Will man tolle Ideen umsetzen, hat man ein engagiertes Team und Ressourcen, die ein Teil der Kosten decken können, findet sich unbedingt ein Raum dafür… oder er wird doch geschaffen.
Chata–Majsternja (aus dem Ukrainischen „Werkstatt-Hütte“) ist ein Raum für komplexes Lernen, in dem Workshops, Seminare und Retreats stattfinden. Hier, an dem lauschigen und gemütlichen Ort mitten in den Bergen fühlt sich jeder wohl.
Anfangs 2014 war der eigene Raum in den Bergen lediglich ein Traum von einigen Enthusiasten und Enthusiastinnen aus unterschiedlichen Ecken der Ukraine. Und heute pulsiert hier — im kleinen Dorf Babyn in den Karpaten — das Leben. Die alte huzulische Hütte (Die Huzulen sind ein Bergvolk in den Karpaten) hat 5 Zimmer, die als Hostelzimmer für Übernachtung zur Verfügung stehen, einen Seminarraum, ein Bad und eine liebliche Berglandschaft um das Haus herum. Darüber hinaus können die Gäste auch kulinarische Spezialitäten von den Einheimischen genießen.
Die Zusammensetzung Chata–Majsternja also die Werkstatt-Hütte kann missdeutet werden. Denn hier wird nichts repariert. Es werden hingegen Möglichkeiten angeboten, diverse Fähigkeiten und Fertigkeiten weiterzuentwickeln. Hier finden unterschiedliche Workshops und Fortbildungsseminare statt: vom Gesang bis hin zu Moderationskunst. Der Raum hat seinen Namen dadurch bekommen, dass diese Hütte von den Workshopleitern, Teilnehmern und allen, die an der Initiative „Werkstatt für bürgerliches Engagement“ beteiligt waren, umgestaltet wurde. Heutzutage besteht das Team von Chata-Majsternja größtenteils aus Vertretern von „Inscha Oswita“ („Andere Ausbildung“), einer NGO, die sich für das informelle Lernen in der Ukraine einsetzt.
Die Geschichte von Chata-Majsternja
Die Teammitglieder sehen die Hütte nicht nur als ein saniertes Objekt oder als Projekt ausschließlich für neue Erfahrungen. Unter den Gästen ist die Meinung verbreitet, dass die Chata „ihre eigene Seele“ hätte. Das ist aber kein Wunder, denn um das Haus herum erheben sich die bewaldeten Hügel der Karpaten und zudem hat der Ort eine interessante Geschichte.
Alleine der Name des Erbauers, der die Hütte konstruiert hatte, sagt schon viel aus. Wassyl Palijtschuk war Holzschnitzer: Er fertigte Truhen und Holzbalken an und verzierte sie mit Schnitzwerk. Er kam aus einer armen Familie, hat sich aber dank seinem Talent heraufgearbeitet. Er genoss Respekt der Dorfbewohner und wurde im ganzen „Polen“ (in der Zwischenkriegszeit war ein gutes Stück der Karpaten ein Teil Polens) dadurch bekannt, dass er in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts das Observatorium auf dem Berg Pip Iwan Tschornohirsky gebaut hat.
Diese Hütte hat er für seine Familie 1935 gebaut. In der Kriegszeit war hier ein Militärkrankenhaus und nach dem Krieg hielten sich Aufständische (Kämpfer der Ukrainischen Aufständischen Armee — UPA) hier geheim auf. Dies ermöglichte die günstige Lage der Hütte, die sich Wassyl Palijtschuk lange ausgesucht hatte. Denn die Hütte befindet sich in einem Tal mitten in einer waldreichen Hügellandschaft. In den warmen Jahreszeiten ist es kaum möglich, einen Platz in der Gegend zu finden, von dem die Hütte zu sehen wäre
Hier wurden Workshops — wie sie heutzutage genannt werden — von einheimischen Handwerkern für Studierende aus Kossiw durchgeführt.
Die Familie Palijtschuk war in unterschiedlichen Kreisen bekannt — von einheimischen Handwerkern bis zu den regionalen Beamten. Und im Dorf Babyn wird immer noch erzählt, dass eben hier auf der Polonyna (eine Alm in den ukrainischen Karpaten) Kyrnytschky das erste Telefon im Dorf zu finden war.
