„Was kostet Pálinka?“, fragt Denys eine Frau, deren mit selbstgebrannten Obstlern gefüllte Plastikflaschen direkt auf den Gleisen in Wynohradiw liegen. Nach einem kurzen Verhandeln kauft er schließlich eine Flasche, nimmt zusätzlich auch noch Tomaten und Käse. So stehen wir da – mit Einkäufen auf den Zug wartend. „Von wo genau wird denn die Lokomotive fahren?“, frage ich. „Das seht ihr gleich”, antwortet Denys und zeigt auf den Boden. Wir stehen mitten auf dem Markt und können nicht glauben, dass direkt unter unseren Füßen die Gleise verlaufen. Der Zug setzt sich tatsächlich langsam in Bewegung, die Leute tummeln sich und sammeln ihre Marktwaren von den Gleisen auf. „Der wendet gleich und fährt in die andere Richtung“, sagt Denys.
Denys Dobra ist einer derjenigen, die selbstlos an dem Erhalt- und Restaurierungsprozess der Borschatalbahn, nach dem kleinen Flüsschen Borschawa benannt, arbeiten. Er ist der Gründer der NGO „Borschawa-Initiative“. Denys ist 47 Jahre alt, er kommt aus dem Dorf Imstytschewe, welches sich im Irschawa Bezirk befindet. Bereits seit mehr als fünfzehn Jahren kümmert er sich um das Schicksal der transkarpatischen Schmalspurbahn.
„Die Bahn verläuft durch mein Dorf. Ich erinnere mich, wie ich in diesen alten Waggons gefahren bin. Damals ging ich noch zur Schule, in die neunte Klasse, und fuhr in diesen Waggons von Irschawa nach Imstytschewe. Angefangen hat alles in den 2000er Jahren, als wir unsere erste touristische Reise unternommen haben. Wir haben eine Draisine gemietet, nun ist sie pensioniert, und sind von Lukiw, nach Berehowe gefahren und haben dabei einfach ein paar Fotos geschossen. Anschließend gab es eine kleine Ausstellung unter dem Freundeskreis. Damals hatten wir noch keine Digitalkameras, wir haben die üblichen Fotos gemacht. Irgendwo habe ich noch den Film aufbewahrt.“
Der Zug fährt sehr langsam, der Lockführer betätigt die Zugpfeife von Zeit zu Zeit und fordert Leute auf, ihren Kram schneller zusammenzusammeln. Hier muss er nur umdrehen und die Passagiere einsammeln. Anschließend fährt er in die Gegenrichtung – Richtung Irschawa.
Diashow
Hier – so wie noch ganz früher, direkt am Bahnhof – befindet sich der Markt. Der Markt-Bahnhof ist die Hauptader der Stadt. Hier kreuzen sich die Handelswege so buchstäblich, wie man es sich nur vorstellen kann. Es sieht aus wie auf den bunten Fotos aus Sri Lanka, Vietnam oder Indien. Die Einheimischen suchten nicht lange nach einem besonderen Platz für den Absatz ihrer Produkte aus eigenen Gemüse- und Obstgärten und sind einfach dort stehen geblieben, wo sie angekommen sind. Zwischen den Passagieren manövriert der Reisezug im Schneckentempo, erst außerhalb der Stadt bewegt er sich etwas schneller – mit bis zu 15 Kilometer pro Stunde.
„Wisst ihr, es gibt keine Toilette im Zug. Wir scherzen darüber und sagen, dass man genug Zeit hat, um aus dem ersten Waggon auszusteigen, die Büsche aufzusuchen und in den letzten Waggon wieder reinzuspringen. Die Pointe ist, dass es zwischen dem ersten und dem zweiten Waggon gar keinen anderen gibt – es gibt insgesamt nur zwei.“
Die Borschatalbahn wird im Volksmund häufig „Antsia Kuschnyzka“ genannt. Antsia ist in den Karpaten eine übliche Koseform für Anna, Kuschnyzka kommt von einem gleichnamigen Dorf, in dem viele Annas wohnten. Der Name ist entstanden, als die Gleise irgendwann dieses Dorf erreichten. Seltener hört man auch „Schuschika“, abgeleitet von Zsuzsanna Lorantffi – der Frau des transsilvanischen Prinzen György Rákóczi I., Besitzers der Burg Mukatschewe. Antsia ist eine der wenigen ukrainischen Schmalspurbahnstrecken im Betrieb, und eine der drei, die der Ukrainischen Staatseisenbahn, Ukrsalisnyzja (UZ), gehören. Zwei weitere Netze sind die Schmalspurbahn Hajworon, in den Regionen Winnyzja und Kirowohrad um die Stadt Hajworon herum und die Bahnstrecke Antoniwka–Saritschne in der Region Riwne. Die letzte trägt besonders viele Volksnamen, wie „Kukuschka“ (der Kuckuck), „Polesische Tram“, „Transpolesischer Highway“ oder – das liebevolle – „Züglein“. Außerdem gibt es noch die Waldbahn Wyhoda in den Karpaten, die auch als „Karpatskyi Tramwaj“ – Karpatentram also – vermarktet wird. Die übliche Spurweite aller ukrainischen Schmalspurbahnen beträgt nur 750 mm.
