Die Ukrainische Freie Universität wurde von den ukrainischen Intellektuellen im Exil gegründet und wurde zu einer wissenschaftlichen und pädagogischen Institution für die ukrainische Diaspora, die ihre Identität nicht verlieren wollte. Nachdem die UFU ihre Lage in drei europäischen Städten gewechselt hatte und dann in Nachkriegs-München von Grund auf errichtet worden war, vereinigte die Universität rund um sich viele bedeutende ukrainische Wissenschaftler des 20. Jhs. Die Universität bleibt bis heute ein Zentrum des Wissens über die Ukraine in Europa und ein Ort, wo das Studium und die wissenschaftlichen Forschungen von der Politik unbeeinflusst sind.
Schon fast ein Jahrhundert lang existiert diese Universität, wohin die Forscher aus der ganzen Welt kommen, um die Ukrainistik zu studieren, sowie die Handschriften und Werke, die man in keinem anderen Archiv oder in keiner Bibliothek finden kann, zu bearbeiten. Hier werden wertvolle historische Dokumente bewahrt und die Mitarbeiter der Bibliothek bleiben in Kontakt mit der Diaspora. Die Ukrainische Freie Universität in München ist die einzige Universität im Ausland, wo man auf Ukrainisch unterrichtet. Sie ist auch eines der wichtigsten Zentren der Ukrainistik in der Welt.
Drei Städte. Die Geschichte der Universität
Die Ukrainische Freie Universität (die UFU) wurde 1921 in Prag auf Veranlassung der ukrainischen Staatsmänner gegründet, die an der Gründung von Ukrajinska Narodna Respublika (Ukrainische Volksrepublik) teilnahmen und nach ihrem Untergang emigrierten. Wien wurde zu einem Ort, wohin viele Ukrainer nach dem ersten Weltkrieg und der Ukrainischen Revolution 1917-1921 kamen. In der österreichischen Hauptstadt funktionierte die Universität nur ein Sommersemester lang. Die Anzahl der Studenten war niedrig, die Universität hatte finanzielle Probleme und fand auch keine Unterstützung von den Lokalbehörden, weshalb sie im Herbst desselben Jahres nach Prag übersiedelte.
Ukrajinska Narodna Respublika (UNR)
Ukrainischer Nationalstaat mit der Hauptstadt Kyjiw, der von 1917 bis 1921 einen Teil des Territoriums moderner Ukraine kontrollierte.Die tschechische Staatsgewalt unterstützte maßgeblich die UFU: Sie wurde in einem der Räume von Karls-Universität stationiert. Der Universität wurden auch Kosten überwiesen, um die Werke für die neu gegründete Bibliothek zu kaufen. 700 Studenten wurden in die UFU eingeschrieben. Darunter waren nicht nur Ukrainer, sondern auch Deutsche, Juden, Rumänen, Russen, Weißrussen und Polen. Die Universität bestand zunächst nur aus zwei Fakultäten – der philosophischen und der Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen. Dort unterrichteten berühmte ukrainische Wissenschaftler: Kunsthistoriker Dmytro Antonowytsch, Literaturwissenschaftler Leonid Bilezkyj, Sprachwissenschaftler Stepan Smal-Stozkyj, Chemiker Iwan Horbatschewskyj, Geograph Stepan Rudnytzkyj.
Im Frühling 1945, während des Zweiten Weltkrieges, näherte sich die Sowjetarmee Prag. Laut dem Dozent der UFU, Roman Jaremko, waren die Materialien, die in der Universität blieben, gefährdet vernichtet zu werden.