In dieser Hütte hatten Wassyl und seine Frau ihre Kinder großgezogen und demgemäß wuchs die Familie, die hier bis zum Jahr 2008 ihr Zuhause hatte. Sie würde wahrscheinlich immer noch hier wohnen. Aber das Haus ist durch Überschwemmung im August 2008 abgerutscht und blieb so stehen, als ob es den Hügel stützen würde.
Die Familie ist nach der Überschwemmung nicht mehr in das Haus zurück gekommen. Den Hof erbte Olesja Bytschynjuk, die Urenkelin von Wassyl Bytschynjuk. Das war ihr erster Ehemann — Bohdan Petrytschuk, der die Hütte dem Team von Chata-Majsternja gezeigt hat.
Verständigung mit den Einheimischen
Das Häuschen liegt auf der Höhe von 650 Meter über dem Meeresspiegel am Aufstieg zum Sokilsky Gebirge. Hier hat das Team den Raum gefunden, der zu Partnerbedingungen vermietet werden konnte. Diese Entscheidung ist dem Team recht schwergefallen. Denn sie wollten sich etwas Eigenes kaufen und von niemandem abhängig sein. „Es war aber sinnvoller, sich die Hilfe von Einheimischen zu holen und durch das Mieten Kontakte zu knüpfen“, betont Wilja (Witalij) Tschupak:
„Es ging um Partner vor Ort. Ohne Freunde, Partner, Verwandte, die ihr eigenes Interesse am Objekt haben und die hier vor Ort sind, kann man es nicht schaffen. Und es kommt von sich alleine auch nicht zustande. Von Anfang an hatten wir vor, mit Huzulen zusammenzuarbeiten. Und diese Zusammenarbeit ist uns gelungen, wie sie auch sei.“
Auf dem Gelände von Chata-Majsternja herrscht ein anderes Lebenstempo. Diejenigen, die sich immer beeilen, müssen sich hier an die andere Geschwindigkeit anpassen. Aljona Karawaj, eine der Teammitglieder, hat schon längst verstanden, dass man hier den ganzen Tag über beschäftigt sein kann. Und wenn man mehr am Tagen schaffen will, sind eher kleine Aufgaben dafür geeignet.
„Manchmal wird der ganze Tag gebraucht, um Brot und Milch zu kaufen und Essen für Gäste zuzubereiten. Und schon ist der ganze Tag vorbei. Multitasking ist hier kein Begriff. Man arbeitet an einer Aufgabe bis man sie fertig hat. Manchmal sehnt man sich nach diesem Tempo, wenn man sich wieder in der Hektik der Stadt hin- und herlaufen findet.“
Aljona, wie auch alle anderen Teammitglieder, blieb schon mal in der Hütte alleine.
„Es ist ruhig hier und man hat keine Angst. Ich fühle mich hier in voller Sicherheit. Auch wenn jemand hier vorbeiläuft, ist es jemand aus dem Dorf und er tut dir nichts an. Wie die Einheimischen sagen, dieses Dorf liegt in der Sackgasse. Wer kommt schon hierher, um etwas zu klauen? Hier vertraut man einander: Man kann ein Geldstück liegen lassen — keiner nimmt es weg.“
Die Einheimischen
Die Reaktion der Einheimischen darauf, dass es hier jetzt einen Raum gibt, wohin Gäste aus anderen Orten kommen, ist nicht eindeutig. Trotzdem zeigen sie immer gerne den Weg zu dem Palijtschuks Haus hin.
In der Tat ist der Weg zur Hütte anspruchsvoll. Es gibt keine Einfahrt direkt zum Haus. Es gibt einen Weg, den man mit einem Kleintransposter langfahren kann, um Sachen zu liefern. Auf so ein Abenteuer kann man sich aber längst nicht in allen Jahreszeiten einlassen, denn der matschige Waldweg kann sich wegen des dichten Waldes drum herum im Zwischensaison nicht trocknen. Deswegen empfiehlt das Team von Chata-Majsternja einen markierten Wanderweg, der von zwei Dörfern aus zu der Hütte hinführt.
