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Von den mehr als 30.000 ethnischen Deutschen, die sich seit der Fürstenzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts in fast allen Regionen der Ukraine niederließen, leben etwa dreitausend in den Städten und Dörfern Transkarpatiens. Hier blieben die Traditionen, die lokalen Sprachdialekte und die Kultur der deutschen Kolonisten, deren Nachkommen in anderen Teilen des Landes sich größtenteils assimilierten, am besten erhalten.

Die deutschen Siedlungen in Transkarpatien wurden bereits zum ersten Mal in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erwähnt. Damals kamen hierher Handwerker aus Niedersachsen, um die nach den Raubzügen der Kumanen (Polowtser) (Anm.: ein Tataren-Stamm) zerstörten Dörfer und Städte wieder aufzubauen und neue zu errichten. Später, im 18. Jahrhundert, gab es mehrere deutsche Massenumsiedlungen in diese Region.

Im Jahre 1711, nach der Niederlage des siebenbürgischen Fürsten Ferenc II Rakoczi bei einem Aufstand gegen die Habsburger, erhielt Erzbischof Lothar Franz von Schönborn Güter und Länder durch Kaiser Karl VI. von Habsburg. Infolgedessen begann das bayerische Geschlecht von Schönborn, deutsche Handwerker in die zerstörten Bergdörfer zu schicken, um die Gebiete und Ortschaften wieder aufzubauen und zu bewirtschaften.

Die damals errichteten deutschen Siedlungen wurden Kolonien genannt. Das Land Transkarpatien war territorial in Herrschaften unterteilt, zu denen Städte und Dörfer gehörten, die durch Feudalherren, Kirche und Staat regiert wurden. Später wurde Transkarpatien von den Wiener Grafen von Schönborn geerbt, die begannen, deutsche Kolonisten aus Oberösterreich einzuladen. Im Gegensatz zu den Bayern, widmeten die Österreicher mehr Aufmerksamkeit auf die Landwirtschaft, den Obstgärten und dem Weinbau zu.

Die zweite Umsiedlungswelle der Deutschen nach Transkarpatien geschah unter der Kaiserin Maria Theresia, die den deutschen Handwerkern günstige Bedingungen bot: Familien wurden auf öffentliche Kosten mit Land versorgt und jahrelang von Steuern befreit. Ziel war es, die Salz- und Holzindustrie in den dünn besiedelten Gebieten zu entwickeln. Damals bauten die deutschen Kolonisten die Burg Palanok wieder auf und errichteten Fabriken in den Städten Swaljawa, Beregowe, Hrabiwnyzja, Pidhorjany und Mukatschewo. In Transkarpatien wurden insgesamt 13 deutsche Ortschaften aufgebaut, darunter Pawschyno (Pausching), Schönborn, Nyschnij und Werkhnij Koropez (Unterer und Oberer Koropez), Tschynadijowo, Kljutscharky, Kutschawa, Synjak und Sofijiwka.

Trotz ihrer vergleichbar geringen Anzahl engagieren sich die Deutschen Transkarpatiens im öffentlichen Leben — sie lernen die Sprache und die Geschichte ihrer Vorfahren, feiern traditionelle deutsche Feiertage und organisieren Feste.

Schwalbach. Wolodymyr Zanko

Das erste Zentrum für deutsche Kultur in Transkarpatien in der unabhängigen Ukraine ist die Gesellschaft der Deutschen in der Stadt Swaljawa. Deren Gründer, der ethnische Deutsche Wolodymyr Zanko, erzählt die Geschichte seiner Familie. Wolodymyrs Mutter, eine Deutsche names Bauer, wurde in Bessarabien geboren, wo sich damals auch Deutsche niederließen. Sein Vater war ein Ukrainer aus Swaljawa. Die Beiden wurden von den Sowjets für 10 Jahre nach Sibirien geschickt; die Mutter wegen ihrer Herkunft, und der Vater als Kriegsgefangener, denn er diente in der ungarischen Armee.