„Die Ukrainische Freie Universität stand immer schon der Sowjetherrschaft und insbesondere Stalin im Weg. Soweit es mir aus historischen Quellen bekannt ist, interessierte sich Stalin über diese Universität. Während einer Sitzung sagte er: ‚Ich habe gehört, dass in Prag eine ukrainische Universität existiert‘. Das heißt, man interessierte sich nicht nur über die Universität, sondern auch über die Menschen, die diese versorgt und dort gearbeitet haben.“
Josef Stalin
Oberhaupt der Sowjetunion von 1922 bis 1953Der Senat der UFU versammelte sich, um über das weitere Schicksal der Universität zu entscheiden. Der damalige Rektor Andrij Jakowliw war der Meinung, nach Deutschland umzuziehen, aber Awhustyn Woloschyn, der damals als Prodekan an der philosophischen Fakultät tätig war, hoffte, dass man mit Bolschewiken [eine radikale Fraktion unter der Führung von Wladimir Lenin] zu einem Konsens kommen konnte. Jakowliw fuhr mit einem Teil der Professoren und Studenten nach Westen und nahm nur einige kostbare Bücher mit. Awhustyn Woloschyn übernahm das Rektoramt an der UFU, aber seine Hoffnung erfüllte sich nicht. Das Besitztum der Universität wurde zerstört und es begannen Massenverhaftungen. Dutzende von Menschen wurden verschollen. Die sowjetischen Geheimdienste haben Woloschyn verhaftet und in die Sowjetunion deportiert, wo er im Butyrka-Gefängnis starb.
Seit Herbst 1945 befindet sich die UFU in München. Die Dozenten bauten die Universität von Grund auf auf, als das Nachkriegs-Deutschland die Institution nicht finanziert konnte. Es war damals sehr schwer, einen Ort im zerstörten München zu finden. Zuerst übersiedelte die UFU ins Gebäude einer Grundschule und nur in ein paar Jahrzehnte später konnte die Universität, dank der Bemühungen des Patriarchs der Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche von Josyf Slipyj, einen weiteren Raum an der Pienzenauerstraße zur Verfügung bekommen.
„Im Gebäude der Grundschule hatten wir ein paar Zimmern, wo wir uns nicht nur wissenschaftlich betätigten, sondern auch unterrichteten. Wir erbauten allmählich die Struktur der Universität. Die ukrainische Diaspora sammelte das Geld, um einen neuen Raum für die Universität zu kaufen. Der selige Josyf Slipyj hat auch einen Beitrag geleistet. Auf solche Weise hat die UFU diese schwere Nachkriegszeit überlebt.“
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Vor dem Zerfall der Sowjetunion war die Ukrainische Freie Universität in München eines der wenigen Zentren in der Welt, wo das ukrainische Kulturgut und die wichtigen historischen Dokumente bewahrt wurden. Infolge der neuen Migrationswelle und der Flucht vor der Verfolgung des Sowjetregimes kamen die Wissenschaftler aus der Ukraine hierher. An der UFU hielten sie frei die Vorlesungen ab, führten die Forschungen durch und verlegten die Bücher. All dies durften sie in der Sowjetunion nicht machen. In diesen Jahrzehnten unterrichteten hier Literaturwissenschaftler Wolodymyr Derschawyn, Universalgelehrter Wolodymyr Kubijowytsch, Philosoph Iwan Mirtschuyk, Archäologe Wadym Schtscherbakiwskyj und viele andere Wissenschaftler. Unter den bedeutenden Absolventen sind die Schriftstellerin Emma Andijewska, Geschichtsforscher Arkadij Schukowskyj, Slawist- und Sprachwissenschaftler Jurij Schewelow.
Im Jahre 1950 gewährt das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultur der UFU das Promotions- und Habilitationsrecht. Die Ukraine validierte die Diplome schon nach der Verkündung der Unabhängigkeit 1992. In den 90er Jahren wurden Kontakte zwischen der Ukraine und der Universität geknüpft; die UFU wurde zum Partner von folgenden Forschungsinstituten: der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine, der Universität Lwiw und der Universität der Vorkarpaten, Universität Kyjiw-Mohyla-Akademie und der Ukrainischen Katholischen Universität. Zusammen führen sie die Fachtagungen und Seminare durch.