Der Aufstieg vom Zentrum des Dorfes Babyn ist 900 Meter lang mit Höhenunterschied von ca. 300 Meter. Die meisten Materialien und zwar die zerbrechlichsten, wie Fensterscheiben oder Badausstattung, hat das Team selbst diesen Weg entlang hergetragen. Einen anderen Weg gibt es von der Landstraße Kossiw—Werchowyna von Dorf Sokoliwka. Der Weg nimmt zwei Stunden in Anspruch. Der Aufstieg ist flacher und man kann wunderschöne Aussichten genießen.
Die Einheimischen waren am Anfang etwas zurückhaltend, aber sie haben mit der Zeit immer mehr Interesse dafür bekommen, was in der Chata-Majsternja geschah.
Menschen nehmen das, was sie sehen, unterschiedlich wahr und verstehen das Gesehene unterschiedlich. Man braucht einen Dialog. Taras Kowaltschuk erzählt, dass das Leben auf dem Lande seine eigenen Gesätze hat:
„Die Pforte muss geschlossen bleiben. Und wenn eine Gruppe von 20 Personen dort langläuft, machen sie sie höchstwahrscheinlich nicht zu. Und dann entstehen Probleme, weil eine Kuh in den Gemüsegarten von einem Nachbar getreten ist, dort etwas gefressen hat. Oder ein Pflaumenbaum ist gefallen, du hast das Holz gehackt und es gehört dir nicht.“
Die Trennung auf „mein“ und „fremd“ ist sehr spürbar im Dorf. Olha und Wassyl Bytschynjuk, die dem Team das Haus vermieten, dienen auch als Vermittler. Sie lebten hier und kennen sich besser aus, sie wissen, wo man ein Pferd ausleihen kann, um im Winter die Sachen her zu liefern, oder an wen man sich im Fall eines Stromsaufalls wenden soll. Sie haben geholfen, die meisten Kontakte mit Einheimischen zu knüpfen und wurden zum Hauptinformationsquelle für das Team. Der Nachteil besteht darin, dass die Informationen manchmal einseitig dargestellt werden.
Im Dorf leben viele Handwerker, die selber authentische Sachen anfertigen. Wie z. B. Marija, die in der Nähe wohnt und Socken, Mützen, Handschuhe u. ä. aus Schafwolle strickt. Aljona Karawaj erzählt über ihre Zusammenarbeit:
„Hier spielt die ländliche Mentalität eine Rolle. Die Familie, die hier kocht (Familie Bytschynjuk), freut sich nicht auf Marija. Wenn die Chata ihre Bestände aufgefüllt hat, stellen wir einiges davon fürs Dorf zur Verfügung. Aber es gibt Menschen, die gerne alles für sich nehmen würden. Uns das merken wir. Und das besorgt uns. Wir versuchen mit den Menschen zu reden und zu erklären, dass es so nicht geht, dass alles fair aufgeteilt werden soll, denn das ist für alle da. Aber das ist dann wiederum schwer, denn einige Menschen reagieren schmerzhaft darauf. Weil jemand mal gesagt hat, man sollte die Hütte lieber nicht besuchen. Und solches Gerede dreht sich um die Hütte. Aber wir finden immer eine andere Lösung. Marija kommt nicht zu uns — wir gehen zu ihr hin.“
Wilja Tschupak kommt auch oft auf das Thema der Verständigung mit den Einheimischen zurück:
„Am Anfang hatte man den Eindruck, dass die Menschen hier denken, wir würden sie verarschen. Wir mussten Verträge unterzeichnen, um mit der Arbeit hier anzufangen. Das war eine heikle Situation: Du konntest nicht wirklich verstehen, was passiert, wie Menschen das wahrnehmen. Jetzt ist es einfacher, denn man sieht das Ergebnis unserer Arbeit. Aber inwieweit sie verstehen, was wir hier unternehmen, weiß ich auch nicht.“
Doch manchmal lädt das Team Einheimische zum Mitmachen ein. Zum Beispiel steht Viehpflege manchmal im Programm für Kinder, die aus der Stadt kommen. Und das Team fördert solche Kontakte. Laut Aljona Karawaj sagt das Dorf solche Zusammenarbeit nicht ab:
„Wir führen Veranstaltungen im Dorfclub durch. Wir bieten den Club als eine Location an. Die Mitarbeiter im Club sagen immer zu, weil sie unsere Veranstaltungen interessant finden. Wir machen Präsentationen in der Schule, verteilen banale Geschenke zum Nikolaustag. Einige Teammitglieder besuchen Tagungen im Dorfrat. Taras und Sascha setzen sich für die Umwelt und Abfalltrennung ein. Hier wird Müll nämlich in die Flüsse weggeworfen. Und sie gehen zu diesen Tagungen, um eine Lösung für Abfuhr des Mülls zu finden, um zu klären, was benötigt wird und wie man hier ein Müllcontainer aufstellen könnte. Es gibt diese drei Baustellen für Zusammenarbeit: der Club, die Schule und der Dorfrat.“
Das Team merkt noch keine wesentlichen Veränderungen im Dorf, seitdem die Chata-Majsternja eröffnet wurde. Aber der Prozess läuft offensichtlich. Wir haben beispielsweise angefangen mit der Schule zu arbeiten: Wir haben Dokumentarfilme für Jugendliche gezeigt, Treffen mit Filmemachern organisiert. Die Organisatoren des Projektes teilen mit dem Dorf alles, was sie können, aber die Ergebnisse dieser Arbeit werden erst später sichtbar.