Entstehungsgeschichte
Die Gesamtlänge der Borschatalbahn beträgt 123 km. Der erste Streckenabschnitt wurde im Dezember 1908 in Betrieb genommen. Zurzeit ist die Strecke, die zuletzt in Betrieb genommen wurde, die meistbefahrene.
„Der Abschnitt Berehowe – Irschawa – Dowhe war als erster geplant. Warum gerade er? Uschhorod, die heutige Hauptstadt Transkarpatiens, entwickelte sich erst in den 20er-30er-Jahren des 20. Jahrhunderts zu einer politisch und wirtschaftlich einflussreichen Stadt. Damals standen zwei andere Städte im direkten Wettbewerb: Mukatschewe und Berehowe. Und als die Idee des Baus einer Schmalspurbahn im Flußtal der Borschawa aufkam, haben sich die Kaufleute von Mukatschewe aktiv gegen sie gewehrt. Fast sechs Jahre lang dauerten die gerichtlichen Verfahren, um den Bau dieses Streckenabschnittes zu verhindern – Berehowe hätte ja in einem solchem Fall einen Zugang zu den Berggebieten und somit einen mächtigen Wettbewerbsvorteil erhalten.“
So entwickelte sich die Schmalspurbahn langsam zu der wichtigsten Verkehrsader der Region. Primär wurde sie damals für den Holztransport benutzt. Allmählich nahm aber auch die Arbeitsmigration zu – früher mussten die Bergbewohner zu Fuß ins Tal zur Arbeit laufen, „Antsia“ hat dieses Problem gelöst.
Die Holzindustrie wurde zu den Zeiten der Österreichisch-Ungarischen Monarchie mit Hilfe von modernsten Technologien entwickelt und das Eisenbahnnetz wurde in ganz Transkarpatien aktiv erbaut. Die ersten Versuche, eine Eisenbahn im Tal des Flüsschens Borschawa zu bauen gab es, nach der Archivdokumentation, bereits im Jahr 1886, also zu Zeiten des Königreichs Ungarn. Aber erst nach 18 Jahren, im Februar 1904, wurde während einer verfassunggebenden Versammlung für ihren Bau abgestimmt. Diesen Tag kann man als Geburtstag der Borschatalbahn feiern.
Der Inbetriebnahme im Dezember 1908 sind fast zwei Jahrzehnte des Rechts- und Papierkrieges vorausgegangen. Aber der Bau selbst war für die Zeiten blitzschnell.
„Der Ausmaß dieses Projektes zu damaligen Zeiten ist schwer vorstellbar. Ich vergleiche ihn gerne mit der Erfindung des Pentium-Prozessors – sie hat die Entwicklung der Computertechnik dramatisch beschleunigt. Haben die Bergeinwohner früher eineinhalb Tage gebraucht, um den Markt in Berehowe zu erreichen, hat sich diese Zeit jetzt auf 3 Stunden reduziert. Der Bau der Schmalspurbahn gab dem Borschawatal einen starken Entwicklungsimpuls, denn die Bahn wurde entlang des 104 km langen Flüsschens gebaut. So bekam die ganze Region auf einen Schlag eine effiziente Transportinfrastruktur.“
Im Winter 1908 wurde der Abschnitt Berehowe-Dowhe offiziell in Betrieb genommen. Die ersten fünfzehn Jahre existierte die Borschatalbahn in Form einer Aktiengesellschaft namens BGV – Borzsavölgyi Gazdasági Vasút, übersetzt: „Borschatal-Wirtschaftseisenbahn“.
