Es ist nicht schwer, auf das Gelände des Schlosses Sankt Miklós in Tschynadijowo zu gelangen und eine Führung zu bekommen, für Wanderer und Touristen steht die Tür immer offen. Aber natürlich wollten wir viel mehr erfahren, als ein gewöhnlicher Tourist zu hören bekommt. Darum haben wir versucht, ein Treffen mit dem Schlossmieter Jossip Bartosz im Voraus zu vereinbaren. Zeit hatte er nur in der Mittagspause an einem heißen Wochentag. Und trotzdem liefen uns polnische, ukrainische und ungarische Touristengruppen, die dieses Schloss täglich besuchen, ständig ins Bild.
Noch vor fünfzehn Jahren war auf diesem Gelände ein sowjetisches Autodepot und Garagen, im Inneren der alten Burg war eine Müllkippe. Die Keller im St. Miklós sind immer noch in einem konservierten Zustand, denn sie erfordern erhebliche Ressourcen für Reinigung und Restauration. Was musste in so kurzer Zeit mit dem Schloss passieren, damit es sich aus einer Ruine zu einer der beliebtesten Touristenattraktionen entwickelt?
Jossip Bartosz kam 1999 aus dem Ausland, wo er lange gelebt und vier Sprachen gelernt hat. Er war neidisch, dass sich in Ungarn, der Slowakei, Rumänien, Deutschland winzige Dörfer jährliche Freilichtmalertreffen leisten können, zu denen Touristen aus der ganzen Welt anreisen. Und in der Ukraine gibt es nur wenige solcher Events, in Transkarpatien nur eines, und auch noch ein schlechtes.
„Die Malerin Tetiana Petrytschko, die ich beim Freilichtmalertreffen kennenlernte, lud mich in dieses Schloss ein. Hier war ein Autodepot, LKWs, jede Menge Garagen, etwas Unvorstellbares. Man wollte uns nicht reinlassen, aber wir sind dann irgendwie eingedrungen. Und dann kam der Gedanke: ‚Was wäre, wenn wir unsere Freilichtmaler, die wir, wie die Letzten, in irgendwelche Sanatorien stecken, hier ins Schloss einladen würden?‘ Damit die Wände mit Bildern behangen wären, damit Konzerte und Lesungen stattfänden… An diese verrückte Idee hat damals niemand geglaubt, kein Mensch auf der ganzen Welt, nicht einmal ich. Aber das Schloss entschied anders, es sagte: ‚So soll es sein‘, und dann fing alles an. Ich weiß selbst nicht, wie das passieren konnte.“
Tetiana, die Jossip Bartosz das Schloss zeigte, wurde später seine Frau. Sie ist eine einzigartige Künstlerin, die unglaubliche Kratzeier herstellt. In die gefärbten Ostereier werden ihre eigenen Bilder und Meisterwerke weltbekannter Maler gekratzt. Einige Male musste sie auf Bestellung ziemlich exotische Bilder anfertigen. Zum Beispiel im Jahr 2008, als der Regionalstaatsanwalt ein Kratzei mit dem Porträt von Präsident Juschtschenko orderte. Dies sollte offenbar ein Geburtstagsgeschenk werden.
Jossip und Tetiana wohnen in der Nähe und hatten bis vor kurzem einen Raum im Schloss bezogen. Dort gab es kein Wasser und es war fürchterlich kalt. All diese Unannehmlichkeiten waren eine Art Bezahlung für das Wohnen in einem Gebäude aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Als alles begann, wohnte Jossip in einer Mietwohnung in Tschynandijowo und ging jeden Tag zu Fuß zum Schloss. Er lieh sich Geld, lud befreundete Künstler aus verschiedenen Ländern ein und so fand das erste Malertreffen statt.
Vor dem alten Schloss steht ein Wohnhaus im Sowjet-Stil. Hier wohnt Jossip Bartosz im Erdgeschoss. Früher war es ein Wohnheim, und mit der Zeit haben die Menschen diesen Wohnraum privatisiert. Im Erdgeschoss haben Jossip und seine Frau eine Schule für harmonische Persönlichkeitsentwicklung eröffnet. Es gibt Malunterricht, aber auch Musik- und Sportklassen. Auch Sprachunterricht und Kurse für „junge Archäologen“ werden angeboten. An Jossips Tür steckt ein bescheidenes Blatt mit seinem Namen, ohne Goldrahmen oder Ehrentitel. Das sticht den Leitern anderen Kultureinrichtungen, die ihre Namen für gewöhnlich rot schreiben, sofort ins Auge.
