Das Dorf Moskali, Siwerschtschyna Region, ist 30 km von Tschernihiw entfernt. „Moskali“ wurden die Kosaken aus Moskowija genannt, die vor 300 Jahren nach der Rückkehr der Ljubetsch Wolost (Landgemeinde) zu Großfürstentum Litauen in diesem Gebiet geblieben sind. Bis heute sind etwa 20 Häuser im Dorf erhalten und der Ortsbewohner, Jurij Dachno, war von der Idee fasziniert, hier einen eigenen Scansen zu errichten – die alten Häuser und das Geschäft zu erhalten, welche er gekauft und in Antiquitätenmuseen verwandelt hatte.
Der Hauptsstraße entlang, die sich über 1 km spannt, gibt es weder eine Schule noch ein Spital. Dafür aber gibt es hier ein echtes Museum.
Jurij Dachno, der die Exponate aus seinem und den benachbarten Dörfern eingesammelt hatte, bevorzugt lieber das Wort „Sammlung“.
Er beschäftigt sich mit der Erhaltung der Altertümlichkeiten seit vielen Jahren. Einen Teil der Gegenstände hat der Mann in einem ehemaligen Dorfgeschäft untergebracht, das er beinahe umsonst vor etwa zehn Jahren gekauft hatte, den anderen Teil – in einem alten Haus seiner Tante. Der Rest der Sammlung befindet sich in den „Fonds“ bei ihm zu Hause.
Jurij erinnert sich mit einem Lächeln daran, wie seine Leidenschaft noch in der Kindheit angefangen hat:
„Wir hatten im Dorf eine Leidenschaft, Tontopfreste, die in den Gärten herumlagen, zu sammeln. Noch dazu wetteiferten wir miteinander, wer am meisten gesammelt hat. Meine Cousine und ich hatten am meisten eingesammelt. Wir machten daraus das erste Museum in unserem Leben. Wir hatten alles abgewaschen und zur Schau gestellt. Nachdem ich in die Schule gegangen bin, habe ich begonnen, Münzen zu sammeln.“
Unter den Exponaten des Museums von Jurij Dachno gibt es Haushaltsgegenstände des 19. und 20. Jahrhunderts sowie die Arbeiten der heimischen Maler. An den Wänden des ehemaligen Geschäfts in der Hauptstraße hängen Bilder, an den Regalen stehen Glasflaschen, Becher und Holzfässer, auf Stöcken befinden sich Strohhütte, auf der Kommode sieht man einen Plattenspieler, ein altes Radio und Schuhe. In dem alten Haus, das jetzt in ein Museum umgestaltet wurde, gibt es mehr Möbel: Truhen, Holzbetten, Stühle, die im Haushalt der 1940/50er sehr gängig waren, noch dazu gibt es Notschwy, Kopyly oder Leisten, Kruporuschky (ein Werkzeug zum Zerkleinern des Korns – Aut.), es gibt auch Exponate aus der Zeit des Ersten Weltkriegs.
Notschwy
Längliches Gefäß mit sich nach oben ausbreitenden Seiten, das im Haushalt für Teigkneten, Waschen der Wäsche, Baden, usw. verwendet wurde.Die Mehrheit der Gegenstände hatte Jurij bei der heimischen Bevölkerung abgekauft, aber im Museum gibt es auch Sachen der Meister aus anderen Orten. Der Sammler sagt, dass er zu 99% die Herkunft seiner Exponate kennt. Diese gelangen auf verschiedene Art und Weise in seine Sammlung: manches wurde hergebracht, manches wurde geschenkt und einiges hatte Jurij verdient oder getauscht.
„Bei einer Bekannten sollte der Zaun repariert und das Dach abgedeckt werden. Als sie mir Geld geben wollte, ich war zu ihr ins Haus gekommen, und ich sah dort ein besticktes Tuch. Ich fragte sie, ob ich dieses Tuch haben könnte und die Bekannte antwortete, dass sie es mir nach der Fastenzeit geben wird. Danach hat sie mir noch zwei weitere geschenkt. Ich habe das Geld für die Arbeit gar nicht genommen. Einmal sollte ich einen Tonofen einer alten Frau reparieren, auf diese Weise sind zu meiner Sammlung die Krolewez-Tücher dazugekommen… Vor kurzem wurde ein Haus im benachbarten Dorf verkauft und die Leute fragten mich, ob ich nichts davon brauchen könnte. Ich habe eine Truhe mitgenommen. Es war nichts Besonderes drinnen, sie ist auch nicht ausgemalt, dafür aber ziemlich groß.“
Krolewez-Tücher
Gewebte Tücher mit Verzierung, die für den Krolewez Bezirk der Poltawa Oblast charakteristisch sind.Die Sammlung steht nicht zum Verkauf
Das Museum wurde nicht für Profit gegründet. Es gibt hier selten Besucher, manchmal kommen Gäste aus anderen Teilen des Landes oder ausländische Touristen hierher. Jurij nennt seine Sammlung „Wonne“. Heuer ist er in Pension und beschäftigt sich meistens mit Obst-und Gemüseanbau und dem Haushalt. Davor hatte der Mann 25 Jahre lang als Leiter des örtlichen Postamtes gearbeitet.
„Ich habe viele Menschen gekannt. Ich sammelte nicht nur Exponate, sondern auch Folklore, verschiedene Legenden, Geschichten und Anekdoten.“
Diashow
Jurijs Sammlung ist auch in ethnografischer Sicht sehr interessant. Im Jahre 1932 wurde der größte Teil des Dorfes niedergebrannt, sodass die übergebliebenen Kleidungsstücke und Werkzeuge zur Seltenheit wurden. Einige Gegenstände aus der Dachno-Sammlung wurden in Tschernihiwer Museen ausgestellt, insbesondere kamen 500 bestickte Tücher aus der Sammlung in die Ausstellung. Dennoch verkauft Jurij keines der gesammelten Gegenstände.
