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Prybirsk, das im ukrainischen Gebiet Polissja liegt, könnte einfach eines der malerischen Dörfer in der Nähe von Tschornobyl sein, über das nur Einheimische und zu neugierige Touristen etwas wüssten, aber dank einiger engagierter Aktivisten lebte das Dorf wieder auf. Hier fand zweimal das Festival „Tschornobyl – Renaissance“ statt, die Schule und der Tanzclub wurden renoviert und die für den Tourismus notwendige Infrastruktur entwickelt. Dem Wunsch eines Mannes schlossen sich andere mit einem gemeinsamen Ziel an.

Jurij Molfar (richtiger Nachname – Jahusewitsch- Red.) zog hierher im Jahr 2008 aus Podillja und beschloss, nicht nur in einer neuen Umgebung zu leben, sondern auch die dortigen BewohnerInnen zu verändern. Seiner Zeit reiste Jurij viel durch die Karpaten auf der Suche nach Magiern, sogenannten „Molfaren“. Daher kommt auch sein Pseudonym – Molfar.

Zu Beginn war er wie alle Anderen: Er betrieb eine Landwirtschaft, war im Bau beschäftigt und führte ein gewöhnliches Dorfleben. Er erzählt, dass er sein altes Stück Heimat ein bisschen vermisst:

„Ich komme aus der Region Winnyzja. Dort gibt es Schwarzerde, Laub- und keinen Nadelwald. Die Hügel. Ich lebe auch auch hier, weil es auch hier einen Hügel gibt. Ich fühle mich zuhause neben dem Hügel. Dort [in Winnyzja] ist die Natur ganz anders! Obwohl es mehr Tierarten gibt, haben aber dort, na ja, die ‚Agrarelfen‘ alles umgepflügt. Hier ist es irgendwie wilder.“

Jurij wurde in Murowny Kuryliwzi geboren, er studierte Rechtswissenschaften in Winnyzja und dann in Kyjiw, er verkaufte auf dem Maidan Bier und entschloss sich danach, Designer zu werden.

„Ich war kurz Designer. Danach pfiff ich darauf und kam hierher. Ich suchte ein Haus. Ich kam hierher und da: Frühling, Wiesen, das Wasser fließt, alles ist wunderschön. Du siehst einfach solch eine Schönheit. So, fertig, hier werde ich leben. Aber ehrlich gesagt sind die Preise wirklich ein Wahnsinn. 8.000 Dollar für ein solches Haus in einem solchen Zustand. Jetzt ist es billiger, weil die Krise kam und das alles ist.“

Jetzt stellt Jurij Musikinstrumente und Einbaumboote her, plant, Pferdetouren zu organisieren und träumt davon, in Prybirsk ein ‚Skansen‘ zu schaffen – ein Museum der volkstümlichen Architektur, wo Häuser, welche das Leben der letzten beiden Jahrhunderte veranschaulichen sollen, ausgestellt werden. Er fand hierzu sogar bereits einen Ort, zwei Hektar Land neben dem Fluss.

„Es gibt bereits solche Vereinbarungen. Ich muss anrufen und fahren um mich mit Wissenschaftlern treffen, und mich beraten lassen, wie viel das alles kosten wird. Im Mai werden wir das Museum bauen, die permanente Ausstellung. Und dann geht alles ein bisschen weiter. Es ist eine Arbeit, die nicht in ein oder zwei Jahren erledigt ist. Das ‚Skansen‘ wird privat sein, weil es so zuverlässiger ist: damit es nicht irgendein Minister mit einem Federstreich schließen kann.“

Insgesamt beteiligte sich Jurij in Prybirsk an der Organisation dreier Projekte: des Festivals, des ‚Skansens‘ und des Naturschutzgebietes. Zum ersten Schritt hin zur Veränderung im Dorf wurde eben das Festival.

Festival

Die Idee, auf diesem Territorium ein Festival zu veranstalten, entstand zufällig aus einer Krisensituation heraus. Als Jurij erfuhr, dass die Wiese im Dorf verpachtet werden sollte, plante er, öffentliche Maßnahmen zu ergreifen, um dies zu verhindern. Immerhin erwählte einst Molfar Prybirsk, als Ort, um dort zu leben, eben wegen seines großen und weitläufigen Territoriums:

„Zu diesem Zeitpunkt sind wir mit Hluchenky (Dmytro Hluchenky – Aut.) — gefahren – er ist Dokumentarfilmer. Wir filmten einen Krimi und fuhren über Obyrok zurück. Und da gingen wir gerade und er sagte: ‚Sie haben mich eingeladen, weil sie den Film zeigen werden‘. Ljonja kam und sagte, dass man ein Festival aufziehen könnte. In mir blitzte seit langem der Gedanke an ein Festival auf. Einen Lärm machen, damit sie die Wiese im Dorf nicht hergeben. Wir einigten un. Ich sagte: ‚Ljonja, ich kann das Festival nicht veranstalten – du schon. Ich kann bauen. Lass mich etwas bauen, und du wirst für mich das Fest machen‘. Nun, das war‘s, wir bauten ihm ein zweistöckiges Esszimmer. Diese Öfen, in denen sie Brot machen, alles unter einem Dach.“

