Dies ist ein Bericht über einen Tag im Leben einer freiwilligen Tierrettungsgruppe in der Stadt Huljajpole, rund 100 Kilometer östlich der Großstadt Saporischschja und sieben Kilometer von der Frontlinie entfernt. Neben der Tierrettung nutzten die Bewohner der Stadt jede Gelegenheit, von ihren Erlebnissen und ihrem anhaltenden Leid zu berichten. Seit Anfang März 2022* gibt es keine Strom- und Wasserversorgung mehr, und die kürzlich zerbombten Gebäude sind kaum von denen zu unterscheiden, die seit dem Frühjahr 2022 leer stehen. Dies ist die Geschichte eines Ortes, an dem der Krieg kein schreckliches Fernsehbild ist, das man abschalten kann, sondern eine Realität, gegen die man jeden Tag kämpfen muss.
* Der Artikel ist ursprünglich im Juni 2023 erschienen. Mit Stand August 2024 ist die genannte Tierrettungsgruppe weiterhin aktiv, und die Stadt Huljajpole liegt nach wie vor wenige Kilometer von der Frontlinie entfernt.
Wir fahren mit den Freiwilligen der Kyjiwer Tierrettungsgruppe (Kyiv Animal Rescue Group), Wowa und Tanja, nach Huljajpole. Draußen ist ein heißer 14. Mai. Der süße Fliederduft vermischt sich in der Luft mit dem Geruch des Futters, das wir für die örtlichen Katzen und Hunde transportieren. Neben 300 Kilogramm Tierfutter ist das Auto voll mit Transportboxen und Käfigen für die Evakuierung der Tiere. Wowa sitzt am Steuer und Tanja auf dem Rücksitz. Sie hält ein aufgeschlagenes blaues Notizbuch in den Händen: Auf der linken Seite steht „Futter“, auf der rechten „Tiere“. Beide Seiten sind mit Adressenlisten gefüllt. Tanja setzt ein Häkchen neben jede Adresse, wo wir helfen konnten.
Kyjiwer Tierrettungsgruppe
Die Kyjiwer Tierrettungsgruppe (Kyiv Animal Rescue Group, KARG) rettet Tiere in Notfällen, die nur mit Spezialausrüstung oder Fachwissen bewältigt werden können. Die Gruppe ist in Kyjiw und den umliegenden Ortschaften aktiv, fährt aber auch in Frontstädte wie Huljajpole, um Tieren zu helfen und sie zu evakuieren.Trudowa-Straße 67
Wowa hält den heruntergekommenen Kleinbus im Hof eines Mehrfamilienhauses an. Wir überprüfen die Adresse: Trudowa-Straße 67. Vor dem Hauseingang sehen wir eine Frau auf einer Bank sitzen. Sie trägt eine lilafarbene Weste und eine Umhängetasche. Die Bank ist mit einem braunen Teppich mit Muster bedeckt. Dahinter wirft ein knorriger Apfelbaum Schatten. In der Nähe tummeln sich Katzen. Als die Frau uns sieht, steht sie auf und kommt auf uns zu. Sie heißt Natalja.
„Seid vorsichtig, er ist sehr unruhig“, sagt sie und hält dabei einen sehr dünnen schwarzen Kater mit einem kahlen Fleck auf dem Rücken. Während der Evakuierung retten die Tierrettungshelfer in erster Linie kranke Tiere, da sie hier die geringsten Überlebenschancen haben.
Tanja versucht den Kater zu nehmen, doch er faucht und schlägt sie mit seinen scharfen Krallen. Gemeinsam schaffen sie es zunächst, das Tier in eine Transportbox zu kriegen, doch es springt wieder heraus. Tanja ergreift den Kater erneut und schiebt ihn, diesmal rückwärts, in die Box, doch er streckt hartnäckig seine Pfote heraus und beißt sie zwischen Daumen und Zeigefinger. Tanja schreit laut auf. Mühsam gelingt es Natalja, dem schwarzen Kater das Maul zu öffnen.
Gemeinsam bekommen sie den Kater endlich in die Transportbox. Wowa schließt die Box und bereitet eine weitere vor.