„Wenn ich den Leuten eine Frage stelle – wer mag den Bau dieser Eisenbahn damals finanziert haben, höre ich meistens als Antwort: ‚Irgendein reicher Mensch, wahrscheinlich ein Oligarch oder der Staat‘. ‚Nein‘, sage ich. Für den Bau der Schmalspurbahn wurde im Jahr 1904 eine kommunale Aktiengesellschaft gegründet. Alle Ortschaften, durch die die Bahnstrecke verlaufen sollte, haben einen Vertreter delegiert. So wurde die Gesellschaft gegründet. Anschließend, nachdem die neugegründete AG die Unterstützung der Regierung zugesichert bekommen hatte, konnte sie relativ problemlos auch einen Kredit für den Bau bekommen. Aus meiner Sicht ist das eine sehr wichtige Erfahrung. Insbesondere wenn man die Entwicklung mancher Bauprojekte in der heutigen Ukraine betrachtet. Eine Erfahrung, die zeigt, dass die Öffentlichkeit, der Staat und Finanzinstitutionen zusammen solche Projekte erfolgreich umsetzen können.“
Das Gleisnetz der Borschatalbahn entsprach dem bosnischen Standard und war 760 mm breit. Das maximale Gefälle betrug 33% und der minimale Kurvenradius der Strecke 100 Meter.
Die ersten Passagiere konnten nur zwei Streckenabschnitte nutzen, die restlichen waren noch im Bau. Schuld daran waren nicht zuletzt auch Überschwemmungen, die den Verkehr teilweise stark eingeschränkt haben. Der Gütertransport fing etwas später an, nachdem die Handelskontakte zwischen Tal- und Bergregionen sich etabliert hatten.
„Im Jahr 1889 fand in Paris die zehnte Weltausstellung statt. Ihr wichtigstes Symbol war der Eiffelturm, der für die Weltausstellung errichtet wurde. Die Verbindung der verschiedenen Teile des Ausstellungsgeländes erfolgte über eine von Paul Decauville vorgestellte Kleinbahn. Sie wurde sehr schnell aufgestellt, war drei Kilometer lang, hielt an vier Stationen und demonstrierte die neue Technologie für den Bau einer Schmalspurbahn. Ein vergleichbares Projekt wurde gleich nächstes Jahr in Göteborg umgesetzt. Diese Bahn funktioniert übrigens bis heute. Zwischen der Weltausstellung in Paris (1889) und der Inbetriebnahme der Borschatalbahn (1908) lagen also lediglich 19 Jahre. Kann Transkarpatien heute ein anderes Denkmal technischer Art in einem europäischen Kontext präsentieren?“
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19 Jahre liegen zwischen der Erfindung der Bautechnologie einer Schmalspurbahn und deren Einführung in Transkarpatien.„Damals war das die Bahn der Zukunft. Solche Schmalspurbahnen wurden in ganz Europa mit einer Geschwindigkeit gebaut, mit der sich heutzutage neue Smartphone-Modelle verbreiten.“
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Sowjetunion die Macht in Transkarpatien und begann gleich mit dem Umbau der Eisenbahn. Ziel des Umbaus war es, die Bahnstrecken mit der europäischen Spurweite an den sowjetischen Standard anzupassen. So wurden auch die wenigen Schmalspurbahnen von 760 mm auf die sowjetische Einheitsspurweite für Schmalspurbahnen von 750 mm umgespurt. Der Umbau des breitspurigen Netzes wurde innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen, bei dem Schmalspurbahnnetz dagegen konnte der neue Standard erst im Jahr 1950 umgesetzt werden.
Anfang 1926 betrug die Gesamtlänge des Borschatalbahn 107 Kilometer, nach dem Krieg wurde das Netz auf 123 Kilometer ausgebaut. Doch der Personenverkehr wurde auf vielen Strecken eingestellt. Viele Streckenabschnitte und Bahnstationen wurden abgebaut.