Aus einem verlassenen Kindergartengebäude wurde ein Hostel für das Festival. Es versammelten sich alle, die wollten und säuberten das Gelände und brachten den Müll weg. Um Touristen anzulocken, aber auch für ihre eigene Bequemlichkeit, räumten die Bauern das Ufer in der Nähe des Flusses auf und machten einen Strand daraus:

„Wir fahren 20 km nach Stracholissja zum Baden, und wir haben alles hier gleich neben uns. Ich sage, machen wir hier sauber, schütten wir Sand darauf – und es wird ein Strand. Den Leuten ist es nicht eingefallen, so etwas zu tun. Das Festival ist so eine Sache, weil jetzt man was tun muss. Für einen selbst macht man das nicht, aber da kommen gleichen Leute und werden schauen. Und los, die Jungen kamen mit Sensen, schoben alles weg, machten Ordnung. Und jetzt, pico bello.“

Insgesamt kamen zum ersten Mal vor dem ersten Festival 2016 bis zu 50 Personen auf der Wiese zusammen. Jurij sagt, dass ein Monat sehr vollgepackt war, weil alles zerlegt, die Bänke und Tischchen gebaut und die Fenster in den Garten verglast werden mussten.

Neben Jurij, beteiligten sich von den dortigen Einwohnern auch ein Bibliothekar, die Dorfobfrau und noch einige andere Deputierte am Projekt. Am meisten unterstützte das Projekt eben jene Dorfobfrau, Maryna Bestschastna:

„Sie war Vortragende auf der ‚Ukraine‘- Universität (Nationale Universität für Bioressourcen und Umweltnutzung – Red.) und sie kam her und wurde Obfrau. Sie schmiss diese Arbeit hin. Sie schreibt jetzt ihre Dissertation gerade über Grünen Tourismus (Dissertation über die ländliche Verwaltung – Red.).“

Trotzdem machten sie alles hauptsächlich aus eigener Kraft:

„Beim Festival gaben wir einen Haufen von unserem Geld aus. Und überhaupt auch einen Haufen Zeit.“

Laut Maryna Bestschastna schloss sich auch die Gebietsverwaltung der Organisation des Festivals an. Sie halfen dabei, Künstler herzubringen; halfen mit Spanplatten für den Bau von Tischen und Bänken, gaben und stellten eine Bühne auf; organisierten einen Teil der Musiktechnik mitsamt dem Personal.

Nach der Durchführung des ersten Festivals sprach man auf einmal in den Medien über das Dorf.

„Ich sagte, schau, das internationale Festival ist gelungen – Belarussen, Polen und der Dorfclub bricht zusammen. Wenn auf einmal das einem Polen auf den Kopf fällt – wer wird dann verantwortlich sein?“

Insgesamt versammelte das erste Festival, das von den Einwohnern organisiert wurde, ca. 2.000 Besucher und Besucherinnen. Im Jahr 2017 in Prybirsk während des Festivals „Tschernobyl-Renaissance“ wurde die alte Tradition der sogenannten „Nixenverabschiedung“ wiederbelebt. Vor langer Zeit wurden während der „Nixenwoche“ in Polissja Verabschiedungsrituale für den Frühling, insbesondere die „Nixenverabschiedung“ durchgeführt. Während beider Festivals wurden ukrainische Dokumentarfilme gezeigt und der Auftritt von sowohl ukrainischen als auch internationalen/ausländischen Bands arrangiert.

Obwohl zwei Festivals erfolgreich verliefen, ändert Jurij dieses Jahr den Namen:

„Die vorigen Festivals waren ausgezeichnet, wenn man die mangelnde Erfahrung miteinrechnet. Alles dank der Leute, die wussten, wie man es macht und geholfen haben. Das sind Leonid Kanter, Valerij Gladunez, Oleksij Nahornjuk, Natalka Leschtschenko, Jurij Kowaltschuk und viele andere. Und ein paar Einheimische interessierten sich auch ein bisschen dafür. Ich sage nicht alle, aber eine Truppe ist zusammengekommen. Allerdings hat nach zwei Festivals die gleiche Truppe ohne mich einen Antrag auf Finanzierung eines Festivals unter dem alten Namen gestellt. Mir hat das nicht gefallen, deshalb beschlossen wir, auf ein Privatgelände umzusteigen und den Namen zuerst einmal zu ändern, damit man uns in diesem Jahr nicht mit Regierungsgeldern assoziiert. Jetzt mit 4 Hektar Land kann man anfangen, ein ‚Skansen‘, Pferde, das alles zu machen, na ja, und hier logischerweise ein Fest zu veranstalten. Vor allem ist das Ganze, technisch gesehen, auf privatem Grund viel einfacher.“