„Sie haben nach dem Krieg geheiratet. Kennengelernt haben sie sich in Sibirien. Nach dem Krieg wurden sie unterdrückt, weil die Mutter eine ethnische Deutsche war und deswegen verfolgt wurde.“

Die Geschwister von Wolodymyr wurden in Sibirien geboren. Seine Mutter und sein Bruder leben schon seit vielen Jahren in Deutschland. Wolodymyr selbst hat beschlossen, in Transkarpatien zu bleiben:

„Ich liebe die Ukraine, meine Familie will nicht nach Deutschland gehen.“

Swaljawa wurde erstmals im 12. Jahrhundert als eine kleine Siedlung des ungarischen Feudalherren Bet-Betke erwähnt. Im 18. Jahrhundert wurde die Ortschaft der Österreichisch-Ungarischen Monarchie angeschlossen und hieß Schwalbach. Diese Gebiete gingen später an den Grafen von Schönborn und seine Nachkommen über, die hier über 200 Jahre Landwirtschaft betrieben. Allmählich wurde Swaljawa eine multinationale Stadt, in der ein bedeutender Teil der Bevölkerung ethnische Deutsche waren.

In der Gesellschaft der Deutschen Transkarpatiens gründeten Wolodymyr Zanko und seine Kollegen die Pop- und Folkloregruppe „Schwalbach“ (nach dem vorigen Namen der Stadt), die bereits den Titel eines Volksensambles der Ukraine erhalten hat.

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Bereits seit seiner Kindheit hörte Wolodymyr deutsche Lieder von seiner Mutter und von älteren Menschen. Schon als Schüler beherrschte er Zimbel, Flöte, Trompete und Gitarre und spielte in einem Orchester. Später versuchte er, zusammen mit anderen Musikern deutscher Abstammung eine Band zu gründen.

Damals gab es in Swaljawa mehrere ethnische Gemeinden, u.a. die ungarische und die slowakische, daher beschlossen die ethnischen Deutschen, auch eine eigene Gemeinde zu gründen. Wolodymyr erinnert sich, dass zum Zeitpunkt der Vereinsgründung etwa tausend deutsche Familien in der Stadt lebten.

„Dies ist ein sehr eindeutiges Ziel — die Traditionen, die Geschichte und die Kultur des deutschen Volkes zu bewahren. Die Integration, die Bereicherung. Das ist für uns von sehr großer Bedeutung, insbesondere hier, bei uns in Transkarpatien, denn wir sind eine multinationale Region.“

Die Aktivisten nahmen mit der in Odessa ansässigen und von Deutschland finanzierten Stiftung „Gesellschaft der Entwicklung“ Kontakt. Diese Stiftung unterstützt deutsche Organisationen in der Ukraine. Nach einigen Verhandlungen wurden Anträge gestellt, und die Band bekam die notwendige technische Grundausstattung. Das Repertoire der Band umfasst sowohl deutsche als auch ukrainische Lieder. Wolodymyr sagt, dass die Deutschen aus Transkarpatien bei gemeinsamen Treffen hauptsächlich Ukrainisch sprechen, aber zugleich wird darauf geachtet, die deutsche Sprache — insbesondere unter jungen Menschen — zu fördern.

„Wir leben in der Ukraine. Natürlich ist unsere Heimatsprache Ukrainisch, aber unsere Muttersprache ist Deutsch.“

Einige Lieder hörten die Musiker von ihren Eltern, andere sammelten sie drei Jahre lang in den Dörfern Transkarpatiens. Es war eine Expedition nach Schönborn, Pawshyno, Werkhnij Koropez, Grabiwnyzja und Synjak. Zuerst schrieben sie die Texte auf; danach fingen sie an, die Musik zu arrangieren, die an ein Varieté-Format angepasst wurde. Leider nimmt die Zahl der Deutschen in Transkarpatien ab, trotzdem möchte man die Traditionen des Brauchtums weiterentwickeln und verbreiten, so die Musiker.

Bei Auftritten auf Festivals spielt die Band meist lustige, humorvolle Lieder wie z.B. Lustig ist das Zigeunerleben, Schwarzwaldmarie und Suzanna. Früher war die Situation anders: Die ältere Generation sang überwiegend leidgetragene und traurige Lieder. Der Grund dafür waren die Jahre der Unterdrückung durch die Sowjets, die sie ertragen mussten.