Habilitation
Die höchstrangige Hochschulprüfung an einigen Universitäten, ein Zusatz zum Doktorgrad (Dr. habil.).Die UFU funktionierte von Anfang an als eine Bildungsinstitution für ukrainische Emigranten und musste ihnen den Zugang zu Bildung und Forschung gewähren. Nach der Verkündung der Unabhängigkeit gibt die Universität den Studenten aus der Ukraine die Möglichkeit, konkurrenzfähige Ausbildung zu bekommen und sich ins europäische Leben zu integrieren. Die Absolventen der UFU sind Träger des tiefen Wissens über die Ukraine und sie können zu kulturellen Diplomaten und Meinungsmachern seitens der Ukraine in der westlichen Welt werden.
Bis zum Jahr 1996 hat die UFU die Subventionierung von der deutschen Regierung bekommt und ist bis jetzt in die deutsche Ausbildung integriert. Sie bleibt jedoch als private und einzige Universität außerhalb der Ukraine mit ukrainischer Unterrichtssprache tätig. So wie es in den ersten Jahrzehnten ihrer Tätigkeit war, erhält die Universität immer noch ihre Selbständigkeit:
„Wenn Sie die Universität ‚ukrainisch‘ nennen, dann ist es nicht nur ‚die Universität, die den Ukrainern gehört‘, sondern auch ‚die Universität, wo man auf Ukrainisch unterrichtet‘. Und wenn Sie fragen, warum sie ‚frei‘ ist, ist die Deutung sehr klar. Sie ist ‚frei‘, weil die Wissenschaft, womit man sich an dieser Universität beschäftigt, von der Politik nicht beeinflusst wird.“
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2008 zog die Universität ins neue Gebäude in Barellistraße um, wo sie sich bis jetzt befindet. Die Universität ist heutzutage in drei Fachgebiete unterteilt: die Philosophische Fakultät, die Fakultät für Ukrainistik und die Fakultät für Staats- und Wirtschaftswissenschaften. Hier studieren ungefähr 700 Studenten (größtenteils aus der Ukraine), die den Magister- oder Doktortitel erwerben. Sie hören die Vorlesungen auf Ukrainisch, Deutsch, Englisch und haben die Möglichkeit, selbst Kurse zu wählen und den Stundenplan zusammenzustellen. Die Dozenten können ihre eigenen Themen für die Kurse anbieten, im Fall, wenn sie den Zielen der Universität entsprechen. An der Universität unterrichten nicht nur die Wissenschaftler aus der Ukraine oder Diaspora, sondern auch aus Deutschland, Kanada und USA.
Ukrainistik
Der Zweig des humanitären Wissens, der sich auf die Untersuchung wirtschaftlicher, politischer, sozialer, kultureller und historischer Fragen der Ukraine, sowie auf das Leben der ukrainischen Diaspora im Ausland konzentriert.Die Ukrainische Freie Universität gilt als eine bedeutsame Institution nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Deutschland. Die Münchner Stadträtin, Gabriele Neff, arbeitet schon 25 Jahre in Partnerschaft mit Kyjiw zusammen. Sie betont, dass die UFU eine bedeutende Institution für ukrainisch-deutsche Beziehungen ist und dass die Ukraine sie unterstützen sollte:
„Es ist wichtig, dass man die Universität berühmter macht, damit die junge Generation auch mehr Möglichkeiten bekommen könnte. Die Deutschen und die Ukrainer können zusammen verschiedene tolle Projekte machen. Und ich finde dieses Potenzial unglaublich wichtig.“
Unterricht an der UFU. Roman