Der zweite Kater wehrt sich kaum, daher nimmt Wowa ihn sicher am Nacken und setzt ihn in die zweite Transportbox. Das Tier stellt sich aufrecht hin, starrt mit lustig anzusehenden, weit aufgerissenen Augen und richtet die Ohren auf. Wir schließen das Türchen vor seiner Schnauze. Natalja bedankt sich bei uns und verabschiedet sich.
Als letztes blicke ich auf den braunen Teppich, den knorrigen Apfelbaum und den vierstöckigen Plattenbau, in dem die Frau wohnt.
„Leben noch viele Menschen in diesem Haus?“
„Nur ich alleine.“
Spartakiwska-Straße 5
Wir setzen unsere Fahrt fort. Die nächste Adresse führt uns wieder zu einem Mehrfamilienhaus, obwohl es in Huljajpole nur wenige davon gibt. Die meisten Gebäude hier sind Privathäuser mit Schuppen, Anbauten, Gemüse- und Obstgärten – so wie vor hundert Jahren, als der berühmte Anarchistenanführer Nestor Machno* in der Stadt lebte. Einige dieser Häuser wurden durch feindliche Granatsplitter beschädigt, andere ausgebombt. Der Rest der Häuser ist unversehrt geblieben. Auch die Lebensmittelläden und der Markt sind weiterhin geöffnet.
Tanja und Wowa nehmen die Transportboxen und gehen zu den Einheimischen. In der Nähe streunen etwa 15 Katzen herum. Inzwischen wecke ich die Aufmerksamkeit eines breitschultrigen Mannes mit gepflegtem Hemd und Schnurrbart, der sein Auto neben unserem Kleinbus geparkt hat. Sein Name ist Olexander. Er beginnt mit uns ein Gespräch:
„Ich kann euch zeigen, wo gestern eine Rakete eingeschlagen ist.“
* Nestor Machno
Nestor Machno (* 1888 in Huljajpole, † 1934 in Paris) war ein ukrainischer Anarchist und Anführer (Ataman) der Bauern- und Partisanenbewegung Machnowschtschina (ukrainisch: Machnowschtschyna), die während des Bürgerkrieges in der Ukraine aktiv war.Es stellte sich heraus, dass die russische Artillerie die Stadt am Tag vor unserer Ankunft schwer beschossen hatte. Während Wowa und Tanja die Katzen und Hunde in die Transportboxen verteilen, führt mich Olexander um die Ecke des Gebäudes. In meinem Blickfeld taucht ein weiteres Hochhaus auf, in dem sich anstelle des Eingangsbereichs ein Loch befindet, durch das man in das dunkle Treppenhaus blicken kann. Wahrscheinlich ist hier eine der Raketen eingeschlagen. Die Fenster in allen Stockwerken sind entweder zerbrochen oder bereits mit Sperrholz vernagelt. In der Nähe sind weitere Spuren von Granatsplittern zu sehen: eine Garage mit beschädigter Stirnseite, der zerfetzte Metallzaun eines Fußballplatzes, Drähte, die wie schlaffe Schlangen auf dem Asphalt liegen. Olexander zeigt auf die beschädigte Fassade:
„Da ist meine Wohnung. Der Balkon ist völlig zerstört.“
Hin und wieder pfeift oder donnert es im Hintergrund: Die Artillerieduelle gehen weiter.
Seit dem Frühjahr 2022 leben Olexander und seine Frau in ihrer Datsche in einem anderen Teil der Stadt, etwas weiter von der Front entfernt. Dort kümmern sie sich um elf Katzen und einen großen schwarzen Hund, der einem Labrador ähnelt.
Wir kehren zurück: Olexander möchte mir noch etwas zeigen. Er holt aus dem Inneren seines Autos eine Plastikbox voller Schlüsselbunde. Sie stammen von Nachbarn und Freunden, die die Stadt verlassen haben. Olexander kontrolliert für sie, ob alles an seinem Platz bleibt, gießt Pflanzen und füttert Aquariumfische. Er hält mir die Box hin, damit ich ein Foto machen kann.
„Wo soll ich das alles hintun?“
Währenddessen haben Tanja und Wowa immer weniger leere Transportboxen übrig. Ruhige Katzen und Kater bringen sie daher zu zweit unter. Einer der Kater beginnt traurig zu maunzen.