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Das Ensemblemitglied Gabriel Kmeti, ein ethnischer Deutscher, erklärt, dass solche Lieder Erinnerungen an die Heimat hervorrufen:

„Durch diese erinnerten sich unsere Vorfahren, die in den Straflagern waren und die sich nach ihrer Heimat sehnten — auch nach Deutschland, woher sie stammten.“

Gabriels Vorfahren, die mehr als ein Jahrhundert in der Ukraine lebten und Holzfäller waren, litten später wegen ihrer bayerischen Herkunft. Insbesondere der Urgroßvater des Musikers, Karol Sterbau, der in Dorndorf eine Holzverarbeitungsfabrik eröffnete. Die sowjetischen Behörden verstaatlichten die Fabrik 1945 und schickten den erfolgreichen Handwerker und Unternehmer deutscher Abstammung nach Sibirien. Glücklicherweise gelang es den Nachkommen der unterdrückten Deutschen, nach Transkarpatien zurückzukehren, das zu ihrer Heimat wurde.

Traditionen transkarpatischer Deutscher

Ethnische Deutsche aus Transkarpatien bewahren ihre kulturelle Identität durch Traditionen, Feiertage und Bräuche. Nach dem Glauben sind sie römisch-katholisch, und die Kirche ist für sie ein Gemeinschaftsraum.

Die Gemeinde trifft sich zu Weihnachtsfeierlichkeiten, Ostern, Pfingsten, Muttertag. Die Deutschen fahren oft in andere Dörfer, um dort auch mitzufeiern. Sie haben den engsten Kontakt zu den Gläubigen derjenigen Pfarreien, in denen ihr Priester dient. In Transkarpatien gibt es zwei Priester deutscher Abstammung: Beide sprechen gut Ukrainisch, aber sie halten den Gottesdienst in der Kirche überwiegend in deutscher Sprache.

Die Deutsche Transkarpatiens feiern Weihnachten bereits in ukrainischen Traditionen; auch Fastenspeisen werden zubereitet. Man sagt, man habe sich an die ukrainischen Bräuche angepasst. Zum Beispiel werden an Ostern Essenskörbe mit bemalten Eiern geweiht, obwohl dies eine typisch ukrainische Tradition ist. Für die Deutschen ist das Ostersymbol ein Hase, der Ostereier bringt. So verstecken Erwachsene am Sonntag normalerweise Ostereier im Garten oder im Beet, wobei die Kinder mit Spaß und Freude nach Eiern und anderen Geschenken suchen.

Die Deutschen feiern auch Fasching — ein Karneval vor Ostern, welcher teils mit der ostslawischen „Masleniza“ identisch ist. Vierzig Tage vor Ostern zieht man farbenfrohe Kostüme an und malt sich die Gesichter an. Zugleich bereitet man sich vor, nach diesen freudigen Feierlichkeiten eine vergleichweise ruhigere Fastenzeit zu haben. Der Muttertag ist bei den ethnischen Deutschen noch seit ihrer Kindheit in Erinnerung geblieben, als sie jedes Jahr am zweiten Maisonntag die Blumen für die Mutter pflückten oder sich andere Glückwünsche ausdachten. Die Deutschen feiern auch Kirchweih — den Jahrestag der Kircheneinweihung.

Tschynadijowo. Walerija Osowska

Es ist ziemlich schwierig, in Transkarpatien eine Siedlung zu finden, wo kein Vertreter der Schönborn-Dynastie seine Hand im Spiel gehabt hätte. In Zeiten der österreichisch-ungarischen Monarchie (und bis 1944) hatte Tschynadijowo einen anderen Namen — St. Miklos. Nahe der Stadt errichtete der letzte Graf der Schönborn-Dynastie das elegante Schloss Beregvár mit flächigen Jagdgebieten. Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen diese Territorien an die Kolchosen über, in der Burg und deren Umgebung wurde das Sanatorium „Karpaty“ eröffnet.