„Es war einmal, dass ich dem Tschernihiwer Museum ein Tuch gegeben habe und für ein Schulmuseum schenkte ich etwas. Verkauft habe ich aber nichts, obwohl es viele potenzielle Käufer gab.“
Beinahe jeder Gegenstand hat seine Geschichte. Jurij erklärt den Zweck von Geschirr und Möbel.
„Diese kleinen Fässer wurden entweder für das Honig oder als Wasserbehälter verwendet, die während der Erntezeit ins Feld mitgenommen wurden. Hier könnt Ihr viele Strohkörbe sehen. Das Roggenstroh wurde verbrüht, danach teilte man die Rebe oder die Tannenwurzeln auf. Solche spiralförmige Verflechtung, die unten begann, wurde allmählich miteinander verwoben. Früher gab es ja keinen Email- oder Plastikgeschirr. In großen Körben wurde Getreide gelagert, in den kleinen Zwiebel, Bohnen, etc.“
Weberei
In der Sammlung gibt es sehr viele Webereien. In den Räumlichkeiten des alten Hauses lagern auch zerlegte Webstühle, Garnbüscheln, Lyko(ein Band von der Innenseite der Rinde von jungen Laubbäume für die Herstellung verschiedener Haushaltsgegenstände – Aut.), Postoly und andere Gegenstände. In den Säcken befinden sich Mänteln aus Schafsleder und Sirjaky (altertümlicher langer Wollmantel – Aut.).
„Mein Urgroßvater, Andrij Dachno, konnte sowohl weben, als auch sticken. Seine bestickten Leintücher sind noch verblieben. Das genetische Gedächtnis gibt es wirklich, denn ich kann auch sticken und ein wenig weben. Es gibt nur keine Zeit dafür: das Bauernhof, man kann die Sense und die Axt nicht aus den Händen lassen, obwohl ich Wollserge und andere Webereiarten kenne.“
Postoly
Weiches Schuhwerk aus einem Stück Leder ohne eine dazu genähte Sohle, die häufig mit Fußlappen getragen und mit Leinen (Wolok) an die Beine befestigt wurden.Hier gibt es auch einzigartige Spinnräder (sind meistens mit Fuß- oder Handantrieb versehen – Aut.), Sukalo (Werkzeug zum Aufwickeln von Fäden auf eine Spule eines Webstuhls – Aut.) und andere Gegenstände. Jurij erklärt wie sie funktioniert haben und was sie bedeuten:
„Das ist Kudyllja (Garn, welches auf das Spinnstab gewickelt wird — Aut.). Früher wurde Paklja (Werg — Aut.) aus Leinen dazu gebunden. Es gab entweder einen quadratischen oder einen runden Untersetzer. In einem kleinen Stuhl gab es ein Loch, oder ein Brett, der ‚Dnyschtsche‘ hieß. Die Spinnerin setzte sich auf das Brett und zog den Faden. Hier gibt es eine Schlange (zeigt auf ein Bild auf dem Gegenstand). Man sagt, dass solche Abbildungen oder auch Frauengesichter bei uns verblieben sind. Das war zum Schutz der Schwiegertochter vor der Schwiegermutter gedacht. Somit sollte die Schwiegertochter die Arroganz der Schwiegermutter mit ihrem Können zähmen können, oder einfach ihr den Mund zumachen.“
Der Mann erzählt, dass er früher die Textilsammlung erweitern wollte, in der die Flachsverarbeitungstechnik detailliert dargestellt werden sollte:
„Man könnte die Webstühle mit verschiedenen Webtechniken füllen und dort könnte man noch ein Handwerk zeigen.“
Das Dorf und das Museum
Die Sammlung verwaltet Jurij meistens selbstständig. Sein ältester Sohn und seine Tochter studieren in Tschernihiw, sein jüngste Sohn hilft manchmal beim Aufräumen mit, die Ehefrau ist Lehrerin im benachbarten Dorf.
„In der Schule gibt es 100 Kinder, das ist viel. Viele sind aus anderen Dörfern. 1976 wurden die Freileitungsmaste in unserem Bezirk erneuert. Überall wurden diese aus Zement gefertigt, nur bei uns aus Holz. Man sagte noch, dass in 20 Jahren es hier kein Dorf mehr geben würde. Dieses Jahr erneuern wir wieder die Freileitungsmaste.“
„In unserem Dorf gibt es junge Familien und zwei kleine Kinder, und in den anderen (benachbarten — Red.) Dörfern gibt es keine. Wir haben auch eine Kirche… Früher sagte man, wenn es eine Kirche gibt, gibt es ein Dorf.“
Das Museum in Moskali ist ein einzigartiges Phänomen. Vielleicht wird es nicht von jedem Dorfeinwohner verstanden. Dank seiner „Wonne“ ist es Jurij gelungen, viele Gegenstände zu erhalten, die mehr und mehr zur Rarität werden. Bei ihnen sind die Vergangenheit, Tradition und Bräuche der Dorfeinwohner gespeichert. Bis es in dem Dorf das Museum geben wird, wird das Dorf leben, wie die anderen Dörfer, in denen es solche Menschen wie Jurij gibt.
Diese Geschichte wurde dank der Unterstützung von der Botschaft der Ukraine in Österreich ins Deutsche übersetzt und publiziert.