„Ryschytschok, [spricht russisch] auf Wiedersehen, mein kleiner Kater“, sagt eine Einheimische zu ihm. Wowa setzt den Kater namens Ryschytschok („der Rothaarige“) schließlich in eine Transportbox.
Tanja hat ihre Hand nach dem Biss immer noch nicht verbunden: Darauf ist ein getrockneter Blutfleck. Sie setzt weiterhin die Tiere in die Transportboxen und erklärt den Leuten, dass sie nicht alle ihre Katzen mitnehmen kann.
Ich frage die Einheimischen, wie die Tiere auf den Beschuss reagieren.
„Wenn es starken Beschuss gibt, rennen die Hunde und Katzen mit uns die Treppe hinunter. Wenn es nicht so schlimm ist, reagieren sie überhaupt nicht. Genau so wie wir.“
Olexander stellt mir seine Frau Ira vor. Sie führt mich in die Wohnung, um mir die Folgen des gestrigen Beschusses zu zeigen. Neben dem Balkon ist auch ihr Wohnzimmer von Granatsplittern getroffen worden: Die türkisfarbene Spanndecke ist zerrissen, das Glas der vergoldeten Marienikone beschädigt. Die Ikone selbst, sagt Ira, sei wie durch ein Wunder unversehrt geblieben.
Luhowa-Straße 116
Die Luhowa-Straße liegt im nördlichen Teil der Stadt, also am weitesten von der Frontlinie entfernt. Wir halten am Hof von Petro und Olena an, um Futter für die Tiere zu übergeben. In der Nähe wächst ein Fliederbusch. In Huljajpole steht neben jedem dritten Haus ein Flieder – mit weißen oder lila Blüten.
Wir betreten den Hof, gehen um den angeleinten schwarzen Hund namens Tyson herum und gelangen durch den Flur in den Hinterhof. Das Ehepaar hat 15 Katzen und drei Katzenjunge. Olena streut sofort das mitgebrachte Futter aus und die Tiere kommen schnell herbei.
Petro und Olena füttern auch Hunde, die von ihren Nachbarn zurückgelassen wurden. Wenn sie kein Futter haben, kochen sie verschiedene Breie und Brühen für die Tiere. Manchmal fügen sie dem Brei das von den Freiwilligen mitgebrachte Dosenfleisch hinzu. Petro erzählt:
„Ich hätte nie gedacht, dass ich mit 60 Jahren so viele Katzen haben würde. Aber ich liebe Tiere. Und ohne Katzen kann ich überhaupt nicht leben. Seit meiner Kindheit bin ich an sie gewöhnt.“
Wir kehren zurück und treffen wieder auf den Hund Tyson. Petro lobt ihn, weil er gehorsam ist und niemals die Katzen anbellt. Er hockt sich vor den Hund, beginnt ihn zu streicheln und bemerkt Tränen in den Augen des Tieres. Tatsächlich hat Tyson den Kopf gehoben und schaut seinen Besitzer mit einem stillen Blick an, während unter seinen Augen feuchte Flecken zu sehen sind.
Owtschynnikowa-Straße 15
Direkt neben der Luhowa-Straße liegt die Owtschynnikowa-Straße. In diesem Viertel gibt es nur Privathäuser. Wir halten vor einem grünen Wellblechtor und rufen nach dem Besitzer. Olexij, ein kräftiger Mann in blauem Pullover, kommt heraus.
Er begrüßt uns und führt zwei Hündinnen einzeln heraus, die er am Nackenfell festhält. Wowa greift die Tiere und steckt sie in die Transportboxen. Es sind die Welpen der lebhaften Schäferhündin Herda. Insgesamt waren es sechs Welpen: Die Rüden hat Olexij schon abgegeben, aber die Hündinnen will niemand haben.
Während Herdas Besitzer in Finnland ist, hat sich Olexij bereit erklärt, sich um die Schäferhündin zu kümmern.