Roman Jaremko kam an die UFU 1999 im Rahmen eines Stipendienprogramms. Davor studierte er an der Universität Lwiw an der Fakultät für Fremdsprachen. Roman untersuchte die deutschsprachige schweizerische Literatur, besonders die Texte vom schweizerischen Schriftsteller Max Frisch. Als Student der UFU besuchte Roman zuerst die Kurse von bedeutenden Dozenten und beschäftigte sich mit wissenschaftlicher Arbeit:
„Die ersten Eindrücke waren sehr fröhlich. Ich hörte in der Ukraine beispielsweise über Ihor Katschurowskyj. Er ist ein berühmter Schriftsteller, Dichter, Übersetzer und Experte des europäischen Mittelalters. Also guckte ich während des Sommersemesters ins Vorlesungsverzeichnis und fand dort den Namen von Katschurowskyj. Ich ging dann zum Sekretariat und fragte, ob es noch in diesem Kurs freie Plätze gäbe. Man sah an mich: ‚Komm, er wird sich darüber freuen‘.“
Laut Roman, bevor die Ukraine sich unabhängig machte, gab es in der UFU keine Studenten und Dozenten aus der Ukraine. Daran erinnerte sich auch Professor Leonid Rudnyzkyj:
Leonid Rudnyzkyj
Der ukrainische Sprachwissenschaftler, Dozent, Rektor der UFU von 1998 bis 2003.„Bevor die Ukraine unabhängig wurde, bestand das Ausbildungspersonal aus Dozenten, die in England, den USA, Kanada, Deutschland und Frankreich wohnten. Und als die Ukraine in den 90er Jahren souverän wurde, kamen hierher auch die ukrainischen Studenten und Dozenten. Wir waren auch unter diesen. Es war eine Bereicherung, wenn man sich mit den Dozenten aus Diaspora auf Ukrainisch unterhielt. Die Jugend fand es sehr spannend zu beobachten, wie sie miteinander diskutierten. Diese Diskussionen wurden nie von uns verheimlicht, sie waren offen für jeden.“
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Dr. Roman Jaremko unterrichtet an der Ukrainischen Freien Universität die Literaturtheorie, die Allgemeine Literaturwissenschaft und führt Kurse über Methoden der wissenschaftlichen Arbeit für Geisteswissenschaft. Er setzt auch seine wissenschaftliche Tätigkeit fort und erforscht die moderne deutschsprachige Literatur, die in Österreich, Schweiz und Deutschland veröffentlicht wird.
„Wenn man die Themen, die in deutscher Literatur bearbeitet werden, mit der modernen ukrainischen Literatur vergleicht, kann man bemerken, wie intensiv diese sich miteinander kreuzen. Also ist die Globalisierung nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern ein kultureller Prozess. Der Austausch bereichert auch andere Kulturen und Literaturen. Jeder Dozent der UFU findet seine Tätigkeit als eine Brücke, ein Bindeglied zwischen Ukraine und Europa.“
Laut Roman fand am Anfang der Gründung der UFU eine Diskussion statt: Soll es eine Universität oder ein Forschungsinstitut sein? Und dann beschlossen die Menschen, dass nicht nur die Wissenschaft, sondern auch der Unterricht wichtig ist.
„Wir müssen die Jugend für die Zukunft heranbilden. Mit Rücksicht darauf, dass die Universität im Exil gegründet wurde, bestand das Ziel der Institution auch darin, die eigene Identität nicht zu verlieren, in diesem internationalen Meer nicht unterzugehen und im Kopf zu behalten, woher man stammt und welche Wurzeln man hat.“
2021 wird die Ukrainische Freie Universität das 100-jährige Jubiläum feiern. Laut Roman Jaremko gibt es keine solche Universität in der ganzen Welt.