Chata-Majsternia wurde zu so einer Kontaktstelle. Denn Menschen aus den Städten, die hier an den Workshops oder Retreats teilnehmen, haben die Gelegenheit, ganz andere Realien zu erleben. Unter anderem können sie sich mit den Einheimischen unterhalten, die selber ein eigenes Produkt herstellen z. B. Socken, Käse, Frucht- und Beerenschnäpse und zu sehen, wie das gemacht wird.
„Die richtigen lebendigen Beziehungen kann man erst knüpfen, wenn man sich hier 2–3 Monate aufhält, sagt Aljona Karawaj. Es ist kein Wunder, dass der Kontakt zu den Hausbesitzern am besten gepflegt ist. Deswegen wurde der Vertrag nicht nur über die Miete, sondern auch über die Verpflegung für Gäste unterschrieben. Olha kümmert sich um hausgemachte Lebensmittel, einige davon sind aus ihrem Garten, und Wassyl darum, dass alle Gäste zufrieden sind. Die Küche in der Hütte ist modern ausgestattet und bequem.“
Doch das war mal anders. Aljona erinnert sich an die Zeiten, wenn die Küche noch ganz anders aussah:
„Früh morgen komm man rein: Teller sind aneinanderklebt, weil es kalt ist, und du kannst sie nicht auseinandertrennen, weil es eben kalt ist. Jetzt ist alles richtig schön und wir konnten uns damals nicht vorstellen, dass es so cool irgendwann wird.“
Renovierung
2014 wurde dem Team eine 70-jährige abgerutschte Hütte mit dem löcherigen Dach und kaum Kommunikationsanbindung zur Verfügung gestellt. Das Dachgeschoß sah wie ein verlassenes Lager-Museum aus, wie es so in alten Häusern auf dem Lande vorkommt. Die Dachdeckung fehlte an manchen Stellen sogar.
Zunächst hat Wilja Tschupak die Renovierungsarbeiten geleitet:
„Das war ein heruntergekommenes Haus: Das Dachgeschoß war voll mit Kram gestopft. Es tropfte durch das undichte Dach. Die Besitzer sind nach der Überschwemmung umgezogen. Die Hütte war verwahrlost, pfiff bereits aus dem letzten Loch. Wir machen aber auch nichts auf gut Glück: im Laufe von einem halben Jahr kamen wir immer mal hierher und beobachteten, wie sich das Objekt verändert, wo das Abwasser runterläuft, ob das Haus nicht noch weiter abrutscht. Das Wetter im Sommer damals war sehr regnerisch: viel Wasser, alles war matschig, Wasser fließt, die Hütte bleibt stehen… Sie steht hier schon lange und wird weiter stehen bleiben.“
Für die nötigste Ausstattung haben wir mehrere Monate gebraucht. Heutzutage hat die Hütte ein Fundament, damals stützte sie sich buchstäblich auf einige tragfähige Steinblöcke. Das Team erinnert sich, dass es erschreckend zu beobachten war, wie die Hütte während der Arbeiten am Fundament buchstäblich in der Luft schwebte. Taras Kowaltschuk sagt, dass die Hütte auf ihre eigene Art und Weise die neuen Besitzer akzeptiert hat:
„Ähnlich wie ein lebendiger Organismus hat sie ihren eigenen Charakter. Sie liegt zwar nicht weit weg von der Straße, von der Zivilisation entfernt — 7 Kilometer. Aber hier spürt man, wie die Natur das Leben der Menschen beeinflusst, wie das Leben vor 100–200 Jahren aussah. Tatsächlich hat sich hier vom Aussehen her nichts verändert bis auf Strom und Internet. Die Nähe der Natur, die Kuh, die dort grast, zwitschernde Vögel, umgestürzter Baum. Heute scheint die Sonne, morgen liegt Schnee bis zu den Knien. Das haben wir auch schon mal erlebt. Diese Umgebung ist von Natur geprägt, aber das ist interessant, denn so was findet man in der Stadt nicht.“