Die ethnische Deutsche Walerija Osowska lebt in Tschinadijowo und verwaltet das Informationszentrum aller deutschen Organisationen in der Region. Ihre Familie ist gemischt, wie auch die meisten Familien dort: Ihre Mutter ist Ukrainerin und ihr Vater ist Deutscher. Walerija sagt, dass sie früher — als ihre Großeltern noch lebten, die fast kein Ukrainisch sprachen — den schwäbischen Dialekt gesprochen hat. In der Schule, die Walerija als Kind besuchte, war Deutsch die erste Fremdsprache. Dies ermutigte nicht nur Kinder mit deutschen Wurzeln, sondern auch die Nachbarn aus der nahen Umgebung, die Sprache zu lernen, damit man sich leichter verstehen konnte. Walerija und ihr Mann wurden jedoch gleichermaßen verspottet. In den 1970er Jahren könnte man oft Witze über die „Fritzen“ hören.

„Als meine Großeltern noch lebten, kannten wir die ukrainische Sprache überhaupt nicht. Wir gingen zur Schule und die Kinder machten sich über uns lustig. Und es war manchmal bedauerlich, dass es so war.“

Allmählich begann der schwäbische Dialekt nachzulassen, die Kinder fingen an, sich auf Hochdeutsch zu verständigen.

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Die Familie Osowski wurde auch von den sowjetischen Behörden unterdrückt. Laut Walerija wurden die Vorfahren ihres Mannes wegen ihrer deutschen Herkunft nach Sibirien ins Exil geschickt.

Im örtlichen Klub der Deutschen Gemeinde von Tschynadijowo erklingt laute Musik: Die Kinder in deutschen Trachten tanzen Volkstänze. Die Tagesstätte bietet auch Kurse für ältere Menschen, die oft hierher kommen, um zu kommunizieren.

In der Nähe von Tschinadijowo gibt es ein weiteres Dorf, in dem mehrere Familien der ukrainischen Deutschen leben. Man sagt, das Bergdorf Synjak sei nach der blauen Farbe des Heilwassers aus dem Blauen See benannt worden, der hier einst von einheimischen Hirten entdeckt wurde. Der Legende nach wurde die Herde, die in der Nähe des blauen Wassers weidete, nie krank, weil das Wasser heilende Eigenschaften hatte. Später baute man hier ein Kurort und ein Sanatorium. Die deutsche Sprache in Synjak wird nicht nur im Schulunterricht oder in einzelnen Haushalten gesprochen, sie ist auch im Gottesdienst zu hören. Nach dem Zerfall der Sowjetunion kam in das Dorf der deutsche Priester Josef Trunk. Man erzählte ihm von der während der Sowjetzeit zerstörten Holzkirche, die noch zu Zeiten der Grafen von Schönborn erbaut wurde. Joseph Trunk fand Sponsoren und initiierte den Bau einer neuen römisch-katholischen Kirche an der gleichen Stelle.

Deutsches Brot und ein neuer Name. Josef Kaloj

Das Dorf Barbowo bei Mukatschewo ist unter mehreren Namen bekannt: Die Ungarn nannten es Bárdháza, die Ukrainer — Borodiwka oder Barbowo und die Deutschen — Barthaus. Einheimische kennen mehrere Legenden über die Etymologie des Dorfnamens. Gemäß einer, stand hier einst ein Haus, das mit dichten Weinbergen bewachsen war und schließlich wie ein Bart aussah. Seitdem wurde das Haus „bärtig“ genannt. Historischen Aufzeichnungen zufolge ähnelte die Architektur im Dorf den deutschen Fachwerkhäusern ohne Holzböden. Die Deutschen in Transkarpatien lebten hauptsächlich in Häusern mit Dreikammerplanung mit einem Seiteneingang, der in die Hausdiele oder in die Küche führte. Ihre Häuser hatten normalerweise einen Erdboden, ein Strohdach und einen offenen Schornstein.