„Man kann sie als die Exil-Universität nicht betrachten, weil seitdem die Ukraine sich unabhängig machte, wurden ukrainische Exil-Organisationen in Deutschland und in anderen Ländern zu Diasporen. Die Einzigartigkeit besteht darin, dass die Ukraine eine Institution im Ausland hat, die als die Universität zu Gunsten der ukrainischen Kultur und Wissenschaft funktioniert.“
Archiv der UFU. Pater Wiktor
Pater Wiktor Holowatsch ist der Archivar der Ukrainischen Freien Universität und Pfarrer der griechisch-katholischen Kirche. Er wurde in Ostpreußen geboren, wohin seine Eltern aus Nadsjannja (ukrainisches ethnisches Territorium im Oberstrom des Sjan-Flusses) während der Aktion Weichsel deportiert wurden. Später wanderte Pater Wiktor nach Kanada aus und war dort in der Nationalbibliothek tätig. Am Anfang 2000er kehrte er nach Deutschland zurück. Er half der Universität mit dem Umzug ins neue Gebäude im Jahre 2008 und dann bekam die Einladung, im Archiv der UFU zu arbeiten.
Aktion Weichsel
Zwangsumsiedlung der Ukrainer aus ihren ethnischen Territorien — Lemkiwschtschyna, Nadsjannja, Pidljaschschja und Cholmschtschyna — in den Norden und Westen Polens, welches bis 1945 Deutschland gehörte.Das gesamte UFU-Archiv beinhaltet ca. 500.000 Dokumentenblätter, die auf Regalen stehen, welche in der Länge etwa 300 m messen.
Man kann alle Dokumente bedingt in ein paar Gruppen einteilen: Archive der ukrainischen Exil-Organisationen in Deutschland, private Archive der ukrainischen Persönlichkeiten, Motivsammlungen und Film-, Foto- und Tonarchiv. Ein Teil ist schon verzeichnet, aber der Großteil der Dokumente muss noch bearbeitet und digitalisiert werden.
Den größten Teil des Archivs bilden die Nachkriegs-Dokumente, weil Fonds in Prag teilweise zerstört oder in die Sowjetunion ausgeführt wurden. Laut Wiktor Holowatsch wurde die Bibliothek der UFU in München vor allem aus den Vorlesungsskripten der Professoren, aus ihren privaten Büchern und Selbstverlagen, Zeitungen und periodisch erscheinenden Zeitschriften gebildet:
„Es gab kein Geld, kein Papier und keine Apparatur, um die Zeitungen zu drucken. Aber die Leute haben alle diese Hindernisse überschritten, um etwas Positives zu schaffen und die Hoffnung zu haben, dass diese Tätigkeit sich weiter ausbreiten wird. Es war jedoch sehr schwer, in 40er Jahren über die Zukunft nachzudenken. Den Menschen war es schwer, diese Zeit zu überleben. Sie haben aber etwas für die Wissenschaft geschaffen, sie waren Enthusiasten. Und in den Konzentrationslagern haben sie die Werke geschrieben, die wir in unseren Archiven jetzt verfügbar haben. Auf solche Weise haben sie, sozusagen, das ganze Leben geschaffen.“
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Der Großteil der Dokumente ist nach den Themen geordnet, aber nicht verzeichnet, also muss man das ganze Verzeichnis durchlesen, um das richtige Material zu finden. Laut Pater Wiktor Holowatsch wird das Archiv allmählich von Forschern aus verschiedenen Ländern bearbeitet. Diese Forscher suchen hier nach Informationen für ihre wissenschaftlichen Arbeiten oder auf eigenes Interesse.
„Ich glaube, dass ein Viertel der Dokumente im Privatarchiv verzeichnet ist. Und es gibt noch Urkundenarchive und Archiv der Universitätsverwaltung. Man muss diese Archive noch verzeichnen.“
Unter den wichtigen Dokumenten des Archivs befinden sich die Fonds des Historikers und Ethnographs Wadym Schtscherbakiwskyj, der Historikerin und Forscherin der Südukraine Natalija Polonska-Wasylenko, des Wissenschaftlers und Psychologes Wolodymyr Janiw. Das Archivmaterial gliedert sich in: das Archiv der zentralen Vertretung der ukrainischen Emigration in Deutschland, das Archiv der Vereinigung der Ukrainischen Jugend, das Archiv des Bundes der Ukrainischen Studenten usw. Einige ukrainische Texte im Archiv zeichnen sich durch das Schreiben in Lateinschrift aus.
