Umwelt, trug ihrer Zeit zum Entstehen der Ökobewegungen bei. Ihr wichtigstes Leitmotiv war die Notwendigkeit, Teile der Umwelt zu beschützen, zu entwickeln und neu zu erschaffen. Jede Massenbewegung fängt mit der Erkenntnis der Menschen an, dass ein bestimmtes Problem sie persönlich betrifft, dass gerade sie selbst die Verantwortung für die Lösung dieses Problems tragen. So fing auch die Ökobewegung an, die Ökodörfer und Ökosiedlungen entstehen ließ. Die Unterstützer dieses alternativen Lebensmodells sehen ihr Ziel in der Erschaffung und Erhaltung eines ökologisch sauberen Lebensraums. Das ist eine Umgebung, in der sich die Menschen von Erzeugnissen ökologischer Landwirtschaft ernähren, die Ressourcen effizient verbrauchen und überhaupt im Einklang mit der Natur leben. Die ersten modernen Ökosiedlungen sind zusammen mit den utopischen Gesellschaften entstanden. Bereits in den 60ern wurden die Hippiekommunen „Findhorn“ in Schottland und „East Wind“ in den USA gegründet. Die letztere existiert immer noch und ist ein Ort für Erholung, Arbeit, Entwicklung und Kommunikation. Und „Findhorn“ hat Anfang der 90er eine weltweite Kette von Ökosiedlungen aufgebaut.

In der Ukraine sind Ökosiedlungen ein weitaus ungewöhnlicheres Phänomen, als im Westen. Historisch gesehen hatten die Ukrainer nicht viel Erfahrung in der Gründung von Kommunen und alternativen Gesellschaften. Aber die Idee der Ökodörfer wird auch hier seit dem Ende der 90er immer populärer.

Patskaniowo

Eigentlich waren wir unterwegs zu einem Dorfmuseum, den der ehemalige Dorfbürgermeister leitet, und haben auf der Weg dorthin eine deutlich spannendere Geschichte gefunden. Eine Geschichte darüber, wie auf einem kleinen Grundstück mit ein paar alten Häusern, eine Ökosiedlung von Grund auf neu entsteht und die Menschen zum Kommen und Bleiben einlädt. Der Gründer der Siedlung, Wolodymyr Waschko, empfängt uns auf Krücken. In seiner Kindheit sah er viele Westernfilme und träumte von Pferden, aber erst nachdem er lange Zeit in der Stadt gelebt und versucht hatte, die politische Karriereleiter zu erklimmen, verstand er, dass es Pferde sind, die er zum Glücklichsein braucht. Eines von ihnen warf ihn einige Tage vor unserer Ankunft ab.

„Es gibt Umbrüche im Leben, die deine Welt auf den Kopf stellen. Man sollte dort leben, wo es frische Luft und sauberes Wasser gibt und wo man ökologische Lebensmittel essen kann. Man sagt: du bist, was du isst. Ich will weder mich selbst vergiften noch meine Nächsten, noch meine zukünftigen Kinder. Ich will, dass sie wirklich gesund und glücklich sind.“

Wolodymyr ist zur Zeit Dorfabgeordneter und war vorher im Regionalparlament. Er lacht:

„Ich wollte eigentlich ins oberste Parlament und bin hier gelandet. Aber es gefällt mir und ich bereue nichts. Ich habe eine sehr gute Wahl getroffen, davon werde ich Tag für Tag überzeugt. Denn wir sind hier alle glücklich, zumindest ich.“

Wolodymyrs Vater arbeitete im Verbraucherverbund, das Obst und Gemüse, welche er konservierte, wurde von Transkarpatien aus in alle Sowjetrepubliken transportiert. Sein Sohn führt diese Arbeit im gewissen Sinne fort.

„Als ich erwachsen wurde, habe ich verstanden, dass alles im Leben echt sein muss, natürlich. Ich fing an, nach dem Brot aus meiner Kindheit zu suchen und fand es nicht. Es wird einfach nicht mehr hergestellt…“

Ehret das Brot

Dieses echte Brot mit dem Geschmack der Kindheit backt man aus mehreren Gründen nicht mehr. Das ist mit einem größeren Produktionsaufwand und höheren Kosten verbunden, also weniger rentabel. Darum hat Wolodymyr zusammen mit den anderen Idealisten entschieden, solches Brot eigenständig herzustellen. Es ist sein Hauptziel, damit nicht nur sich selbst, sondern auch den Menschen um ihn herum, nützlich zu sein. Zusammen gehen wir zu dem Haus, wo einst sein Großvater wohnte, später der Dorfladen war und das Wolodymyr jetzt in eine Dorfbäckerei umgebaut hat. Er erzählt aufgeregt, dass die Bewohner Transkarpatiens keine Wahl beim Brotkauf haben. Seiner Meinung nach, essen alle einen Brotersatz, etwas Unnatürliches. Aber woher kommt das?