Der ethnische Österreicher Josef Kaloj hat in Barbowo eine Bäckerei. Neben dem Unternehmertum engagiert sich der Mann seit vielen Jahren im Rat der Deutschen der Ukraine – eine Organisation, die Interessen der ethnischen Deutschen vertritt. Josef ist Leiter des Deutschen Kulturzentrums in Barbowo und aktiver Teilnehmer regionaler Informationstreffen.

Josefs Vorfahren ließen sich während einer der Massenumsiedlungswellen in Barbowo nieder, als viele österreichische und deutsche Familien nach Transkarpatien kamen, um Landwirtschaft zu betreiben. Kaloj ist der zweite Nachname von Josef. Infolge der regionalen Magyarisierungspolitik (die Assimilation nichtungarischer Staatsbürger auf dem österreichisch-ungarischen Gebiet) wurde seine Familie gezwungen, den ursprünglichen Nachnamen Köbel zu ändern — damals wurden die Familiennamen ausländischer Herkunft in Geburtsurkunden zwangsweise in ungarische geändert.

Josef war früher ein Bauer, aber jetzt ist sein Lebenswerk die Bäckerei. Der Geschäftsmann erinnert sich, wie er einst nach Deutschland und Österreich reiste und dort verschiedene Backtechniken kennenlernte, um später seine Auslandserfahrung zu Hause in Transkarpatien einzusetzen.

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In den späten 1990er Jahren lieferte Kaloj das frisch gebackene Brot mit dem eigenen Fahrzeug auf der gesamten Strecke von Mukatschewo bis Barbowo: Er hupte, damit die Dorfbewohner auf die Straße hinauskommen, um frische Backwaren zu kaufen.

„Wir haben sehr klein angefangen, nur zwei bis drei Öfen pro Tag. Aber dann, 1998, gab es hier ein großes Hochwasser und alle Bäckereien in Mukatschewo, die damals noch staatlich waren, wurden überflutet. Und auf einmal wurde das Brot knapp.“

Jeden Tag werden in den Öfen, die der Mann aus Österreich mitbrachte, tausend Brote gebacken. Die Familie Kaloj versuchte auch, nach Originalrezepten Graubrot — das hausgemachte deutsche Brot — zu backen. Die dortige Herstellungstechnik mit vielen Zutaten und Gewürzen konnte sich jedoch im transkarpatischen Dorf nicht durchsetzen. Josef fügt hinzu, dass es früher keinen großen Wettbewerb unter den Bäckern gab, aber seitdem fast jeder Supermarkt eine eigene Bäckerei hat, ist es schwieriger geworden, auf dem Brotmarkt zu bestehen.

„Ich habe immer noch einige Chancen, da ich keine Verstärker, keine chemischen Zutaten hinzufüge; in meinem Brot gibt es keine Nahrungsergänzungsmittel.“

Josefs Frau ist Ukrainerin, daher wurden die Kinder zweisprachig großgezogen. Die Frau sagt mit einem Lächeln, dass es für sie schwierig war, sich daran zu gewöhnen, weil sie, als eine aus Galizien stammende Person, erst lernen musste, Transkarpatisch zu sprechen und dann noch Deutsch zu verstehen.

Mit den Kindern spricht Josef Deutsch, mit den Enkelkindern spricht aber jeder Ukrainisch. Josef gibt selbst zu, dass er kaum Ukrainisch sprach, bevor er in die Schule ging.

„Es gab hier ein paar ukrainische Familien, nicht alle Kinder sprachen Deutsch. Es war für uns zehn Kinder schwieriger, die ukrainische Sprache zu lernen, als für die wenigen anderen Kinder die deutsche.“

Das Ehepaar sagt, sie hatten nie den Wunsch, die Ukraine zu verlassen. Obwohl ihre Kinder im Ausland eine Ausbildung bekamen, wollten sie auch nicht im Ausland leben und kehrten nach Transkarpatien zurück. Jetzt ist Josefs ganze Familie und sein Lebenswerk hier, in Transkarpatien.

Überschwemmung in Transkarpatien 1998
Eine Naturkatastrophe, als starke Regenfälle und die daraus folgenden über die Ufer getretene Flüsse fast 120 Siedlungen in der Region überfluteten.