„Viele Dokumente sind händisch geschrieben. Einige Handschriften kann man nicht lesen. Es gibt Dokumente, die in ukrainischer Sprache, aber in Lateinschrift geschrieben sind. Damals gab es keine Druckmaschinen mit der kyrillischen Schrift.“
Bibliothek der UFU. Nadija
In kleinen Räumen der UFU Bibliothek werden jetzt etwa 35 tausend Bücher bewahrt. Vor allem kümmert sich Nadija Chomantschuk, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin der Fakultät für Ukrainistik in der Bibliothek tätig ist, um diese. Ihre Bekanntschaft mit der Ukrainischen Freien Universität begann mit den Studieren der Biographie von Hryhorij Waschtschenko, einem ukrainischen Dozent und Wissenschaftler, Mitglied der Wissenschaftlichen Schewtschenko Gesellschaft.
Die Wissenschaftliche Schewtschenko Gesellschaft
Eine ukrainische wissenschaftliche Organisation, die seit 1873 existiert.„Seine Werke haben mein Interesse geweckt und ich habe in seiner Biographie gelesen, dass er an der UFU studiert hatte. Ich habe gelesen, dass die Universität noch existierte und angesichts dessen, dass ich Bachelor-Abschluss bekommen habe, wollte ich das Masterstudium hier fortsetzen.“
Laut Nadija sind einige Bücher noch in Prag gerettet worden, beispielsweise die Jura-Lernbücher, die die ersten Studenten in München benutzten: Sie sind auf Deutsch in einem gotischen Schrift geschrieben. Damals studierten die Kursteilnehmer anhand der Vorlesungsskripten. Ohne Lateinlehrbücher zu haben, schrieben die Dozenten die Vorlesungstexte über lateinische Grammatik aus dem Kopf. Die ältesten Bücher, die sich hier befinden, sind die alten Drucke aus dem 17. Jhd. Der Großteil der Sammlung gehört aber schon zur Nachkriegszeit.
Der wichtigste Teil des Fonds ist die sogenannte Lager-Sammlung, die die Geschichte und Tätigkeiten von „Displaced persons“ auf dem Territorium Deutschlands darstellen. Hier befinden sich die Liste der Menschen, die in den Konzentrationslagern waren und die Liste der Lebensmittel, die sie dort bekamen. Man kann auch Dokumente mit den Namen der Menschen finden, die in die USA oder nach Kanada auswanderten. Es gibt auch eine Auflage „Tägliche Nachrichten aus dem Radio, Presse und Lager“ aus dem Lager in Augsburg 1946. Dank diesen Zeitungen erfuhren die Ukrainer über die Neuigkeiten aus der Welt oder über transatlantische Transportwege für Menschen, die auswandern wollten. In den Konzentrationslagern erschufen die Ukrainer die Eigenverlage und Zeitungen. Beispielsweise sind einige Exemplare der satirischen Zeitschrift „Zaprotorenyj Jizhak-Komar“ („Der verhaftete Igel-Gelse“) (The Hedgehog) erhalten geblieben.
DP-Lager
Unterbringung von Displaced Persons (DPs), die während des Zweiten Weltkriegs zwanghaft von Deutschland und seinen Koalitionspartnern aus besetzten Gebieten deportiert wurden.„Es ist bemerkenswert, dass die Leute zu jener Zeit noch den Sinn für Humor hatten und ihn trotz allem behielten. Diese Zeitschrift hat auch ein interessantes Motto — ‚beißt und stachelt zweimal pro Monat‘.“
Diese Zeitungen und Zeitschriften wurden der UFU nach der Auflösung der Konzentrationslager freigegeben. Die wichtigen Originalveröffentlichungen in den Bibliothekfonds sind auch der Almanach „MUR“, Auflage des internierten Militärs der SS-„Galizien“ „Das Leben im Lager“ und die OUN-Zeitschrift „Surma“.