„Ich hatte niemals, auch nur einen einzigen Gedanken, dieses Schloss zu mieten. Das Schloss suchte mich selbst aus, es sagte: ‚Komm zu mir‘, und ich kam.“
„Die ersten Schritte waren lächerlich, so lächerlich, dass man sich das nicht vorstellen kann. Das ganze Dorf lachte mich aus, wie noch niemanden zuvor. Ich bin so inspiriert, fröhlich und zottig zum Dorfrat gegangen, und sagte, dass ich jetzt dieses Schloss mieten möchte, um ein Kunst- und Kulturzentrum zu eröffnen. Sie sagten: ‚Junge, hast du sie noch alle? Bist du Künstler? Hast du Geld? Kannst du was?‘. Und ich sagte: ‚Wir lassen uns etwas einfallen‘. Aber so sind die Landmenschen, ich kam aus dem Ausland, war nicht wirklich eloquent, ich habe ihnen etwas vorgeplappert und irgendwie glaubten sie mir, wohlwissend, dass nichts daraus wird. Sie unterschrieben. Die gleiche Geschichte war in der Regionalverwaltung. Sie sagten: ‚Das wird nichts, unterschrieben aber‘.“
„Damals gehörten alle Schlösser der staatlichen Bauverwaltung, also musste der Fall noch eine Ebene höher entschieden werden. Dort sah die Sache schon ganz anders aus. Die Architekturabteilung wusste gar nicht, auf welcher Grundlage sie entscheiden sollen. Es gab weder Gesetze, die das Mieten von Schlössern erlauben noch welche, die es verbieten, vergleichbare Präzedenzfälle hat es in der Ukraine auch noch nie zuvor gegeben. Sie telefonierten mit Kyjiw, sie telefonierten mit Lwiw und wussten einfach nicht weiter. Letztendlich half Iwan Mohytych, ein ‚verdienter Architekt der Ukraine‘, der damals Chef der Restaurationsverwaltung in Lwiw war. Er kennt mich persönlich, kannte meinen Vater, der ein Held der Ukraine war, also sagte Iwan: ‚Wir setzen einen Standardmietvertrag auf‘. Nur wegen dieses Standardvertrages kamen wir hier überhaupt rein. Im Grunde genommen war er nicht wirklich rechtswirksam, ein Vertrag über 15 Jahre mit dem Recht auf Verlängerung. Und erst 2005, als Juschtschenko das Gesetz über den Schutz des kulturellen Erbes unterzeichnete, haben wir einen neuen, echten, staatlichen Vertrag über die Miete und den Schutz des Schlosses für weitere 49 Jahre bekommen.“
Jossip Bartosz darf sich mit Recht als einzigen erfolgreichen Schlossmieter bezeichnen. Die Zeitschrift „Business“ hatte das vor kurzem recherchiert: Es gab bis jetzt lediglich zwei weitere Versuche, beide scheiterten. Nur das Schloss in Tschynadijowo hatte Glück. Dabei behauptet Jossip Bartosz, das Schloss habe ihn ausgesucht und nicht umgekehrt. Das Schloss entschied zu leben.