Julia Taips

„Grüß Gott!“, wird Josef von Julia Taips, einer Journalistin, Deutschlehrerin und Leiterin der öffentlichen Organisation „Deutsche Jugend Transkarpatiens“ begrüßt. Sie lernten sich bei einem Regionaltreffen ethnischer Deutscher kennen und bleiben bis heute im Kontakt. Trotz der Tatsache, dass Josef eine österreichische und Julia eine deutsche Herkunft hat, nennen sich hier alle „Deutsche“.

Über die Sprache der transkarpatischen Deutschen sagt Julia: Jedes Dorf hat seinen eigenen spezifischen Dialekt, aber es wird allgemein angenommen, dass die Personen deutscher Herkunft Schwäbisch sprechen. Diese Bezeichnungen sind so tief verwurzelt, dass die Deutschen Transkarpatiens diese Begriffe im Alltag immer noch verwenden. Gleichzeitig stellt Julia fest, dass dies nicht ganz richtig ist, denn die einheimischen ethnischen Deutschen sprechen eigentlich kein Schwäbisch, sondern einen speziellen deutschen Dialekt, der nur in Transkarpatien existiert.

„ ‚Schwaben‘ — so wurden zu Zeiten der Österreich-Ungarischen Monarchie alle Deutschen genannt, die außerhalb Deutschlands oder des deutschsprachigen Raums lebten. Obwohl es keinen historischen Beleg darüber gibt, dass ethnische Deutsche in Transkarpatien gerade aus Schwaben gekommen sind.“

Julia Taips lebt mit ihrer Familie im Dorf Kljutscharki, aus dem ihre Vorfahren stammen. Natalia Taips, die Mutter von Julia, sagt, dass die Traditionen durch die ältere Generation weitergegeben wurden. Sie folgten den religiösen Bräuchen, besuchten den Gottesdienst, feierten gemeinsam Ostern und Weihnachten und lehrten ihre Kinder und Enkelkinder, die eigene Kultur und Sprache in gleicher Weise zu schätzen und zu lieben. Für Natalia Taips ist Deutsch ihre Muttersprache und Ukrainisch ihre zweite Muttersprache. Aber Julia sagt, dass sie zwei gleichwertige Muttersprachen hat, und sie kann sich nicht erinnern, zu welchem Zeitpunkt sie zweisprachig wurde.

„Ich bin mir sicher, dass es definitiv notwendig ist, gut Ukrainischzu sprechen, weil es ein Teil unserer Seele, unserer Nationalität ist.“

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Julia zieht ihren Sohn auch in einer zweisprachigen Umgebung auf, da ihr Ehemann Ukrainer ist. Deutsch wird am häufigsten im Alltag verwendet. Auf diese Weise versucht man, den lokalen authentischen Dialekt beizubehalten, damit er nicht vergessen wird. Gleichzeitig lernt die jüngere Generation überwiegend Hochdeutsch, und verwendet es auch im Alltag.

Ihre Urgroßmutter brachte Julia deutsche Lieder und Gebete bei. Das Vaterunser lernte sie zuerst in deutscher Sprache.

„Dieses war für ethnische Deutsche sehr wichtig: die Religiosität und die Förderung von Sprache und Traditionen innerhalb der Kirche.“

Julia öffnet das grüne deutsche Gebetbuch ihrer Urgroßmutter. Ethnische Deutsche machen in den Gottesdiensten immer noch von vielen alten Liedern und Gebeten Gebrauch. „Leider wurden viele deutsche Bücher während der sowjetischen Herrschaft vernichtet,“ sagt Julia.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es für die ethnischen Deutsche sehr schwierig, ihre Traditionen und die kulturelle Zugehörigkeit zu bewahren, da sich die allgemeine Haltung gegenüber dieser Gemeinschaft erheblich änderte. Man kennt Geschichten, dass sogar die Nachbarn sich oft voreingenommen verhielten, dass die Familien mit deutscher Abstammung verleumdet und verspottete und sogar als „Faschisten“ und „Nazis“ genannt wurden. Und obwohl seitdem viele Jahre vergangen sind, musste sich Julia immer noch wegen ihres deutschen Namens ähnliche Spötteleien anhören

