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Es gibt drei Dörfer in Bessarabien namens Prymorske. Alle drei sind Resorts. Prymorske (der alte Name – Schahany), darum es in diesem Artikel geht, befindet sich in Tatarbunarer Rayon. Das Dorf wurde von den Kossaken des Donau-Sitsch auf dem Gelände der ehemaligen tatarischen Siedlung Bijuk-Schahin gegründet.

Hier, an den Ufern des Malyj-Sassyk und Dschantschej-Limans, hat sich der Heilbad und Schlammkurort Rossejka entwickelt. Diese Reservoirs sind Teil des Nationalen Naturparks „Tuslyer Limane“, der 2010 gegründet wurde. 15 Jahre zuvor, nachdem die Ukraine ihre Mitgliedschaft in der Ramsar-Konvention erneut hatte, wurde das System der Limanen „Schahany – Alibej – Burnas“ in die Liste der Feuchtgebiete der internationaler Bedeutung einbezogen. Sie werden als Nistplätze für viele Arten von Wasservögeln bewacht.

Durch die „Tuslyer Limane“ ist es einer der größten Verkehrsmigrationskorridore, durch den die Vögel nach Europa, Asien und Afrika fliegen. 254 Vogelarten leben auf dem Territorium des Parks, ein Viertel von denen in der Roten Liste gefährdeter Arten der Ukraine und in andere Umweltschutzlisten aufgeführt ist.

Die Limane sind vom Meer durch eine Sandnehrung getrennt, die fast 50 km lang und 100-300 m breit ist. Auf dieser Nehrung, vor dem Schahany-Liman, befindet sich der gleichnamige Leuchtturm. Zusammen mit dem Leuchtturm auf der Insel Smijinyj warnt der vor einem gefährlichen Teil des rumänischen Felsen Smijina und sorgt für die Sicherheit der Schifffahrt bei den Ansätzen zum Ust-Donau-Seehafen.

Seit 1944 funktionierte der Leuchtturm „Schahany“ als Navigationsfeuer. In den 1960er Jahren wurde er umgebaut, und seit den 1980er Jahren funktioniert das bereits 16-Meter-hohe Gebäude im Automatikbetrieb.

Automatikbetrieb
Im 20. Jahrhundert dank der Erfindung des Solar-Ventils von Gustaf Dalen wurde die Konstruktion von Leuchttürmen viel mehr automatisiert. Mit der verbesserten Navigation und Anwendung der GPS-Technologie hat sich die Anzahl der nicht automatisierten Leuchttürme weiter verringert.

Viktor

Viktor Sakara arbeitet seit 16 Jahren am Leuchtturm. Er wohnt in Prymorske. Er ist ein ausgebildeter Funker. In der Armee war er der Oberbefehlshaber des Hauptquartiers. Er diente in Aserbaidschan, war beim Konflikt in Bergkarabach eingesetzt. Nach der Demobilisierung kehrte er nach Prymorske zurück, wo er einige Zeit lang als Direktor des örtlichen Kulturhauses arbeitete.

Von der Arbeit des Leuchtturmwächters könnte Viktor Sakara nicht träumen, und als man nach einem Leuchtturmwächter suchte, schlug er sofort seine Kandidatur für diese Position vor:

„Ich bin hier gleich als ein Techniker und ein Mechaniker. Alles wird von mir bedient. Ich werde all diese Arbeit machen und ich werde es tun, weil ich es mag, und ich mich schon daran gewöhnt habe.“

Im Sommer wurde es geplant, den Leuchtturm zu rekonstruieren: den Turm komplett aus Metall zu machen, den Zaun zu ersetzen, den Schild des Tagessehens einzustellen.

„Wenn es eine große Welle gibt, kommt das Meer so, dass hier alles mit Wasser überflutet ist. Ihr könnt es euch vorstellen: Ich schaue vom Fenster aus, wie die Welle kommt und hier aufgeteilt wird. Der Winter ist kalt und so ein Bild ist schon beängstigend.“

Die direkte Landverbindung vom Leuchtturm mit dem Dorf gibt es kaum – die Nehrung ist mit Wasser durchsetzt. Deshalb, jeden Tag, unabhängig vom Wetter, trägt Viktor Fischerhosen, fährt zuerst mit dem Auto an den Rand des Festlandes, und dann geht zu Fuß über den Kanal, der in den Liman sich mündet. Im Winter war es einmal so kalt, dass die Stiefel eingefroren waren. Dann wurden sie schon vom Körper abgeschnitten.