„Es gab einen Artikel mit dem Titel ‚Jossip Bartosz ist der Meinung, dass die Schlösser und Paläste in der Ukraine erblühen werden‘. Ja, das meine ich! Vorausgesetzt, dass die Konzession für Schlösser und Paläste in erster Linie an Idealisten übergeben wird. Geschäftsleute werden nichts tun können. Sie werden solchen Schaden anrichten, den man noch in hundert Jahren nicht behoben haben wird. Die Menschen sollten idealistisch sein und wissen, worauf sie sich einlassen, das Wesen und den Sinn der Kultur verstehen und Akzente setzen können. Wir träumen davon, dass neue Geschäftsleute entstehen, Mäzene genannt. Eigentlich ist es ja nichts neues, Mäzene gab es schon, als es noch keine Geschäftsleute gab. Unser größter Traum, unser Endziel ist es, eine möglichst große staatliche Natur- und Denkmalschutzzone um das Schloss herum einzurichten. Wenn das geschafft ist, ist unser Ziel erreicht.“
Jossip Bartosz kommt aus Mukatschewo. Die erste finanzielle Hilfe für das Schloss fand er aber nicht in der Ukraine: Eine Million Forint gab ihm das ungarische Ministerium für Kulturerbe. In den renovierten Zimmern im ersten Stock eröffnete Bartosz ein Museum und später eine Bibliothek. Jetzt gibt es dort historische Artefakte und Gemälde. Das Meiste sind Porträts und Familienwappen der ehemaligen Schlossbesitzer: Gräfin Ilona Zrínyi, Graf Emmerich Thököly, Fürst Ferenc Rácóczi II, die Grafenfamilie Schönborn. Ein Nachfahre der ersten Erbauer, Dr. János Perényi, hat die Museumseröffnung besucht.
„In Tschynadijowo nahm man mich einfach nur schrecklich auf. Alle hielten mich für einen Oligarchen, der gekommen ist, um alles zu zerstören. Aber dann haben sie gesehen, unter welchen Bedingungen ich selbst wohne. Tetiana und ich wohnten in einer normalen Wohnung und man hat erkannt, dass wir nichts anders als anderen Künstler sind. Manchmal reichte es nicht fürs Abendessen, manchmal nicht fürs Brot. Wir waren all die Jahre verschuldet und sind es immer noch. Erst diesen Monat haben wir eine Wasserleitung in der Wohnung bekommen, und ein Jahrzehnt lang haben wir einen der Schlossräume bewohnt, ohne Toilette. Wir mussten Wasser in Eimern nach Hause tragen. Jetzt brauchen wir nur den Wasserhahn zu öffnen, um uns die Hände zu waschen, was für eine Errungenschaft! Im Winter waren wir nie in der Lage gewesen, den Raum auf mehr als 11°C aufzuheizen. Führungen von morgens bis abends, jeden Tag, ohne Wochenenden. Einmal wurden wir für fünf Tage nach Marokko eingeladen. Wir hatten die Idee, dass wir auf dem Pleinair unsere Eier verkaufen und das Geld in die Burg investieren. Aber wir haben kein einziges Ei verkauft, nur dem König von Marokko eins geschenkt, damit er eins hat. Das war unsere längste Trennung vom Schloss, ganze fünf Tage.“
„Galgant“ – so heißt der Verein, den Bartosz gegründet hat. Er sagt, dass die Galgantwurzel ein Prototyp des Ginsengwurzel ist. In dieser Wurzel ist alle Kraft der Pflanze konzentriert. Die Bewegung zu den Wurzeln, zu eigener Grundlage, die Selbstvertiefung, das sind die Ziele des Vereins. In „Galgant“ arbeitet man an der Wiederherstellung der verlorenen Bräuche in der Malerei, Musik, Bildung und anderen Lebensbereichen.
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Seit dem Frühjahr 2012 findet im Schlosshof ein Festival der mittelalterlichen Kultur „Silberner Tatos“ statt. Daran nehmen Ritterorden aus verschiedenen Städten der Ukraine, sowie aus der Slowakei und Ungarn, teil. Diese Veranstaltung soll die Aufmerksamkeit der jungen Menschen auf die Wiederbelebung der Kultur lenken, die sie von den früheren Generationen vererbt bekamen.
„Nach den Ereignissen in Kyjiw kamen viel weniger Ausländer zu uns, dafür aber mehr Ukrainer. Nach den Ereignissen in Mukatschewo hat man sogar Angst, es ist hier alles wie ausgestorben. Keine Belarussen, keine Ungarn, keine Deutschen. Jetzt haben wir langsam wieder Tauwetter und Tag für Tag kommen immer mehr Ausländer. Ich spreche vier Sprachen, es ist mir egal, in welcher ich die Führung mache.“
Im St. Miklós arbeiten Freiwillige. Sie machen Führungen, putzen, lernen in der Kunstschule. Jedes Jahr kommen mindestens sechs Freiwillige aus dem Ausland.