„Herda sprang auf, riss einen Mann vom Moped und warf ihn zu Boden. Die Soldaten wollten sie erschießen. Aber ich konnte Herda nach einer halben Stunde beruhigen – ich nahm ein Messer und sagte zu ihr: ‚Ich bring’ dich um.‘“
Bei einem russischen Beschuss wurde Herda verletzt: Ihr Hinterbein wurde zerschmettert und Granatsplitter streiften ihren Hals. Doch Olexij reinigte ihre Wunden und legte einen Verband an, und das Bein heilte. Jetzt verstecken sie sich während des russischen Beschusses immer gemeinsam.
„Als damals eine Rakete einschlug, bin ich unter das Auto gekrochen und sie mit ihren Welpen auch. Und wir lagen alle sieben da.“
Nestor-Machno-Straße 76
Diese Straße liegt im Stadtzentrum. Früher hieß sie „Straße der Dritten Internationale*“, erst 2016 wurde sie in „Nestor-Machno-Straße“ umbenannt. Ein Denkmal für Nestor Machno wurde bereits 2009 in der Stadt errichtet. Sechs Tage nach unserem Freiwilligeneinsatz, am 20. Mai 2023, wurde das mit Sandsäcken geschützte Denkmal von örtlichen Rettungskräften in ein traditionelles ukrainisches besticktes Hemd (Wyschywanka) gehüllt.
Wir fahren in den Hof eines weiteren Hochhauses. Vor dem ersten Aufgang sitzt eine ältere Frau, vor dem zweiten Aufgang nagelt ein Mann die Fenster mit Sperrholz zu. Rundherum haben sich etwa 20 Katzen versammelt, ein Schäferhund streunt umher. Uns kommt Ljudmyla entgegen, eine ältere Frau mit gepflegten blonden Haaren.
Wowa bringt ihr zwei Packungen Katzenfutter zu je 14 Kilogramm und beginnt sofort, es im Hof zu verstreuen.
* Dritte Internationale
Die Dritte Internationale, auch „Kommunistische Internationale“ (kurz „Komintern“) genannt, war ein internationaler Zusammenschluss kommunistischer Parteien, der von 1919 bis 1943 bestand.Ljudmyla kümmert sich um etwa 40 Katzen. Ungefähr die Hälfte von ihnen lebt hier in der Machno-Straße in der Wohnung ihrer Tochter und ihres Schwiegersohns, zu denen sie während des Krieges gezogen ist. Ein Teil der Katzen blieb in Ljudmylas altem Haus, in das sie täglich zurückkehrt, um die Katzen zu füttern. Vor dem russischen Überfall hatte sie nur zwei Katzen, aber dann begann sie, streunende Katzen bei sich aufzunehmen, und jetzt sind es allein in ihrem alten Haus zwölf. Ljudmyla kocht den Tieren jeden Tag große Töpfe Brei. Sie sagt, dass es im Winter am schwierigsten war, weil der Brei gefror. Sie zeigt auf ein Ofenrohr, das aus einem Fenster im ersten Stock ragt. Ihr Schwiegersohn hat es angebracht, damit es im Winter warm ist, weil niemand damit gerechnet hat, dass die Heizung funktionieren würde.
„Kuska, Waska, Tima, Schora“, Ljudmyla ruft die Katzen zum Mittagessen. Es scheint, als kenne sie alle beim Namen.
Einige Katzen wurden während des Beschusses von Granatsplittern getötet. Manchmal sterben sie auch an einer Gehirnerschütterung, die durch die lauten Explosionen verursacht wird. Nach dem gestrigen Beschuss sind alle am Leben geblieben, aber bei früheren Angriffen musste Ljudmyla tote Tiere einsammeln und begraben. Sie führt mich um die Ecke des Hauses, wo der gestrige Einschlag einer Rakete deutlich zu sehen ist. Sie hatte Glück, dass die Wohnung ihrer Tochter auf der anderen Hausseite liegt.
Trudowa-Straße 135
Jetzt fahren wir nach Süden, also in Richtung Front. Wir kommen an einem alten, dreigeschossigen Backsteingebäude vorbei, dessen Fassade mit dekorativem Gesims und Ziergiebel geschmückt ist. Wie es sich herausstellt, handelt es sich um die 1894 erbaute Dampfmühle Schröder. Zwischen dem zweiten und dritten Stock klafft ein Loch von etwa einem Meter. Ich frage mich, ob es durch den gestrigen Beschuss entstanden sein könnte. Doch es stellt sich heraus, dass das Gebäude bereits im Juni 2022 getroffen wurde.