Oft bleibt Viktor rund um die Uhr auf dem Leuchtturm. Für ihn ist der Leuchtturm das zweite Zuhause. Da gibt es vier Betten: eine für den Wärter und der Rest – für den Fall der Ankunft des Reparaturteams. Es gibt hier auch Kanonenofen. Das ist am wichtigsten im Herbst und Winter, da beim schlechten Wetter der Leuchtturmwärter nicht jede Woche nach Hause zurück kann:

„Ich muss weg, ich muss immer nachschauen. Denn jeden Tag muss ich mein Leuchtturm in Betrieb setzen, um diesen Rajon zu versorgen. Ich nehme Essen von Zuhause, ich komme hierher und manchmal übernachte ich auch da, denn im Winter ist es unrealistisch, hin und her zu fahren. Wenn sogar auch den Leuchtturm erreicht, kann des schneien oder regnen. Und genau so im Sommer. Zwei kaukasische Schäferhunde schlafen mit mir. Die liegen da beim Eingang und ich fühle mich viel ruhiger. Wenn es aber irgendwo ein Geräusch gibt, heben die ihre Köpfe und reagieren blitzschnell auf alles.“

Viktor ist gewöhnlich um 04 oder um 05 Uhr schon wach. Auf dem Leuchtturm macht er alles: putzt, bewacht und bedient die Ausrüstung:

„Einmal machte ich die Pforte zu und hinter der sangen mir die Schakale ihren Lied, so mit 15 Stimmen. Ich machte sofort die Pforte zu und telefonierte mit meiner Familie. Die Fragten mich, wo ich wäre. Ich antwortete, halt im Zoo, hört mal zu. Die Schakale und die Wildschweine fühlen sich da sehr wohl. Auf dem Festland gibt es deren Höhlen, wo die Kleinen von denen leben. Ich höre die, wenn die Eltern was zum Essen bringen.“

Die Entscheidung von Viktor, auf dem Leuchtturm zu arbeiten, hat seine Familie ganz gut und respektvoll verstanden. Seine Frau und seine Tochter und sein Sohn besuchen ihn manchmal.

„Meine Frau sagte mir: du hast diese Arbeit dir ausgewählt, das ist deine Wahl. Und es gab dann keine Fragen. Die besuchen mich, obwohl das 9-12 km wären, manchmal ohne Straße, unter Regen oder Schnee. Die haben darauf ganz ruhig reagiert, die verstehen, dass wir eine Familie sind und dass da unsere Arbeit wäre.“

Der Großvater von Viktor hat auch seiner Zeit auf dem Leuchtturm gearbeitet. Viktor kann sich daran nur an Fotos und Erzählungen erinnern:

„Da gab es Schleppnetze, hierher kamen die Fischer. Die fangen Fische auf den Magunen. Ich habe ein Foto, wo mein Großvater einen Scherg, 4 kg groß, hält. Als ich mit der Arbeit auf dem Leuchtturm begann, war es so interessant, dass ich in der gleichen Sphäre wie mein Großvater arbeite.“

Magunen
So wird auf den lokalen Dialekt ein großes Kielboot für den Fischfang mit den Netzen im Meer genannt.

Ob Viktors Kinder auch die Arbeit des Vaters fortsetzen würden? Viktor meint, es sei noch zu früh, darüber zu sprechen:

„Mein Sohn studiert an der Südukrainischen nationalen pädagogischen Uschynskyj-Universität. Wird ein Volleyball-Spieler sein. Ob er auf dem Leuchtturm arbeiten möchte? Das weiß ich noch nicht, ich habe danach nicht gefragt. Daschka, meine kleine Tochter, ist erst in der 4. Klasse. Ich habe die eben nicht danach gefragt. Die Hauptsache ist, dass ihre Arbeit und ihr Studium ihr gut gefallen. Und dann schauen wir mal.“

Auf dem Leuchtturm gibt es die ukrainische Fahne. Und sogar da, wo es kaum Besucher gibt, ist die sehr sichtbar:

