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Der Einmarsch Russlands in die Ukraine hat die Ukrainer dazu veranlasst, ihren eigenen Stammbaum zu analysieren. Ähnliches gilt für Menschen mit ukrainischen Wurzeln, die bis 2022 vielleicht nicht einmal wussten, dass sie ukrainischer und nicht russischer Abstammung sind.

Neben Angaben über neue Verwandtschaften offenbart die Ahnenforschung zahlreiche interessante Informationen über die Geschichte, Kultur und Lebensweise verschiedener Generationen. Dies hilft, die eigene Identität und die des eigenen Volkes besser zu verstehen.

In diesem Artikel berichten wir von berühmten US-Amerikanern und Kanadiern mit ukrainischen Wurzeln. Sie sind vor allem Musiker und Filmschaffende.

Viele Prominente gehen auf die Suche nach ihrer Herkunft und drehen sogar Dokumentationen darüber. Die britische Oscar-Preisträgerin Olivia Coleman zum Beispiel segelte von England nach Indien, um etwas über ihre Ururgroßmutter herauszufinden. In den Folgen ihrer Serie erfährt man, wie gut die indischen Archive trotz der fast hundertjährigen englischen Kolonialherrschaft erhalten sind.

Der Einmarsch Russlands hat die Aufmerksamkeit der gesamten Weltgemeinschaft auf die Ukraine gelenkt. Damit stieg auch das Interesse an der ukrainischen Kultur und Geschichte. Dennoch glauben immer noch viele Menschen, dass die Ukraine irgendwo in Russland liegt.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Ukrainer anfingen auszuwandern, nahmen viele nur das Nötigste mit. Ohne die vielen zurückgelassenen Erinnerungsstücke, Fotos und Dokumente ist es heute schwierig, die ukrainische Abstammung eines Menschen nachweisen zu können.

Jack Palance und seine ukrainischen Wurzeln

Am 18. Februar 1919 wurde Wolodymyr Palahniuk in eine Familie ukrainischer Einwanderer hineingeboren. Als er Schauspieler wurde, änderte er seinen Namen zu Jack Palance. Der Oscar-, Golden Globe- und Emmy-Preisträger war stolz auf seine Herkunft: Er kannte die ukrainische Sprache und Geschichte, sang gerne ukrainische Volkslieder und trat 1964 bei der Enthüllung des Taras-Schewtschenko-Denkmals in Washington auf.

Jack Palance reiste mehrmals in die Ukraine, unter anderem auch nach Kyjiw. Er war Vorstandsvorsitzender der Hollywood Trident Foundation, einer Wohltätigkeitsorganisation, die die Zusammenarbeit zwischen Kunstschaffenden förderte. Sie realisierte verschiedene Projekte über die Kultur und Geschichte der Ukraine. Die Trident Foundation arbeitet eng mit der Ukrainischen Stiftung zur Erinnerung an die Opfer des Holodomors zusammen und interviewt Überlebende.

Im April 2004 fand in Los Angeles die Veranstaltung Russian Nights Fests statt, die unter der Schirmherrschaft des russischen Präsidenten stand. Der Höhepunkt des Festivals war eine Zeremonie in Hollywood, bei der amerikanische Künstler (Schauspieler, Theatermacher, Musiker) russischer Abstammung den Titel „Volkskünstler der Russischen Föderation“ erhielten.

„Ich bin ein Ukrainer, kein Russe, ich habe nichts mit dem russischen Kino oder Russland zu tun.“ Mit diesen Worten lehnte Jack Palance den Titel ab. Daraufhin verließ er zusammen mit Peter Borisov, dem Präsidenten der Hollywood Trident Foundation, die Veranstaltung.

Peter Borisov kommentierte später die Aussage von Dustin Hoffman, der an diesem Abend von Russland ausgezeichnet wurde. Hoffmann dankte dem russischen Volk für den Sieg über Nazi-Deutschland und die Rettung seiner Großeltern, die „aus Kyjiw kamen, das in Russland liegt“:

„Ich finde es tragisch, dass Dustin nicht einmal seine eigene Familiengeschichte kennt. Seine Ignoranz gegenüber den Fakten ist schockierend. Durch seine Unterstützung des Festivals verhöhnt er – hoffentlich unwissentlich – die Ukrainer und damit auch seine eigene Person.“

Bill Evans

Einer der einflussreichsten Jazzmusiker der Geschichte, der mehrmalige Grammy Awards-Gewinner Bill Evans wurde 1929 in New Jersey (USA) als Sohn von Harry und Mary Evans (geb. Maria Soroka) geboren.