Solche romantische Stimmung, die durch Berglandschaft entsteht, verfolgte uns auch bei den Renovierungsarbeiten, denn alle Materialien mussten her geliefert und hier aufbewahrt werden. Wilja Tschupak erzählt, dass man am Anfang vieles nicht voraussehen konnte, indem man alles in der Stadt geplant hat:
„Alles verzögerte sich. Und es ist besser abzuwarten, als sich ins Zeug zu legen. Denn die Umgebung und Berge müssen bei der Planung mitberücksichtigt werden. In der Stadt wäre es viel einfacher. Mal kam die Lieferung nicht rechtzeitig an, Anschluss, Gruppe, Anfuhr… Mal wurden Materialien nicht recht geliefert, unbedeckt aufbewahrt, und sie gingen kaputt (Holzbretter, Zement)… Ein großes Risiko war auсh mit der Stromleitung verbunden. Mal ging die Gattersäge an, und schon ist der Strom ausgefallen, obwohl es Dreiphasenwechselstrom gibt. Ich erinnere mich, wir haben uns einen Kühlschrank gesucht, der hier funktionieren würde. Und wir haben tatsächlich so einen gefunden. Und haben noch Witze gemacht, dass alle Kühlschränke im Dorf kaputtgehen und unser nicht. Warum? Weil er ein Belarusse ist.“
Wir sind mit Humor, Verantwortung und Verständnis an die Sache herangegangen. Und dank dieser Herangehensweise verwandelte sich das alte löcherige Dachgeschoß mit Kram in 5 Hostelzimmer, der alte Heuboden — in einen geräumigen sommerlichen Seminarraum für 30 Personen, und das früher nicht begehbare Untergeschoß — in eine vollausgestattete Küche.
Ressourcen
2014 hat ein Teil des Teams, der mit der internationalen Organisation MitOst zusammengearbeitet hat, im Internet in der Ukraine und im Ausland die Idee des Seminarhauses angekündigt. Es hieß, dass es engagierte Freiwillige gibt, die sich das Projekt zutrauen und alle Interessierten durften sich beteiligen.
Das am Anfang auskalkulierte Budget musste mehrmals verdoppelt werden — erstens, wegen der Lieferungskosten. Es gab eine zeitliche Verzögerung und alles, was benötigt wurde, musste sehr ausführlich auflistet werden. Später haben Teammitglieder und Freunde Gelder spendiert. Und dadurch sind die Kosten noch mal aufgestiegen.
Am Anfang haben 17 Personen das Projekt finanziell unterstützt. Die Spenden variierten sich von 50 bis 5.000 Euro. Jeder hat gespendet, was er zu dem Moment konnte. Im Ganzen wurden ca. 20.000 Euro aufgesammelt. Während der Umsetzung des Projektes wurden weitere 30.000 Euro investiert.
Am Anfang wurden alle, die wie auch immer das Projekt unterstützt haben, ins Team aufgenommen. Doch später wurde es klar, dass nicht alle daran Interesse hatten, denn einige wollten das Projekt nur finanziell unterstützen. Daher durfte jeder Spender selbst entscheiden, ob er ein Teammitglied sein will oder nicht. Einige Teammitglieder haben eigene Zeit und Wissen investiert, ohne dessen das Projekt gewiss nicht zustande gekommen wäre.