Sehr wichtig für die Selbstbesinnung ihrer Herkunft war für Julia ihre journalistische Tätigkeit in der deutschen Redaktion eines TV-Senders. Eines Tages schenkte ihr einer der Zuschauer ein Buch, in dem der Nachname Taips wiederholt erwähnt wurde: Der Zuschauer vermutete, dass es im Buch um Julias Vorfahren gehen konnte. Im Buch gab es Listen der durch Repressivmaßnahmen unterworfenen Personen aus Transkarpatien und Lebensgeschichten verschiedener Familien; so erfuhr Julia ​​mehr über ihren Stammbaum.

„In diesem Buch wurde geschrieben, dass drei Brüder mit dem Nachnamen Taips nach Transkarpatien umgesiedelt sind, als all das noch den Grafen von Schönborn gehörte. Einer von ihnen war Förster, der Andere arbeitete an der Eisenbahn, und der Dritte war Architekt; er baute einen Teil der Straße in Mukatschewo, d.h. er entwickelte den Plan.“

Julia war mehrmals in Deutschland, studierte dort, erhielt Stipendien von der Bundesregierung und absolvierte Praktika beim Fernsehen. Die Journalistische Tätigkeit war schon immer ihre Leidenschaft. Später entwickelte sie den Wunsch, nicht nur über die eigenen Vorfahren, sondern auch über die deutsche Bewegung in Transkarpatien mehr zu erfahren. Julia beschloss, in Transkarpatien eine Jugendorganisation und ein Bildungszentrum zu gründen, um junge Menschen zum Erlernen der deutschen Kultur zu ermutigen.

Soziale Tätigkeit

Insgesamt gibt es in Transkarpatien 10 deutsche Vereine, d.h. fast jedes Dorf, in dem ethnische Deutsche leben, hat seine eigene Organisation. Der Verein „Deutsche Jugend von Transkarpatien“ in Mukatschewo ist Teil des Rates der Deutschen der Ukraine, der u.a. kostenlose Deutschkurse für ethnische Deutsche anbietet. Insbesondere dank der Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut in der Ukraine haben junge Menschen die Möglichkeit, mit Muttersprachlern zu kommunizieren. Julia sagt, dass manche Menschen die Sprache brauchen, um in Deutschland studieren oder arbeiten zu können. Es gibt aber auch ethnische Deutsche, die die Sprache „für die Seele“ lernen. Neben dem Erlernen der Sprache wird hier der deutschen Jugend aus Transkarpatien in Form von regional-landeskundlichen Seminaren von der Herkunft der Deutschen und ihrer Ansiedlung in diesem Gebiet, von deutscher Kultur und Tradition erzählt.

„Wir bemühen uns, dass diese Dinge nicht in Vergessenheit geraten und dass jede Familie, die sich als ethnische Deutsche versteht, darüber informiert ist und von ihrer Abstammung erzählen kann.“

Der Verein führt sowohl lokale als auch interregionale Programme sowie zwei internationale Projekte in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen durch. Obwohl Julia sich beruflich neu orientierte, bleibt die journalistische Tätigkeit weiterhin ein wichtiger Teil ihres gesellschaftlichen Engagements. Dies zeigt sich insbesondere in der Organisation verschiedener Projekte zur Medienkompetenz. Eine sehr starke Jugendinitiative für ethnische Deutsche war das Projekt „Sprache, Massenmedien, Natur“, das in den Karpaten stattfand. Dort bekamen die jungen Teilnehmer deutschen Sprachunterricht, und lernten die Arbeit der Medien kennen, u.a. durch Studienbesuche im öffentlichen Fernsehen, Kommunikation mit bekannten Journalisten und Vorbereitung von Kurzreportagen.

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Ein weiteres Projekt „Es sprechen die Deutschen aus Transkarpatien“ wurde in Form einer Entdeckungsreise durchgeführt. Dabei reisten junge Menschen durch die Dörfer und führten kurze Interviews mit älteren Personen, um die deutschen Dialekte der Region besser kennenzulernen.