Ende der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts haben Genetiker spezielle thermophile Hefepilze gezüchtet. Diese Hefe ist hitzebeständig und übersteht die Temperaturschwankungen bei der Brotzubereitung, wird aber auch nicht, wie gewöhnliche Hefe, von der Körpertemperatur des Menschen zerstört und kann die Mikroflora des Darms schädigen.

„Wissen die Leute in Transkarpatien, dass sie nicht echtes Brot, sondern Brotersatz essen? Wenn wir uns die Zusammensetzung auf dem Verpackungsaufkleber ansehen, finden wir außer Mehl, Wasser und Salz “Hefe” im Kleingedruckten. Es gibt ja auch Schmandersatz aus Palmöl, Stärke und Aromastoffen. Es schmeckt wie Schmand, riecht wie Schmand, ist aber kein Schmand. Genauso ist das mit dem Brot. Da sind Trieb- und Bleichmittel drin, damit das Brot länger hält und nicht krümelt, und die Hefe selbst ist auch nicht gesund. Lest euch die staatlichen Produktionsstandards für Brot durch und ihr findet Schwefelsäure, Ammoniak, thermophile Hefe, landwirtschaftlichen Dünger. Ein Grauen! Darum haben wir eine kleine Bäckerei eingerichtet, wo wir Brot nach Großvaters Rezepten backen, aus natürlichem Sauerteig. So haben die Menschen vor 1000, vor 5000 Jahren gebacken, und noch vor 70 Jahren hat das mein Großvater so gemacht.“

Nostalgisch denkt Wolodymyr an die Zeiten zurück, als er fünf Jahre alt war und zusammen mit der Oma Brot im Holzofen gebacken hat. Dieses Brot konnte die Familie zwei Wochen lang essen, denn es wurde nicht schlecht. Jetzt will Wolodymyr auch den anderen Menschen die Möglichkeit geben, echtes Brot zu essen. Ein Laib solchen Brotes soll höchstens 12 Hrywnja (etwa 50 Cent) kosten. Hausgemachtes Brot wird in Transkarpatien üblicherweise in einem 100×70 cm Ofen gebacken. Die Ökosiedler haben einen größeren Ofen: 2×2 Meter. Dort kann man 120 Laibe auf einmal backen, das sind ungefähr 500-700 Brote Tag.

Herstellungstechnologie des echten Brotes

Jahrhundertelang war Sauerteig die Hauptzutat für Brot. Roggenmehl, Weizen, Hafer, Gerste oder Malz konnten für den Teig verwendet werden und reicherten den Körper mit Vitaminen, Aminosäuren und Mineralien an. In den letzten Jahren haben die Ukrainer die Tendenz, zu den alten einfachen Hausrezepten für Brot zurückzukehren. Die Menschen vergegenwärtigen sich die Schädlichkeit der thermophilen Hefe und benutzen sogenannten vitalen Sauerteig, der nährstoffreich ist und die Abwehr stärkt. In Transkarpatien hat man besonders viele alte kulinarische Traditionen bewahrt, und so gibt es Hoffnung, dass die Gesellschaft die alte Brotbackrezepte schrittweise wiederbeleben wird.

Wolodymyr Waschko erzählt uns von seinen Erfahrungen, echtes hausgemachtes Brot herzustellen .

„Brot besteht aus Sauerteig. Den macht man einfach: Mehl, Wasser und Geduld. Du vermischst das Mehl mit dem Wasser, bis es die Konsistenz von Schmand hat und gibst jeden Tag neues Mehl und Wasser dazu. Schon am fünften Tag hast du Sauerteig, den du verwenden kannst. Für echtes Brot wird Quellwasser verwendet. Wir nehmen es aus einer 200 Jahre alten Quelle hinter unserem Haus, es schmeckt köstlich. Wir benutzen Salz. Und Melasse anstatt Zucker, weil Zucker chemisch hergestellt wird und wir nur Natürliches verwenden wollen. Wir haben einen sehr interessanten Nachbarn, der eine eigene Mühle in Mukatschewe hat. Er macht Vollkornmehl: weiß und nicht gebleicht, und von höchster Qualität. So kommen wir an regionales Mehl für unser Brot. Deshalb können wir behaupten, ein vollständig transkarpatisches Produkt herzustellen.“