„Einmal kam eine Frau aus England, 58 Jahre alt, und ein über 70 Jahre alter Opa kam aus Polen. Er sagte, er sei Volontär und wollte für uns schaufeln, weil er die Ukraine liebt. Das mit dem Schaufeln hat sogar funktioniert, aber unsere Toilette konnte er nicht benutzen, weil er ein steifes Bein hatte, also mussten wir uns mit den Nachbarn verabreden, dass er deren WC benutzt. Jetzt haben wir schon seit zwei Jahren Studenten aus Mariupol hier. Dort haben sie nichts zum untersuchen, ihr Professor, ein guter Mensch, hat eine Abmachung mit uns, dass sie hier ihre Praktika absolvieren. Auch Kyjiwer Organisationen machen hier archäologische Praktika. Wir hatten ein Mädchen aus Spanien hier, beinahe hätten wir sie verheiratet.“
„Das Schloss in Serednje… ein Grauen, was dort geschieht. Das Schloss in Chust haben die Barbaren bis auf das Fundament auseinander genommen, obwohl das ein tolles Schloss war, mit einer sechs Hektar großen Schutzzone. Es gibt noch Schlösser in Wyschkowo, Bronka, Dowhe… Das Schloss in Dowhe wollen wir ab dem nächsten Jahr auch mieten. Ja, wir nehmen zwei weitere Schlösser auf unsere Schultern. Wer einmal daran erkrankt ist, bleibt bis zum Ende unheilbar.“
„Es gibt noch das Sanatorium ‚Karpaten‘. Das war ein Palais der Familie Schönborn, 1895 erbaut. Noch während er da lebte, gab Graf Schönborn die Hälfte der Räume an ein Rehabilitationszentrum für verwundete Soldaten ab, noch bis 1944 wurden sie dort behandelt. Und 1945, hat der Graf nicht daran geglaubt, dass die Rote Armee die Karpaten passiert, er war bis zum letzten Tag hier. Und als die Soldaten kamen, ließ er alles stehen, stieg ins Auto und fuhr nach Wien. Und die Menschen vor Ort waren sehr ‚fleißig‘ und haben alles geplündert, bis zum letzten Staubkorn. Alle Bilder, Möbel, sie trugen alles raus. Aber ich hatte Glück, weil mein verstorbener Schwiegervater mir offen gestanden hat, dass er damals Bücher gestohlen, und sie auf dem Dachboden versteckt hatte. Also habe ich ihn enteignet und die Bücher an unsere Bibliothek übergeben. Alles, was von der Palaiseinrichtung übrigblieb, waren diese Bücher und ein Kronleuchter.“
Vor kurzem hat das Schloss auch eine Bibliothek bekommen. Der Schriftsteller Juri Andruchowitsch kam zu der Eröffnung. Auf dem Weg zur Bibliothek zeigt uns Jossip Bartosz ein paar Zimmer im ehemaligen Wohnheim.
„Bitte kommt hier rein! Hier machen wir Pysanka-Eier. Das ist Tetiana Bartosz, eine Künstlerin. Sie war verantwortlich für alles, was hier passiert ist, also muss sie auch weiter arbeiten.“
Jossip sagt, dass man die Besucher aus der zweiten Schlossetage gar nicht mehr heraus bekommt. Dort kann man die gesamte Dachkonstruktion einsehen. Alle wollen sie sehen und verstehen, wie sie gemacht wurde. Bauarbeiter aus Kyjiw sagen, dass sie so etwas heute nicht mehr nachmachen könnten. Es ist geplant, das Dach vollständig zu erhalten.