Bills Großeltern sprachen ukrainisch und bezeichneten sich selbst als Russinen oder „Karpatorussen“ aus Galizien. Seine Großmutter wollte Bill das Lesen auf Ruthenisch beibringen, doch die Mutter war dagegen.

Solche Fälle von Entfremdung der Kinder von ihrer wahren Abstammung und nationalen Kultur führen dazu, dass sie vielleicht nie erfahren, woher ihre Familie stammt. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen Emigranten ihre ukrainische Herkunft verleugnen, weil sie sich in einem neuen Land assimilieren wollen oder unter Druck russischer Propaganda stehen.

Bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion war nur wenig über die Ukraine als unabhängiges Land bekannt, und selbst dann vermittelte die russische Propaganda ein entstelltes Bild von Menschen mit ukrainischen Wurzeln.

Natalie Wood

Natalie Wood machte in den 50er und 60er Jahren Schlagzeilen, jedoch wussten nur wenige, dass ihr richtiger Name Natalia Sacharenko war. Ihre Rollen in den Filmen „West Side Story“ und „The Great Race“ machten sie zu einem beliebten Hollywood-Star. Die Schauspielerin wurde 1938 in einer ukrainischen Familie geboren, die in die USA ausgewandert war. Ihr Vater Mykola Sacharenko war ein gebürtiger Ukrainer.

Natalia spielte schon mit vier Jahren ihren ersten Cameo-Auftritt im Film „Happy Land“. Danach beschlossen ihre Eltern, Sacharenko in einen „schickeren“ Nachnamen zu ändern – Gurdin.

Die Geschichte der freiwilligen „De-Ukrainisierung“ des Nachnamens (und manchmal auch des Vornamens) ist nicht neu. Bei der Registrierung in den amerikanischen Behörden wählten neu angekommene ukrainische Einwanderer oft amerikanisch klingende Namensformen, um sich leichter zu assimilieren. Auch wenn diese Entscheidung ihnen die Eingewöhnung erleichterte, erschwerte es andererseits den Zeitgenossen bzw. den künftigen Nachkommen, Verwandte zu finden und die eigene Abstammung zu untersuchen.

Rick Danko

Der Kanadier Rick Danko wurde durch die legendäre US-amerikanische Rockband The Band berühmt, die vor allem in den späten 60er und frühen 70er Jahren populär war. Dort war er Sänger und spielte Bass, Kontrabass und Geige. Seine Großeltern väterlicherseits waren Joseph und Paraskewija Danko, in der Ukraine geboren und später nach Kanada ausgewandert.

Kanada hat eine der größten ukrainischen Diasporas und viele Kanadier ukrainischer Abstammung haben es in verschiedenen Bereichen zum Ansehen gebracht. Viele ihrer Nachkommen thematisieren ihre Abstammung nicht, sodass es für Menschen in der Ukraine manchmal überraschend ist, dass weltberühmte Künstler, Sportler oder Wissenschaftler aus der Ukraine stammen.

Mitte der 1960er Jahre wurde The Band als Band von Bob Dylan bekannt, und ihre Konzerttournee 1966 war das erste elektrische Konzert Dylans. 1968 wurden sie mit ihrem Debütalbum „Music From Big Pink“ sofort populär. Bob Dylan selbst ist ukrainisch-jüdischer Abstammung, und Dylans Großeltern väterlicherseits, Anna Kyrgyz und Sigman Zimmerman, wanderten Anfang des 20. Jahrhunderts aus Odessa aus.

The Band kombinierte in ihrem Sound Country, Rock, Folk, Klassik, R&B, Blues und Soul. The Band wurde 1989 in die Canadian Music Hall of Fame und 1994 in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Das Magazin Rolling Stone setzte sie 2004 auf Platz 50 seiner Liste der 100 größten Künstler aller Zeiten.

Tony Levin

Tony Levin, einer der größten Bassisten unserer Zeit, der mit Pink Floyd, King Crimson, Yes sowie den Sängern Peter Gabriel, David Bowie, Paul Simon, John Lennon, Lou Reed, Tom Waits u.a. spielte und an der Entstehung von mehr als 500 Alben verschiedener Künstler beteiligt war, hatte auch ukrainische Wurzeln. Nach seinem Konzert in Kyjiw 2012 sagte Tony Levin, dass er oft als Tourist in die ukrainische Hauptstadt kommt.