Aktuelle Situation und die Rolle der UZ (Ukrainische Staatsbahnen)
Zu den Sowjetzeiten kam die Bahn den Pendlern des Bezirkes Irschawa zugute. Sie wurde täglich von den Mitarbeitern der Forstwirtschaften, Baufabrik, Möbelfabrik, Unternehmen der Lebensmittelindustrie, Maschinenbaufabriken und sogar einer Kohlemine genutzt.
1991 mit der Unabhängigkeit der Ukraine begann auch die Geschichte der unabhängigen ukrainischen Bahn. Nachdem die Ukrainischen Staatsbahnen (UZ) die Borschatalbahn übernohmen hatte, ist ihre Entwicklung vollständig eingestellt.
Am schärfsten waren die Probleme im Jahr 1994 zu spüren. Damals ist aufgrund der Auftragsabwesenheit seitens der zahlungsunfähigen Unternehmen die Ölversorgungskrise ausgebrochen. War der Passagiertransport selbst in den erfolgreichen Zeiten kein profitables Geschäft, wurde er während der Krise komplett eingestellt. Lediglich auf der Strecke Wynohradiw-Chmilnyk funktionierte Personenbeförderung noch. Das war die einzige Verbindung zwischen den beiden Dörfern und selbst mit der Geschwindigkeit von 15 Kilometer pro Stunde unabdingbar.
„Es gab mal eine Geschichte. Im Jahr 1993 litt die Ukraine unter einer Ölkrise. Der ganze öffentliche Verkehr stand de facto still. Die Busse sind nicht gefahren, weil es schlicht kein Benzin gab. Auch die Bahnstrecke Irschawa-Berehowe funktionierte zu der Zeit nicht. Dieses Problem wollte damals die Kommune, vertreten durch Wasyl Petrowytsch Kotzan aus Welykij Rakiwez, lösen. Wasyl Petrowýtsch, damals ein Kolchos-Direktor, war der erste, der sich an die Eisenbahn mit der Bitte gewendet hat, die Strecke Berehowe-Irschawa zu behalten. Es ist ihm gelungen, den Passagiertransport auf der Strecke aufrecht zu erhalten, denn die Nachfrage war groß und die Busse sind nicht gefahren.“
Zurzeit existiert lediglich die Verbindung auf der Strecke Wynohradiw-Chmilnyk. Der Rest der Strecke wird nur für Gütertransport genutzt. Für die Transportzwecke wird die Lokomotive TU-2 1972 eingesetzt. Die Waggons sind etwas neuer – Anfang der 1980er Jahre.
Aktivisten haben versucht, Reisetouren für Touristen an Wochenenden anzubieten, das ist jedoch ziemlich schwierig in Einklang mit den Interessen der UZ zu bringen, die zur Kostendeckung für den reinen Passagierverkehr viel zu hohe Beträge in Rechnung stellt…
„Mit dem UZ-Management und dem Ministerium für Infrastruktur sind wir in ständiger Diskussion. Das Hauptproblem ist die niedrige Geschwindigkeit der Bahn – heute fährt die Borschatalbahn mit nur 15 Kilometer pro Stunde durch die Region. Erhöhte man die Geschwindigkeit des Zuges, könnte der Treibstoffverbrauch erheblich reduziert werden, die Bahn könnte dann schneller und effizienter als ein Bus sein. Leider gehören Wirtschaftlichkeit und Effizienz nicht zu den wichtigsten Unternehmenszielen der UZ. So wird in die Modernisierung und Renovierung der Lokomotive schlicht nicht investiert. Teilweise stehen hier so alte Lokomotiven, dass die bereits als Raritäten gelten. Für das UZ-Management ist es Altmetall, Schrott. Für unsere polnischen Kollegen kaum nachvollziehbar – sie sind bereit für diesen ‚Schrott‘ einen hohen Preis zu zahlen, und flehen die UZ an, wenigstens eine Lokomotive zu verkaufen. Sie sind bereit, die Modernisierungskosten zu tragen um zumindest eine Lokomotive im Gegenzug für sich behalten zu dürfen. Die Wagen sind polnischer Herstellung und die Polen, im Gegensatz zu uns, ehren ihre eigene Geschichte.“
„Im Jahr 2004 war ich bei Kirpa [Georgij Kirpa – damaliger Minister für Verkehr und Kommunikation in der Ukraine, – Ukraїner]. Um einen Termin bei ihm zu bekommen, musste ich damals dreitausend Dollar Schmiergeld zahlen. Das hat noch nichts garantiert, das hat mir lediglich das Recht gegeben, bei ihm an der Rezeption warten zu dürfen. Es könnte passieren, dass ich wirklich nur Kaffee angeboten bekommen hätte. Nicht übel – Kaffee für dreitausend Dollar beim Verkehrsminister… Ich will nicht schlecht über ihn reden, schließlich hat sich während seiner Amtszeit auch vieles zum Guten gewendet. In der Ukraine existiert leider so eine Tradition – die Macht und den Dienstposten auszunutzen um den ‚Zugang zu Körpern‘ für Geld zu verschaffen. Das haben alle getan.“
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3000$ Preis, den man im Jahr 2004 für einen Termin beim Verkehrsminister zahlen musstePläne und Perspektiven
Der wichtigste Meilenstein in der Entwicklung der Borschatalbahn war ihre Anerkennung als historisches Denkmal des Irschawa Bezirkes, denkt Denys. Wäre diese Entscheidung dutzende Jahre früher getroffen, wäre die heutige Situation nicht so katastrophal.