„Das ist alles ganz einfach. Wir haben Mehl, das wir abwiegen, wir haben eine Siebmaschine, die das Mehl siebt und mit Sauerstoff anreichert, damit der Teig leichter sauer wird, und wir haben eine Knetmaschine. Der Herstellungsprozess dauert insgesamt 16-20 Stunden, das ist 5-6 Mal länger, als in einer gewöhnlichen Bäckerei. Darum will niemand solches Brot backen: viel Arbeit und wenig Gewinn. Alle jagen nur dem Geld hinterher. Wenn das ganze Holz abgebrannt ist, bleibt nur Asche. Dann wird der Ofen komplett ausgefegt und gewaschen. Wenn er sauber ist, legt man von der anderen Seite das Brot rein. Nach jedem Heizen muss der Ofen gereinigt werden und man kann dann mindestens dreimal backen, ohne neu heizen zu müssen.“

Die sieben Geißlein

„Es gibt erst wenige Ziegen in der Siedlung, man schaffte sie erst vor einem Jahr an. Zur Zeit gibt es vier Milchziegen, das reicht erst einmal für Milch und Käse zum Eigenbedarf der Siedler. Es gibt Pläne, eine kleine Ziegenfarm einzurichten, um noch mehr Käse herzustellen. In dieser Ortschaft am Fuße des Bergs Makowitsa findet man an den südlichen Hängen viele Sträucher, Wälder, Lichtungen und überall Gras – eine perfekte Ziegenlandschaft.“

Marina Babic, die Wolodymyr auf dem Hof hilft, stellt uns auch die Pferde vor, die aus Tjatschiw stammen.

„Die Pferde sind eher für die Arbeit da, zum Pflügen. Und zum Reiten, und zum Liebhaben.“

Wie ist das Leben organisiert?

Alle Bürger einer Ökosiedlung (unabhängig davon, in welchem Fleckchen der Welt sie sich befindet) richten sich nach neuen alternativen Prinzipien des Respekts gegenüber der Natur und den Mitmenschen, Verantwortung und Solidarität. Darum verwundert es nicht, dass ständig Freiwillige nach Pazkanjowo kommen, um mit Wolodymyr für ein gemeinsames Ziel zusammenzuarbeiten: Ein einfaches Landleben führen, die Umwelt erneuern, natürliches Essen konsumieren und sich geistig weiterentwickeln. Einfacher gesagt, ist es eine Art Kommune, die jedem offen steht, der in etwa die gleichen Ziele, wie die Gründer, verfolgt. Hier finden sich Mitstreiter aus Dnipro, Iwano-Frankiwsk, Transkarpatien, Charkiw.

„Eigentlich suche ich niemanden, die Menschen werden von allein angezogen. Das sind Freunde, Bekannte von Bekannten, wir alle haben einen langen Lebensweg und kennen viele Menschen. Ich erzähle gern von meinen Ideen und oft finden sich Menschen, die gemeinsam etwas ausprobieren wollen.“

Es ist wichtig, dass jede Ökosiedlung nicht nur eine ökologische Dimension umfasst, sondern auch eine Soziale und eine Spirituelle. Ein gutes Ökodorf ist ein Ort, an dem die Bewohner ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten in vollem Umfang anwenden und entwickeln können. Während unseres Gesprächs führt Wolodymyr die maslowsche Bedürfnispyramide an, eine Hierarchie der wichtigsten menschlichen Bedürfnisse. Erst kommen Essen und Schlaf, dann Sicherheitsbedürfnisse, Sozialbedürfnisse und erst dann individuelle Selbstverwirklichung.