„Einmal kam ‚Prawyj Sektor‘ (eine radikale nationalistische ukrainische Organisation – Üb.) hierher. Fünf riesige Burschen. Fragen die: ‚Wissen Sie, wer hier der Leuchtturmwärter ist?‘ Die haben diese Fahne gesehen und haben nach mir gesucht – die wollten mir die Hand drücken. Ich sagte denen, ich bin ein Ukraïner und werde so immer bleiben. Und meine Kinder werden immer Ukraïner sein. Ich sagte immer allen in unserem Dorf: ‚Wenn für euch etwas nicht passt, hier bitte 300 Hrywnja und los zum Bahnhof. Magadan ist aber groß. Los, wegfahren, keine Verwirrung stiften. Ich werde noch zahlen, eine Fahrkarte kaufen. Los nach Russland‘. Und es gibt schon solche Typen bei uns.“

Am Ende der Geographie

Im Sommer kommen die Touristen nach Rossejka und manchmal bleiben die auf der Nehrung. Die zelten da und bleiben oft wochenlang mit der ganzen Familie. Das Leuchtturm wird oft fotografiert, aber den zu betreten dürfen sie nicht, weil das ein strategisches Objekt ist. Die Gegend sei wunderschön für Tourismus, meint Viktor, aber nicht so viele wissen etwas darvon:

„Die Gegend ist wunderschön, aber die braucht einen neuen Atem. Da bitte ein Süßwasser-Liman mündet sich in Solonyj, Solonyj mündet sich weiter und so geht es bis Odessa. Das ist die Nehrung des Schwarzen Meeres, da ist Katranka, Lebediwka, Wylkowo.“

Es ist nicht so dem Territorium nach, sondern der Infrastruktur nach, dass die Bewohner von Prymorske am Ende der Geographie wohnen. Es gab schon Zeiten, dass Marschrutkas nach Tatarbunary, Rybalske, Wyschnewe da fuhren. Es gab eine Verbindung. Nun gibt es nur einen Bus Odessa-Prymorske, der zweimal pro Tag fährt.

Viktor erzählt, dass es einen harten Kampf mit Odessaer „Majeure“ gibt, die hierher zur Vogeljagd immer wieder kommen. Aber heujahr gibt es wenige Jäger und mehr Vögel:

„Vor kurzem gab es hier Gäste aus Dänemark. Ich glaube, die wussten, dass das hier ein Nationalpark ist, deswegen fragten die mich, wo man hier Vögel sehen könnte. Die Frau schrieb ein Buch über Vögel. Ich habe nicht hinterfragt, da sie mich kaum verstand, sowie ich sie. Sie sagte, hier gäbe es viel mehr Vögel als in Wylkowe. Ich war in Wylkowe schon lange nicht mehr, das weiß ich nicht.“

Die Natur ist die größte Magie dieser Gegend. Das Leben in so einer Schönheit inspiriert:

„Es ist einfach toll, in Natur pur zu arbeiten. Ich komme hierher, steige hoch und da sitzt ein Vogel, dort sitzt eine Gans, da schwimmt ein Pelikan, dort singt mir ein Fasan auf dem Baum. Ein Hahn fliegt über den Zaun. Habt ihr einen Film ‚Senior Robinson‘ mal gesehen? Ich komme hier her und fühle mich so in der Art. Hier ist Natur pur. Niemand darf da etwas anfassen. Vor kurzem wurde hier die Jagd verboten. Nun ist es so still hier: alle Vögel in Ruhe, es gibt genug Wasser für die. In der Früh kann man so viele Vogelstimmen singen hören…“

Wie wir gefilmt haben

Schaut euch einen Video-Blog an, wie unser Weg nach Bessarabien war. Wir kamen hierher, um die größte Kolonie der Rosapelikanen zu sehen, den Leuchtturm zu besuchen und noch ganz viele Ortschaften unseres Landes bekannt zu machen.

Beitragende

Projektgründer:

Bogdan Logwynenko

Autorin des Textes:

Natalija Ponedilok

Redakteurin:

Jewhenija Saposchnykowa

Fotografin:

Polina Sabischko

Kamerafrau,

Filmeditorin:

Marija Terebus

Kameramann:

Pawlo Paschko

Regisseur,

Filmeditor:

Mykola Nossok

Bildredakteur:

Olexandr Chomenko

Transkriptionistin:

Anastasija Blaschko

Übersetzerin:

Elina Fojinska

Folge der Expedition