Wir sollten die Erfahrung des benachbarten Ungarns nutzen und ein Verbot des Abbaus der mobilen Aktiva der Borschatalbahn – also Lokomotiven, Waggons, Bahnanlagen – einführen. Als nächster Schritt sollte man die Möglichkeiten und Angebote für die Nutzung der Bahn für die touristischen Zwecke analysieren. Die Strecke Wynohradiw-Chmilnyk sollte dabei auf jeden Fall dem Passagiertransport dienen. In dieser Gegend könnten die Busse die Eisenbahn nicht ersetzen – die mangelnde Straßenqualität würde es nicht erlauben. Viele Straßen sind nicht mal asphaltiert.
Lokale Aktivisten bieten UZ an, die Borschatalbahn gegen eine symbolische Gebühr zu mieten und zu unterhalten, alles unter einer Bedingung – dass die Bahn erhalten bleibt.
Das benachbarte Polen hat zum Beispiel in den Jahren 2009-2012 eine 40 Kilometer lange Strecke der Waldbahn Bieszczady renoviert, neben den Schienenfahrzeugen auch die dazugehörige Infrastruktur: Bahnstationen, Bahnhofcafés, etc. 550 000 Euro hat diese Renovierung gekostet, umgerechnet fast 6 Millionen Hrywnja. Dabei behauptet die UZ, dass sie jährlich 8 Millionen Hrywnja benötigt, um die Instandhaltung der Borschatalbahn gewährleisten zu können. Diese Zahl ist aus der Luft gegriffen, denkt Denys, für solches Geld kann man hier ständig erhebliche Verbesserungen leisten.
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8 Mill Hrywnja braucht die UZ jährlich, um die Borschatalbahn zu unterhalten„Wir sind bereit, mit den polnischen Kollegen zu kooperieren und ihre Erfahrung zu übernehmen, es wäre sehr hilfreich für uns. Anschließend kann man eine Aktiengesellschaft der Borschatalbahn und ein Fonds der Borschatalbahn gründen, die sich um die Arbeitsorganisation kümmern würde. All das – unter Beteiligung der Gemeinderäte, durch welche die Bahn fährt – Irschawer, Berehower, Wynohradiwer sowie des Transkarpatischen Regionalrates. Kommunen und Versorgungsunternehmen sollten sich auch beteiligen. Die Unterstützung durch die staatlichen Institutionen, zum Beispiel durch Finanzierung und Leitung bestimmter besonders wichtiger Projekte, ist unabdingbar.“
„Somit könnte das Unternehmen sich um die Investitionen und die Modernisierung der Schienenfahrzeuge kümmern. Man könnte die Qualität der Transportleistungen erhöhen und Schritt für Schritt an der Verbesserung der Rentabilität arbeiten. So ein Projekt erfordert zwar eine erhebliche staatliche Unterstützung, ist aber auf längere Sicht sehr vielversprechend – es ermöglicht künftige Ressourcenbeschaffung, auch auf dem internationalen Niveau.“
Denys beherrscht mehrere Sprachen und begleitet diverse Reisegruppen, die zurzeit relativ häufig hier zu Besuch sind. Von Zeit zu Zeit finden hier kleine Festivals für die Fans der Borschatalbahn statt.