Dampfmühle Schröder
Ein Wahrzeichen von Huljajpole und ein Beispiel der Industriearchitektur. Die Mühle, auch „Dampfmühle ‚Nadija‘ (deutsch: Hoffnung)“ genannt, wurde 1894 von dem Kaufmann Samson Saxahanskyj erbaut und 1908 von dem Huljajpoler Industriellen und Grundbesitzer David Schröder erworben.Tanja schlägt ihr Notizbuch auf und schaut auf die Seite mit dem Titel „Tiere“. Die letzte Adresse lautet: „Trudowa-Straße 135. Zwei Hunde (Spaniels)“.
„Wowa, wir sind schon bei Nummer 139. Fahr zurück!“, sagt Tanja. Wowa reagiert sofort.
Wir halten vor einem leuchtend grünen Tor. Daneben blüht ein weißer Fliederbusch.
Wowa nimmt eine lange gelbe Hundeleine aus dem Auto und springt über den Zaun. Er öffnet das Tor von innen und durchsucht den Hof. Mir fällt die gewaschene Kleidung auf, die an dicken Leinen hängt: Ein erstes Zeichen, dass hier jemand lebt. Doch dann kommt mir der Gedanke, dass die Wäsche vielleicht schon seit Ewigkeiten dort hängt.
Ich folge Wowa zwischen den Schuppen hindurch in den Hinterhof. Zuerst gehen wir an Käfigen mit Hühnern und Gänsen vorbei. Weiter hinten sehen wir einen großen, rostigen Hundezwinger und eine Hundehütte aus Holz. Es stinkt fürchterlich.
Durch das vergitterte Fenster des Zwingers bellt uns ein braun-weißer Spaniel mit fragendem Blick an. Im Zwinger liegen Haufen von trockenem Kot – es sieht so aus, als wäre hier schon lange nicht mehr sauber gemacht worden.
Ein weiterer Spaniel mit kastanienbraunem Fell ist an einer Metallkette neben der Holzhütte angeleint. Auch hier liegen mehrere Haufen Hundekot. Wowa löst die Kette und führt den Hund zum Kleinbus. Der Hund ist ungehorsam, zerrt in alle Richtungen und bellt laut.
Beim Kleinbus unterhält sich Tanja bereits mit Jurij, einem älteren Mann, der gegenüber wohnt. Er ist derjenige, der auf Bitten seines Nachbarn die ganze Zeit die Hühner, Gänse und Spaniels gefüttert hat. Jurij lebt hier mit seiner Frau und hat selbst einen großen Bauernhof. Oder besser gesagt, er hatte einen: Mit Trauer erinnert er sich an den Juni 2022, als eine Grad-Rakete in seinen Hof einschlug und 20 Hühner und 40 Nutrias tötete. Übrig blieben nur sieben Hühner und fünf Nutrias.
Mit Mühe schaffen wir es, einen der Hunde in die letzte freie Transportbox zu setzen. Den anderen Spaniel, den braun-weißen, nehmen wir mit in den Innenraum unseres Kleinbusses. Er macht es sich neben Tanja bequem, die in ihrer verletzten linken Hand das blaue Notizbuch hält und mit der rechten Hand die letzte Adresse auf der Liste abhakt. Als Wowa losfährt, legt der Spaniel seine Pfoten auf Tanjas Knie und versucht sie abzulecken.
Die Fahrt nach Huljajpole im Mai 2023 war der sechste Einsatz der Kyjiwer Tierrettungsgruppe außerhalb von Kyjiw und Umgebung. Davor haben sie Tiere in den Frontstädten Bachmut (seit Mai 2023 von Russland besetzt) und Tschassiw Jar gerettet. Nach der Fahrt nach Huljajpole fuhren sie in die Gebiete, die nach der Sprengung des Kachowka-Staudamms durch die Russen (Anfang Juni 2023) überflutet worden waren. Die Freiwilligen benötigen ständig finanzielle Unterstützung für die Reparatur ihrer Fahrzeuge, Tierfutter und Tierarztkosten.