„Der Mensch kann nicht ohne Kommunikation. Er degradiert, wenn er nicht kommuniziert. Man sagt ja: ‚Mit den Lahmen lernt man hinken, mit Säufern trinken‘, darum haben sich hier Gleichgesinnte versammelt. Individuelle Selbstversorgung ist möglich, aber sehr schwierig. Aus diesem Grund beschäftigt sich bei uns jemand mit den Bienen, jemand anderes mit dem Gemüse, zwei Jungs backen Brot. Marina und ich, zum Beispiel, beschäftigen uns zurzeit mit Ziegen und Käse. Das gefällt uns. Wir machen Tees, Marmeladen, Sirups. Ihr habt heute eingelegte Tomaten probiert, Käse, alles natürlich und lecker.“

„Das Einzige, was ich mitnehmen kann, ist das, was ich mir im Inneren bewahre.“

„Es gibt diese Geschichte über Alexander den Großen. Er vermachte, dass seine Hände bei der Beisetzung vom Schild herunter baumeln, damit alle seine offenen leeren Hände sehen können. Er wollte zeigen, dass er, der die halbe Welt besessen hatte, nichts in den Tod mitnimmt. Es gibt materielle Werte, ohne Essen, zum Beispiel, kann man nicht überleben, aber daneben existieren äußerst wichtige spirituelle Werte. Nur ein Verrückter glaubt an die eigene Unsterblichkeit. Ich glaube daran, dass mir eine Lebensfrist bestimmt ist und ich diesen Planeten, diesen Körper irgendwann verlasse, um an einen anderen Ort zu kommen. Das einzige, was ich dann mitnehmen kann, ist das, was ich mir im Inneren bewahre.“

Wie sieht die Zukunft aus?

„Ob wir expandieren wollen? In Wahrheit hat man auf dem Land immer sehr viel zu tun. Ich habe Finanzwesen studiert und ich sehe hier Dutzende Entwicklungsmöglichkeiten. Wir haben, zum Beispiel, wunderbaren Lehm, wir haben einen Ofen, den wir auf bis zu 500 °C aufheizen können, wir könnten Krüge machen und Geschirr. Dafür bräuchten wir nur jemanden, der diese Arbeit liebt. Noch haben wir, niemanden, aber ich denke, demnächst wird bestimmt ein passender Kandidat auftauchen. Wir würden gern eigene Produkte herstellen: Marmeladen, Butter, Käse, Schmand, Joghurts, eingelegte Tomaten, nicht im Einmachglas, sondern im Tonkrug. Das habe ich in Indien gesehen, natürlicher Joghurt im Tonkrug, der ist wunderbar haltbar. Einzigartig, schön, natürlich, so soll das sein!“

Für Vegetarier ist frisches Obst und Gemüse besonders wichtig, darum haben einige Enthusiasten bereits ein kleines Treibhaus, ungefähr 5×20 Meter, eingerichtet, wo sie Gurken, Tomaten und Kräuter anbauen. Es gibt hier auch zehn Bienenstöcke, damit die Siedler natürlichen Honig essen können. Solche Arten der Arbeit kann man auch in Zukunft entwickeln. Unter den den Entwicklungsmöglichkeiten der Ökosiedler betont Wolodymyr auch Kräuter- und Pilzesammeln, das Produzieren von Gewürzen und das Herstellen von Naturkosmetik. Dann gibt es noch die Idee, Marmelade, Sirups, Kompotte, eingelegtes und getrocknetes Obst und Gemüse herzustellen. Im Gegensatz zu den eingefrorenen Produkten bewahren die Getrockneten praktisch alle Vitamine und Spurenelemente auf. Dieses Jahr wollen die Aktivisten geschnittenes Obst und Gemüse im Brotofen trocknen.

„Wisst ihr, wofür sich jetzt einer der Jungs begeistert hat? Für die Herstellung und Befüllung von Kissen. Er macht sie aus natürlichem Stoff und füllt sie mit unterschiedlichen Heilkräutern. Man schläft auf dem Kissen und atmet den Geruch dieser Gräser ein: Aromatherapie. Die Fantasie kennt keine Grenzen, es muss sich nur jemand finden, der Zeit und Lust hat.“

Und Marina erzählt uns von ihrem kleinen Projekt. Sie kauft überall massenhaft Lavendel ein und will daraus ein Lavendelfeld machen. Lavendel ist, ihren Worten nach, das schönste aller Gräser. Es ist nicht kalt und nicht warm nach Ayurveda, und auch sehr wertvoll, weil es eine starke antiseptische und fungizide Wirkung hat. Eine ideale Komponente für Kosmetik und Seife. Mit Freude verkündet Marina, dass ihr Lavendelfeld das Erste in Transkarpatien sein wird.