In der Tat hat die Borschatalbahn eine beachtliche Anzahl der Fans. Manche Einheimischen sprechen über die Bahn mit einer besonderen Wärme. Wie zum Beispiel Wolodymyr Kryschenyk aus Transkarpatien. In seinem Erinnerungsbuch schreibt er:
„Und doch erinnere ich mich an sie, wie sie noch ganz lebendig und glücklich in ihrem Arbeitsdienst war, teilweise sogar kräftig am Rennen. Es war unsere Kindheit. Damals, in den 60er Jahren. Und häufig folgten wir ihrem gemächlichen Schritt, fest auf den rauen Waggonbänken sitzend. So pendelten wir von Bilky nach Irschawa, in die Musikschule. Es war immer noch besser, als getragen von der Menschenmenge total geschafft hinter einem launischen Bus zu laufen, welcher plötzlich seine Meinung anzuhalten änderte und sich diebisch und langsam vorbei schlich, um anschließend Gas zu geben, an uns allen zornig vorbei zu knurren und den giftigen Benzinrauch in die Richtung der genervten Menge zu spucken.
Denys und die Gemeinde begrüßen Touristen sehr herzlich, sind jedoch besorgt, dass sie diesen Leuten kein entsprechendes Komfortniveau anbieten können.
„Nehmen wir ein Beispiel mit 50 Touristen, die mit der Borschatalbahn fahren wollen. Eine Einzelfahrt kostet zurzeit sieben Hrywnja. Angenommen, diese Gruppe hat eine Weinverkostung gebucht und hat auf einmal mehrere Tausend Hrywnja in einem Dorf gelassen, welches heutzutage keine andere systematische Einkommensquelle hat. Natürlich könnte man den Fahrttarif erhöhen. Man könnte für solche Reisegruppen einen separaten Waggon anbieten. Und das Ticket sogar das Dreifache kosten lassen. Touristen sind bereit zu zahlen, wenn sie wenigstens ein minimales Komfort im Gegenzug erwarten können.“
„Mir als Privatperson ist heutzutage nichts erlaubt. Und wenn etwas erlaubt ist, ist es ein absoluter Unsinn.“
„Da steht ein hölzerner Transportwaggon, seht ihr? Im Frühjahr habe ich versucht, diesen Waggon an den Hauptzug anzuhängen, um dort Touristen zu transportieren. Wisst ihr, was sie von mir verlangt haben? Siebentausend Hrywnja. Der Luxus-Waggon, der auf der Süd-Westlichen Bahn von Dnipro nach Kyjiw fährt, kostet 90 Hrywnja pro Kilometer, und unserer, hölzerner Transportwaggon – 420 Hrywnja pro Kilometer. Tatsächlich ist es so, dass wenn ein Zug ohnehin fährt, ein zusätzlicher Waggon den Treibstoffverbrauch nicht signifikant erhöht. Kurz gesagt, egal wie man kalkuliert, selbst wenn man alles mal zehn rechnet, kommt man trotzdem auf weniger als siebentausend Hrywnja.“
Wir gehen durchs Gebüsch entlang der Gleise, überqueren eine Brücke, Denys läuft mit seinem Fahrrad voraus. Fahrrad und „Antsia“ sind seine Hauptfortbewegungsmittel. Denys geht zielstrebig geradeaus, überwindet die Hindernisse auf seinem Weg. Wir folgen ihm, erfüllt mit der erstaunlichen Energie dieser Orte.
Trotz allen Schwierigkeiten bleibt die Borschatalbahn erhalten. Denys startet hier mehrere Projekte gleichzeitig, um die Aufmerksamkeit für die Region zu erregen. Im Sommer und Herbst finden hier Wein- und Beerensammlertouren statt. Im Winter, am Nikolaustag, wird diese Gegend zu einer echten Märchenlandschaft – der sonst normale Zug wird festlich geschmückt, aus allen Ecken kommen Kinder zu Besuch. An diesem Tag verkleidet sich Denys als Nikolaus und beschenkt die Kinder. An anderen Tagen arbeitet er als IT-Lehrer in einer Dorfschule und beschäftigt sich mit dem Erhalt und der Wiederherstellung des wichtigen historischen Denkmals – Borschatalbahn, der Bahn der Zukunft. Der Bahn, die viele vergessen haben und viele nicht einmal gekannt haben.