„In Europa neigen jetzt alle dazu, zu konservieren, nicht zu erneuern. Wir dürfen hier eigentlich nichts restaurieren, nur konservieren. Wenn wir restaurieren, welchen Teil welches Jahrhunderts sollen wir zeigen? Wir haben hier vier Arten von Fenstern aus vier Epochen, und das sind nur die Fenster, welche sollen wir behalten? Wenn wir Türrahmen aus fünf Epochen haben, welche sollen wir behalten? Die Innenwände haben sich, je nach Besitzer, sowieso die ganze Zeit verändert, was sollen wir restaurieren? Darum konservieren wir, um den Menschen ein Schnittbild zu zeigen: wir zeigen den Anfang des 15. Jahrhunderts, die Mitte des 16. Leider können wir andere Dinge noch nicht zeigen. Die Grundfeste der Burg zeigen wir nicht. Denn wir sagen ehrlich, dass das Schloss aus dem 15. Jahrhundert ist, wir haben ein Dokument von König Sigismund, die Kopie dieser Bauerlaubnis hängt dort an der Wand. Und im vergangenen Jahr kam zu uns der Professor Serhiy Ryschow aus Kyjiw mit seinen Kollegen, ging in den Keller, und sagte: ‚Ui, Jungs, ihr habt hier einen Bogen aus der Römerzeit. Das Schloss ist das Eine, aber das Fundament sieht ganz anders aus‘. Und damit schlug er uns einen Nagel in den Kopf für weitere 30 Jahre. Dass es hier Befestigungsbauten gab, wissen wir schon lange. Wir graben sie nach und nach aus und sehen, wo ein Turm war, wo eine Bastion. Wir wissen bereits von einem Gangsystem, weil hier Durchleuchtungsspezialisten aus Kyjiw Untersuchungen gemacht haben. Deshalb wissen wir, dass es diese Gänge gibt, wir haben einen Brunnen gefunden, eine Bastion, es gab sehr viele davon. Aber wie soll man sie aus dem Boden bekommen?“
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„Seit sechs Jahren male ich nicht mehr. Dabei habe ich schon in den Neunzigern Bilder gemalt, die erst heute als visionär bezeichnet werden. Und ich habe sie schon damals gemalt und auf der ganzen Welt ausgestellt. In Paris, Stockholm. Ich bin immer noch ein Mitglied der Künstlervereinigung von Schweden. Ich hatte Ausstellungen in Amerika, in Deutschland und Ungarn, es gab sehr viele davon. Aber dann musste eine Entscheidung getroffen werden, und das Schloss entschied sich für mich. Ich habe ja nicht nur den Pinsel hingeworfen, ich schreibe seit zehn Jahren auch keine Musik. Ich bin Mitglied der Komponistenvereinigung, aber jetzt komponiere ich nichts mehr. Ich habe eins-zwei Bücher verlegt, und… das war’s. Das einzige, was ich in letzter Zeit geschafft habe, war, Materialien aus den örtlichen Archiven zu sammeln und als Buch herauszugeben, dafür habe ich Jahre gebraucht. Der Rest liegt in der Schublade und wartet auf bessere Zeiten. So ist es auch mit meiner Kunst. Aber, nach all dem Salz, das ich mir auf die Wunde der Kunst streue, darf ich auch mal einen Löffel Honig draufschmieren. Eine der Garagen, die hier waren, haben wir doch nicht abgerissen. Das war eine große Werkstatt und die Bauarbeiter hatten sie zufällig im Stil einer Basilika aus dem 9. Jahrhundert gebaut. Keine Ahnung, wie das passieren konnte. Wir träumen davon, das Dach neu zu decken und riesige Gemälde im Innensaal aufzuhängen. Da würden vier thematische Bilder 4×10 Meter reinpassen. Und diese Gemälde, im entsprechenden Stil, würde ich gern selbst malen. Das wäre meine Kompensation für sechs Jahre ohne Pinsel in der Hand, hoffentlich weiß ich noch, wie man ihn hält. Dann würden wir einen Konzertsaal, natürlich einen Orgelsaal, daraus machen, das darf von mir aus auch eine moderne elektrische Orgel sein. Ich habe früher viel Musik gemacht, habe als Kirchenorganist gearbeitet, und es zieht mich dahin zurück. Ich hoffe, dass wir das alles noch hinbekommen.“
Nächstes Jahr, nimmt Jossip Bartosz also zwei weitere Schlösser in Transkarpatien unter seine Fittiche. Unvorstellbar, wie es das alles schaffen soll. Sobald wir uns verabschiedet haben, fängt er sofort die nächste Führung für eine große ungarische Reisegruppe an. Eine Führung durch das Schloss, welches ihm die Arbeit als Künstler geraubt und eine ganz andere geschenkt hat: die Arbeit eines Historikers, Forschers, Mäzens. Eine Aufgabe, die er mit Hingabe und Herzblut erfüllt.