„Künstlerische ukrainische Bewegung“ („MUR“)
Organisation der ukrainischen Schriftsteller, die in DP-Konzentrationslagern im Exil in 40er Jahren 20. Jhs. wohnten.„Diese Sammlung ist noch ein Grund, weshalb wir die Deutschen interessieren. Es ist auch ein Teil ihrer Geschichte und insbesondere der Geschichte von Bayern. Es ist für sie wertvoll.“
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Einige Publikationen wurden der Bibliothek aus der Ukraine zugeschickt: beispielsweise die historische Zeitschrift „Kievskaya starina“ und die Originalauflage von Hrintschenkos Wörterbuch.
Zur Ukrainischen Freien Universität kommen oft die Forscher, die die Materiale in der Bibliothek erforschen wollen. Das sind die Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern. Die meisten Anfragen kommen aus der Ukraine, aber es gibt auch die Fälle, wenn die Deutsche sich an die Bibliothek richten. Manchmal ist die UFU als Zentrum des Wissens über alles Ukrainisches wahrgenommen.
„Ich erinnere mich daran, als ein Deutscher fragte, ob wir die Archive aus Kyjiw-Darniza Konzentrationslager haben. In diesem Lager arbeitete sein Vater und er wollte wissen, ob der Vater irgendwelche Verbrechen begangen hatte. Generell verfügen wir über keine solche Information, aber manchmal denken die Deutsche: ‚Es ist die ukrainische Universität, dort müssen bestimmte Archive bewahrt werden‘. Es ist einerseits ein Vorteil, weil unsere Universität wie ein Mediator zwischen der Ukraine und Deutschland wirkt. Und manchmal führt das die Deutschen in die Irre.“
Die ukrainische Diaspora aus anderen Ländern schickte systematisch an die UFU ihre periodischen Auflagen. Eine der Zeitungen ist die kanadische „Leben eines Farmers“. Sie ist vor allem für die einzigartige Sprache der kanadischen Diaspora aus dem Anfang des 20. Jhs. interessant, die „konserviert“ und durch Wörter aus dem Englischen und lokalen Dialekten erweitert war. Andere Auflage, wie „Swoboda“ („Die Freiheit“) und „Ukrajinski Nowyny“ („Die Ukrainischen Nachrichten“) sind die ukrainischen Zeitungen, die in Wien veröffentlicht wurden.
„Unsere Professoren hatten teilweise mit den Zeitungen aus dem Anfang des 20. Jhs. zu tun und sie wurden auch in verschiedenen Sammlungen der UFU veröffentlicht. Bis zum Jahre 2000 fühlte jede Diaspora eine Pflicht, ein Exemplar ihrer Zeitungen uns zu schicken. Die UFU war lange Zeit nicht nur eine Universität, sondern auch eine kulturelle Institution für die ukrainische Diaspora.“
Die Bibliothek hat auch eine große kartographische Sammlung, wo man die europäischen Karten des 17. Jhs. finden kann.
Die Dokumente sucht man nach einem elektronischen Katalog, aber in der Zukunft werden sie digitalisiert. Jetzt sind die Dokumente für jeden zugänglich, sogar die alten Drucke kann man auf Regalen finden:
„Das Prinzip unserer Bibliothek und unserer Institution im Allgemeinen ist, dass wir der Welt und den Forschern offenstehen. Die Dokumente brauchen natürlich die Beaufsichtigung. Das kann aber keine Trennwand sein, weil all dies für die nächsten und die gegenwärtige Generation bewahrt werden muss.“
unterstützt durch
Das deutsch-ukrainische Projekt wird gefördert im gemeinsamen Programm „Culture for changes“ der Ukrainischen Kulturstiftung und des Förderprogramms „MEET UP! Deutsch-Ukrainische Jugendbegegnungen“ der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ). Für inhaltliche Aussagen trägt der Autor die Verantwortung.