Die Unterstützung des Teams und den engagierten Helfer ist nicht zu überschätzen, so Taras Kowaltschuk:
„Außer Geld war das Humankapital fürs Projekt sehr wichtig. Denn die Unterstützung war riesig, von Crowdfunding bis hin zu den einzelnen Beiträgen von Menschen, die Lust darauf hatten. Sie kamen, haben Boden gegraben, Lehm und Steine umgeräumt, den Weg angelegt, den Fußboden betoniert, gestrichen, lackiert.“
Die Investitionen können getreu nicht abgerechnet werden, denn neue Spenden wurden reinvestiert, nach Bedarf wurden zusätzlich Gelder einbezahlt. Doch Aljona Karawaj unterstreicht:
„Es geht nicht ums Geld. Es geht um die Menschen, die ihre Energie in das Projekt investiert haben. Alle, die im Team geblieben sind, haben Lust auf unsere Zusammenarbeit. Denn sie wollen nicht nur Ideen entwickeln, sondern sie wollen und können an den Beziehungen arbeiten. Das fällt uns nicht immer einfach, wir diskutieren oft. Man braucht ein Team, mit dem man diskutieren kann. Wir diskutieren, weil wir das Beste für unsere Hütte wünschen, aber wir stellen uns das manchmal anders vor. Manchmal kommt es zu schwierigen Momenten. Es ist wie eine Achterbahn: bergauf und bergab. Jeder erlebt mal seine eigene schwierigste Zeit.“
Menschen
Eine gemeinsame Idee vereinigte im Rahmen des Projektes „Chata-Majsternja“ viele unterschiedliche Menschen. Doch jeder hatte seine eigenen Beweggründe. Olha Djatel beispielsweise kam zu der Location 2014, unverzüglich nach dem „Volksentscheid“ auf der Krym, wo sie herkommt. Saschko Moskowtschuk und Taras Hrytsjuk hatten ein inneres Bedürfnis körperlich für den gemeinsamen Nutzen zu arbeiten: Sie haben eine Kompostgrube angelegt, Wasserleitung verlegt und das Untergeschoß aufgeräumt. So entstand der Kern des Teams: Bohdan Welhan, Taras Hrytsjuk, Olha Djatel, Kateryna und Olha Sarko, Aljona Karawaj, Julja Knjupa, Taras Kowaltschuk, Magda Lapschyn, Anna Myhal, Sascha Moskowtschuk, Swjat Popow, Tanja Skljar, Natalja Trambowetska, Wilja und Iwanka Tshcupak.
Am Anfang des Projektes waren Menschen aus der ganzen Ukraine und aus dem Ausland mitbeteiligt. So weit war die Geografie der Beteiligten 2014.
Einen sehr wichtigen Beitrag hat Bohdan Petrytschuk geleistet: Er zeigte dem Team die Location und den Weg hierhin, hat die ersten Kommunikationskanäle gepflegt und entwickelte das Projekt in der Anfangsphase. Eine sehr bedeutende Rolle spielen auch die freiwilligen Teilnehmer, die buchstäblich aus der ganzen Welt hierhergereist sind.
Das gemeinsame Projekt diente als Filter für Emotionen und Freundschaften. Während der unterschiedlichen Phasen haben sich einige Menschen ausgeschlossen, stattdessen kamen andere. Taras Kowaltschuk erzählt, dass Vieles während des gemeinsamen Arbeiten zum Vorschein gekommen ist:
„Das ist eine Frage, was Freundschaft ist. Diese selbstlose gegenseitige Hilfe, Unterstützung, Liebe. Aber wir haben uns diese Sorgen selbst bereitet und wir suchen die Lösungen. Uns verbindet die Lust, etwas zu unternehmen, etwas Neues zu schaffen und die Bereitschaft, daran zu arbeiten. Wir haben einen Ort geschaffen, an den Menschen kommen, sich nach Interessen teilen und fahren weiter, um ihre Arbeit fortzusetzen. Und für mich ist das die größte Errungenschaft.“
Taras Kowaltschuk
„Für mich ist das ein Ort, an dem ich mich erhole. Denn das Leben ist sehr dynamisch und jedes Teammitglied ist sehr beschäftigt. Und einmal im Jahr treffen wir uns alle. Das ist der Ort, wo ich hinfahren kann und ich weiß, hier muss ich mich nicht beeilen. Hier vergeht die Zeit langsamer. Und das ist sehr cool — diese Umgebung und diese Menschen. Du kommst und die Oma dort auf dem Berg hat sich deinen Namen und womit du dich beschäftigst gemerkt.“
„An diesem Ort ist alles wie bei Oma. Das Essen ist dreimal so lecker, die Sonne ist dreimal so strahlend. Alles ist so echt.“
Alle Teammitglieder verbindet eine gewisse Leidenschaft für das Projekt. Kommerziell kann man es nicht nennen und keiner erwartet, dass es sich stark rentiert. Man hat Spaß und freut sich über die Feedbacks von Gästen und über die Zusammenarbeit im Rahmen von anderen Projekten.