Zuvor veröffentlichte der Musiker auf seiner Webseite einen Bericht über seine Reise in die Ukraine:

„Meine Großeltern stammten aus der Stadt Berdytschiw, aber dann zogen sie in die Kleinstadt Ostropil (heute das Dorf Staryi Ostropil in Podillja – Anm.), wo dann schließlich meine Mutter zur Welt kam“.

Tony Levin reiste speziell in dieses Dorf und schrieb später gemeinsam mit seinem Bruder Pete ein Lied, das ihrer kleinen Heimat gewidmet ist. Dies ist einer der wenigen Fälle, in denen Ausländer aus Interesse an ihrer Herkunft und aus Respekt vor ihren Vorfahren in ein ukrainisches Dorf kommen, um auf eigene Faust Informationen über ihre Verwandten herauszufinden: Sie besuchen den Dorffriedhof, versuchten, mit den Einheimischen zu kommunizieren usw.

Solche Geschichten sind selten, aber sie beweisen einmal mehr, dass die Ukrainer sich mit der Bewahrung des nationalen Gedächtnisses befassen müssen. Dies umfasst u.a. Die Aufbewahrung und Digitalisierung von Archiven, die Pflege von Friedhöfen sowie die Erstellung von Suchplattformen in anderen Sprachen, um Ausländern die genealogische Forschung zu erleichtern.

Melanie Safka

Die Sängerin Melanie, die mit Nachnamen Safka heißt, ist ein berühmter Star der siebziger Jahre, ein Symbol des „Woodstock-Festivals“. Sie ist Sängerin, Gitarristin, Komponistin und Schriftstellerin und trat als erste Pop-Rock-Sängerin in den berühmtesten klassischen Konzertsälen auf: Carnegie Hall, Metropolitan Opera und Sydney Opera House. Sie war die erste Popkünstlerin, die vor der UN-Vollversammlung sang. Berühmt wurde die Sängerin 1971-1972 mit ihrem Song Brand New Key, der Coverversion von Ruby Tuesday von Rolling Stones, What Have They Done to My Song Ma und ihrem Hit Lay Down (Candles in the Rain) von 1970.

Melania Anna Safka wurde am 3. Februar 1947 in New York als Tochter von Einwanderern geboren. Ihr Vater, ein Ukrainer, war Inhaber einer Discounter-Kette, ihre Mutter, eine Italienerin, war Jazzsängerin. Der Ehemann und Produzent der Sängerin, Peter Schekeryk ist ebenfalls ukrainischer Abstammung.

„Ich würde gerne für die Ukrainer singen. Mein Mann, Peter Schekeryk, ist in der Ukraine geboren und singt ukrainische Lieder, sie sind fantastisch.“, sagte sie 1978.

Michael Bolton, David Duchovny, Lenny Kravitz und Vera Farmiga: moderne Stars mit ukrainischen Wurzeln

Der ursprüngliche Nachname von Michael Bolton, des Pop-Superstars der 80er Jahre, war Bolotin. In seinem Buch „The Soul of It All: My Music, My Life“ schreibt er:

„Ich vermute, dass meine Stimme von meiner Mutter kommt, die über einen klangvollen Sopran verfügte. Wenn meine Stimme jedoch aus den Tiefen meiner Familiengeschichte stammt, so gab es unter meinen ukrainischen Vorfahren in Kyjiw möglicherweise einen rockigen Kantor.“

Der US-Amerikaner Michael Bolton (geb. 1953) wurde in den späten 1980er Jahren mit einer Reihe von Pop-Rock-Balladen bekannt. Der Sänger verkaufte mehr als 75 Millionen Tonträger, nahm acht Alben auf, die die Top 10 der Billboard-Charts erreichten, und zwei Singles, die auf Platz Eins der Charts landeten. Er gewann auch sechs American Music Awards und zwei Grammies.

Der Großvater des amerikanischen Schauspielers David Duchovny (geb. 1960) war Moshe Duchovny, ein Emigrant aus der zentral-ukrainischen Stadt Berdytschiw, der Anfang des 20. Jahrhunderts als Schriftsteller und Journalist in New York tätig war. Die Großmutter von David Duchovny war eine polnische Einwanderin.

Während der ukrainischen Revolution der Würde (2013-2014) twitterte David Duchovny, dass er ein Ukrainer sei:

„Ich bin mit dem Gedanken aufgewachsen, Russe zu sein, aber erst jetzt habe ich erkannt, dass ich schon immer Ukrainer war. Es ist nie zu spät, seine Einstellung zu ändern.“

Bekannt wurde der Schauspieler durch die Serie „Akte X“ (oder „Top Secret“), in der er den FBI-Agenten Fox Malder spielte, und die Fernsehserie „Californication“. Beide Rollen brachten ihm den Golden Globe Award ein.