„Wenn der Mensch etwas mit Liebe macht, wird diese Liebe in seinem Produkt spürbar sein. Liebe fühlt man, zum Beispiel, in diesem Essen, das Marina gekocht hat. Wir geben euch Sirup auf den Weg, ihr werdet ihn mit Wasser verdünnen und die Liebe in diesem Sirup fühlen. Sie ist auch im Brot. Weil die Menschen sich wirklich Mühe geben und alles mit Liebe machen. Und das ist sehr wichtig. Ich nenne euch mal ein Beispiel: ‚Warum schmeckt uns Mutters Essen am besten?‘. ‚Weil eine Mutter für ihr Kind einfach nicht ohne Liebe kochen kann‘. Oft fragt man: ‚Was ist das wichtigste Gewürz beim Kochen?‘ Eine einfache Frage. Früher sagte ich Salz, wegen seiner abwechslungsreichen Geschichte. Aber in Wirklichkeit ist Liebe das wichtigste Gewürz. Wenn du deine Speise mit Liebe würzt, wird sie fantastisch schmecken. Dann kannst du auch auf das Salz und die restlichen Gewürze verzichten.“

(Un)natürliche Umgebung

„Manchmal versteht man mich überhaupt nicht. Sie sagen: ‚Wir alle wollen nach Uschhorod abhauen, warum kamst du hierher? Bist du vielleicht obdachlos?‘. Nein, ich habe eine Wohnung im Zentrum der Stadt. Ich bin ihrer einfach nur überdrüssig, das ist keine Umgebung, in der ein Mensch wohnen sollte. Die Stadt ist eine künstliche Umgebung, das ist einfach nicht natürlich. Wie kann ich irgendwo wohnen, wo es keine frische Luft gibt? Der Mensch sollte frische Luft zum Atmen und sauberes Wasser zum Trinken und Waschen haben. In der Stadt waschen wir uns mit chloriertem Wasser und das Chlor gelangt in unseren Körper, und alles andere auch. Die Frischwasserleitungen laufen neben den Abwasserleitungen, sie sind in der ganzen Ukraine total morsch. Denkt ihr, dass kein Abwasser ins Leitungswasser gelangt? Ich habe ein paar Monate lang auf dem Land gelebt und mich mit Quellwasser gewaschen. Dann lud mich ein Freund zu sich in die Stadt ein. Abends wollte ich bei ihm duschen und habe Kotgeruch im Leitungswasser gespürt. Wenn du dich an das Reine gewöhnst, wirst du sehr empfindlich für Geschmäcker und Gerüche.“

Eine Quelle des Glücks

„Wir haben tolle Leute hier im Dorf. Jeder hat großartige Eigenschaften und ich bemühe mich, gerade die zu sehen. Unter dem Mikroskop betrachtet, hat natürlich jeder von uns gute und schlechte Seiten. Es gibt die Psychologie der Biene und es gibt die Psychologie der Fliege. Beide fliegen los, um eine schöne Blume zu finden und deren Nektar zu trinken. Aber die Fliege findet unterwegs einen Kuhfladen: ‚Oh, was ist das? Ich will das näher betrachten‘. Sie fliegt runter und verbringt ihr ganzes Leben in der Scheiße. Und die Biene schenkt dem, was die nicht interessiert, keine Beachtung. Sie hat einen Kurs zur Blume, zur Blüte, zum Nektar. Und da fliegt sie hin. Jemand sieht nur das Schlechte im Menschen und jemand sieht nur das Gute. Davon hängt es ab, ob man glücklich oder unglücklich ist. Die Quelle unseres Glücks ist in unserem Kopf, in unserem Herzen, das, was wir an uns ranlassen. Wenn wir das Gute sehen, ist unser Leben mit dem Guten erfüllt, sehen wir das Schlechte, bekommen wir es auch.

Nach einem solchen inspirierenden Gespräch mit den Aktivisten einer kleinen Ökosiedlung sind wir überzeugt: Es gibt sie, die Orte der glücklichen Menschen. Auf unseren Reisen treffen wir oft auf Menschen, die keine Perspektiven sehen und einfach aus Gewohnheit weiterarbeiten, ohne irgendeine Wertschöpfung. Solche wunderbaren Ausnahmen, wie in Pazkanjowo sind zwar immer noch eine Seltenheit, aber auch ein schönes Beispiel zum Nachahmen.

Beitragende

Projektgründer:

Bogdan Logwynenko

Autorin des Textes:

Wasylyna Haran

Kameramann:

Dmytro Ochrimenko

Filmeditor:

Dmytro Beswerbnyj

Bildredakteur:

Walentyn Kusan

Transkriptionistin:

Chrystyna Archytka

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