Aljona Karawaj
„Hier fühle mich hier wie daheim. So wie wenn man sich Fotos anschaut und diese Gerüche in Erinnerung gerufen werden. Zudem ist das ein Haus für Menschen. Für mich ist das ein Ort, wohin man Menschen einladen kann, und man weiß, dass sich diese Menschen hier wohl fühlen werden. Dafür sind keine Luxusbedingungen notwendig.“
Wilja Tschupak sieht die Stärke des Projektes in der großen Anzahl der Teammitglieder:
„Ein zahlreiches Team ist sehr sinnvoll. Wenn einer sich ausgeschöpft fühlt, springt der andere ein. Ein-zwei Menschen wären da schon total fertig gewesen.“
Heute ist „Chata-Majsternja“ ein Treffpunkt für sehr unterschiedliche Menschen, wo viele Ideen entstehen dort, die später woanders weiter ausgearbeitet werden. Für jedes Teammitglied wurde dieser Ort zu etwas Besonderem.
Wilja Tschupak
„Ich habe im Prinzip so ein spezifisches Gefühl. Weißt du, wie man so sagt: ‚Ich dachte, das wäre Liebe, das war hingegen eine Erfahrung‘. Eine großartige Erfahrung. Es gibt diese Momente, die Natur, die Erfahrung der Beziehungen zwischen den Menschen, das Arbeiten im Team. Eben das habe ich hier gesucht, ich habe eben diese Erfahrung gebraucht.“
Pläne
Die Perspektiven des Projektes sind sehr vielfältig, deswegen schmieden die Teammitglieder öfters neue Pläne.
Projektleitung hat vor, eine Karte der Wanderwege anzufertigen. Dafür muss man zuerst die Gegend rumfahren. Wilja Tschupak sagt aus eigener Erfahrung: Wenn Menschen hierherkommen, muss man ihnen etwas zum Anbieten haben:
„Interaktive Vorrichtungen hätten wir noch gerne. Wir würden gern zum Beispiel eine Seitrutsche bauen, damit man hier eine spannende Attraktion hat. Außerdem sollen wir die Sehenswürdigkeiten der Huzulen-Region mitberücksichtigen, z. B. die Stadt Jaworiw, das Naturdenkmal Pyssanyj Kamin und das winterliche Ramychalkiw.“
Taras Kowaltschuk betont, dass Gäste hier etwas Echtes suchen:
„Man kann tatsächlich viel für Menschen machen, die gerne alles in der Stadt lassen und hier etwas unternehmen würden. Wir sind für Zusammenarbeit bereit. In der Zukunft kann man noch viele Ideen umsetzen.“
Das Team erzählt von Ausbreitung des Projektes. Aljona Karawaj ist der Meinung, dass sich das Projekt sehr natürlich weiterentwickelt:
„Das Team hat viel Energie. Und ich denke, irgendwann kommt der Punkt und wir sagen, dass ‚es hier alles ok ist‘ und fortgehen würden. Vielleicht, breiten wir uns später aus. Zurzeit stecken wir unsere Energie in dieses Projekt rein und wollen das Projekt ausbauen. Die Jungs wollen Wanderwege entwickeln und sie brennen dafür. Natalja und ich wollen weitere Wege der Zusammenarbeit mit der Schule suchen. Und dann schauen wir mal.“
„Chata-Majsternja“ kostet dem Team schon heute viel Energie, aber sie gibt auch viel zurück. Aljona Karawaj bemerkt:
„Das ist ein Prozess. Und in diesem Prozess gab es schöne Kulminationen aber auch Momente, wenn man denkt: ‚Ich kann nicht mehr‘. Denn wie Wilja gesagt hat, das sind Beziehungen und Beziehungen aufzubauen ist schwierig. Aber ich denke, wir steigern von einer Phase zu der nächsten, und bewegen uns nicht im Kreise.“
Taras Kowaltschuk fügt hinzu:
„Zumindest sind wir nicht enttäuscht. Das auf jeden Fall!“