Gemeinsam mit ihrem Team beabsichtigt Julia, die Aktivitäten der Organisation in der gesamten Region auszuweiten. Zu ihren Plänen gehört auch, dafür zu sorgen, dass es in jedem Bezirk, in dem ethnische Deutsche dicht leben, einen jungen Menschen gibt, der sich vor Ort für gemeinnützige Projekte engagiert. Ein solches Netzwerk wird insbesondere zur Verbreitung von Informationen über die Deutschen in Transkarpatien unter den in die Ukraine reisenden Deutschen und Österreichern beitragen.

„Es ist wirklich notwendig, Leute vor Ort zu haben, die sich dabei engagieren können, die sich gut auskennen und in der Lage sind, darüber zu berichten.“

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Deutschkurse, Sozialprogramme und Kulturprojekte der deutschen Gemeinde in Transkarpatien werden von der Bundesregierung finanziert. Einmal im Jahr erhalten die älteren Vertreter der deutschen Gemeinde soziale Unterstützung in Form von Lebensmitteln. Darüber hinaus haben sie die Möglichkeit, Sozialhilfe für den Erwerb von Arzneimitteln zu bekommen. Jugendliche und Kinder deutscher Herkunft werden zu Feriencamps eingeladen, wo sie ihre Deutschkenntnisse verbessern können.

Julia wurde bereits mehrmals von Bekannten über einen möglichen Umzug nach Deutschland gefragt, denn mit ihrer Erfahrung hätte sie alle Gründe dafür, um in Deutschland zu leben. Aber sie antwortete immer, dass es ihr in Transkarpatien gut geht:

„Ich träume davon, dass junge ethnische Deutsche nicht nach Deutschland umziehen, sondern in der Ukraine bleiben. Denn unsere Heimat ist hier, wir sind hier geboren worden. Alle fragen mich: ‚Was machst du hier? Fahr doch nach Deutschland, dort hast du so viele Möglichkeiten!‘. Nein, viele Möglichkeiten habe ich hier, weil mir hier sogar der Heimatboden hilft.“

Die Geschichten über die Umsiedlung und das Leben der Deutschen in Transkarpatien sind ziemlich verwirrend, aber alle haben etwas gemeinsam: Jede dieser Geschichten fand auf dem Gebietder Ukraine statt, und die modernen transkarpatischen Deutschen erzählen darüber in zwei Sprachen — Deutsch und Ukrainisch, wobei sie zwei Kulturen vereinigen.

„Diejenigen, die umziehen wollten, sind bereits umgezogen. Die Anderen versuchen hier zu leben, und sie haben sich schon wirklich alle sehr gut angepasst. Sie verstehen sich gut und sie leben hier, sozusagen in ihrer Heimat. Schließlich muss man nicht weit wegfahren, um sich wie ein ethnischer Deutscher zu fühlen.“

unterstützt durch

Dieses Material wurde mit Unterstützung der US-amerikanischen Agentur für internationale Entwicklung (USAID) entwickelt.

Beitragende

Projektgründer:

Bogdan Logwynenko

Autorin des Textes:

Wasylyna Haran

Redakteurin:

Sofija-Olha Kunhurzewa

Projektproduzentin:

Olha Schor

Fotograf:

Harry Krichnan

Mykyta Sawilinskyj

Kameramann:

Maksym Sawallja

Serhij Rozow

Filmeditorin:

Lisa Lytwynenko

Regisseur:

Mykola Nossok

Bildredakteurin:

Kateryna Akwarelna

Transkriptionistin:

Diana Stukan

Jaroslawa Nikitjuk

Tetjana Prodanets

Ilona Mykolajischyn

Alina Kufedtschuk

Krystyna Krawtschenko

Content-Managerin:

Kateryna Jusefyk

Übersetzer:

Oleksiy Obolenskyy

Übersetzungsredakteur:

Klaus Wichmann

Übersetzungsredakteurin:

Halyna Wichmann

Koordinator der Übersetzung:

Jana Stowbur

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