Der berühmte Sänger Lenny Kravitz (geb. 1964) sagte bei seinem letzten Besuch in Kyjiw im Jahr 2008: „Es ist schön, wieder zu Hause zu sein“. Tatsache ist, dass Lennys Großvater aus Kyjiw stammte. Er war ein ukrainischer Aschkenase (aschkenasischer Jude), der nach New York zog. Der Nachname Kravitz ist die amerikanisierte Version des ukrainischen Nachnamens Kravets (übersetzt ins Deutsche: Schneider).

Lenny selbst erwähnte wiederholt seine Verbundenheit mit der Ukraine und betonte in Interviews, dass sein Großvater aus der Hauptstadt der Ukraine stammte. Deshalb besuchte er mehrmals Kyjiw und traf sich u.a. mit Historikern, die die Geschichte der ukrainischen Juden untersuchen, da dies auch Teil seiner Identität ist.

Lenny Kravitz verkaufte über 40 Millionen Alben weltweit. Er gehört zu den 100 Greatest Hard Rock Artists und bekam 2011 den französischen Order der Künste und der Literatur (Ordre des Arts et des Lettres). Auch spielte er in der Filmreihe Hunger Games.

Die amerikanische Schauspielerin Vera Farmiga (geb. 1973) bezeichnet sich selbst als „hundertprozentig ukrainisch“, denn obwohl sie in den USA geboren wurde, sprach sie bis zu ihrem sechsten Lebensjahr kein Englisch.
Sie besuchte eine ukrainische Schule in New Jersey, trat mit der Tanzgruppe „Sizokryli“ auf und war Mitglied von Plast.

Plast
Ukrainischer Kinder- und Jugend-Pfadfinderbund, gegründet 1911. Besonders weitverbreitet in der Westukraine, war die Organisation zu Sowjetzeiten verboten. Im Ausland gibt es große Plast-Verbände, unter anderem in Kanada, in den USA und Argentinien.

Seit Beginn des russischen Angriffkriegs unterstützt Vera Farmiga die Ukraine auf jede erdenkliche Weise: Sie rezitiert ukrainische Gedichte, spielt bei ihren Konzerten Aufnahmen des Luftalarms ab, um die Amerikaner auf die Lebensbedingungen der Ukrainer aufmerksam zu machen, ruft zu Waffenlieferungen auf und vieles mehr.

Vera Farmigas erfolgreichste und von der Kritik am meisten gelobte Filme sind Down to the Bone (2004), The Manchurian Candidate (2004), The Departed (2006), The Boy in the Striped Pyjamas (2008), Up in the Air (2009) und Annabelle Comes Home (2019). Ihre berühmteste Rolle im Film Up in the Air (2009) brachte ihr die Oscar-Nominierung, Golden Globe und BAFTA als beste Nebendarstellerin sowie den Screen Actors Guild Award ein. Für ihr Regiedebüt 2011 Der Ruf nach Gott (Originaltitel: Higher Ground) wurde sie mit dem Gotham Independent Film Award für die beste Nachwuchsregie ausgezeichnet.

Berühmte Nachkommen der ukrainischen Juden im Exil

Den vielleicht größten Beitrag zur Weltkultur leisteten die Nachkommen ukrainischer Juden, die aufgrund der Pogromwellen im Russischen Reich Ende des 19. – Anfang des 20. Jahrhunderts in die USA auswanderten, die meisten stammend aus Odessa: Musiker und Dichter Bob Dylan, Filmregisseur Steven Spielberg, Illusionist David Copperfield, Dirigent Leonard Bernstein, Komponist George Gershwin, Sängerin Amy Winehouse, Schauspieler Sylvester Stallone, Dustin Hoffman, Leonard Nimoy, Lev Schreiber und andere.

Die Multikulturalität der Ukraine und der Beitrag der nationalen Gemeinschaften zu unserer gemeinsamen Existenz sind Themen, die die Ukrainer erst allmählich anfangen zu begreifen. Dies ist Bestandteil unserer kollektiven Identität, die aus unzählbaren Familiengeschichten besteht.

Beitragende

Gründer von Ukraїner:

Bogdan Logwynenko

Autor des Textes:

Oleksandr Ljutyj

Redakteurin:

Anja Jablutschna

Bildredakteur:

Jurij Stefanjak

Übersetzer:

Iryna Sachse

Übersetzungsredakteur:

Oleksiy Obolenskyy

Korrektor:

Constanze Aka

Content-Manager:

Anastasija Schochowa

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