Lebensräume

Jurij hat seine eigene Werkstatt. Über die Existenz des Hauses, in dem sich die Werkstatt heute befindet, ahnte Jurij lange Zeit nichts. Das Haus war klein, alt und mit Büschen überwuchert:

„Ich dachte mir, dieser Wald hier – dickes, dickes Gebüsch. Und dann kam der Winter, das Laub fiel – oh, schau einer an, da ist eine Hütte. Und fertig, ich habe sie gleich gekauft. Na ja, wie habe ich sie gekauft? Ich habe die Besitzer fast nicht gefunden. Sie hatten dafür keine Papiere. Das war so ein Suchen: Zuerst Mal, wer hier lebte. Ich fand sie in Kyjiw oder in Boryspil. Ich gab ihnen 500 Dollar und ich sagte: Gebt mir dieses Haus. Schreibt mir eine Quittung, dass ihr 500 Dollar von mir genommen habt – ich werde hier etwas daraus machen. Und fertig.“

Die Jahre veränderten Prybirsk – jetzt stehen die Häuser im Dorf nicht mehr dicht aneinander, was für diese Region ungewöhnlich ist:

„Diese Einöden, Baumpflanzungen und Wälder. Dort lagen die Häuser verstreut. Es war ein landwirtschaftliches Stück Erde, wo man den Boden pflügte. Weil es Wälder und Sümpfe rundherum und nur hier eine geringe Erhöhung gibt. Damals (Zeit der Kollektivierung, 20er, 30er – Üb.) wurden alle Häuser zerlegt und in einem Haufen hierher geschafft. Das Land wurde weggenommen. Dann kamen die Deutschen, die erlaubten ihnen, wieder zurück zu kommen. Die Menschen haben die Hütten wieder abgebaut und trugen sie wieder zurück. Dann kam wiederum das Jahr 1944 – wieder zurück. Kurz gesagt war das wie ein Lego-Baukasten. Jetzt ist es nicht mehr so und sie haben mir erzählt, dass vor ungefähr 20 Jahren dort, wo mein Haus steht, fünf Häuser waren. Hier gibt es nur ein Nachbarhaus, aber früher waren das acht. Haufen über Haufen. Sie trieben alle dumm auf einen Haufen zusammen. Wie ein Opa hier sagte, war das, damit es dem Obersten leichter war, die Leute zum Frondienst (gemeint ist hier die Arbeit in der Kolchose – Üb.) zu treiben und damit es ihm nicht zu weit wurde.“

Molfar erzählt, dass es im Dorf fast keine Polestschuken (Volksgruppe aus Polissja – Üb.) gibt. Früher führte hier die Autobahn von Kyjiw nach Tschornobyl durch und irgendwann änderte sich die Zusammensetzung der Bevölkerung erheblich:

„Genau hier, das Dorf entlang, die Wiese entlang [verlief die Autobahn]. Also haben wir hier einen Bevölkerungsmischmasch. Dann ging Tschornobyl in die Luft– viele sind geflohen und viele Liquidatoren kamen her. Von dem Volksethnos selbst ist gar nichts übrig geblieben. Wenn ein Polistschuke 170 cm groß ist – ist er bereits ein großer Kerl, wenn sie 150 cm groß ist, ist das normal, aber jetzt findet man keine solchen Einheimischen. Nur vereinzelt.“

In Prybirsk gibt es viele wilde Tiere – Elche gehen durch die Gärten und fressen Grünzeug, es laufen Füchse herum, hier leben Biber, Wölfe und Luchse:

„Genau das gleiche wie in der Zone (Tschornobyl Sperrzone – Üb.). Die Viecher raffen nicht, dass das ein Stacheldraht ist und dass weitergehen verboten ist. Sie gehen einfach. Auf Elche traf ich dieses Jahr mehrmals: Du reitest und sie schauen dich an wie einen Idioten. Und du schaust sie an – und denkst dir, was in ihren Köpfen vorgeht. Und sie alle laufen auseinander. Oder du verschreckst einen Hirsch. Na ja, schön. Es gibt ziemlich coole Füchse, so gesunde und fesche. Und dann noch Biber. Die Biber sind ordentlich beschäftigt. Sie haben alle Bäume gefällt – eine Wüste gemacht.“

Die Beziehungen zu Jurijs Nachbarn sind nicht sehr gut. Er versucht nicht, wie andere Einheimische zu sein, aber er möchte auch niemanden hier ändern. Er sagt, dass ihm ihre Einstellung zur Natur großteils nicht gefällt, weil sie hier alles verschmutzen und zumüllen:

„Wozu sie alle verändern? Ändern muss man die normalen Menschen, die, die sich ändern wollen. Zum Beispiel, Serjoga. Die Menschen ändern sich so und so: Da hat man mit jemandem geredet, etwas gehört – und schon hat man sich wieder verändert.“

Mit Serhij hat Jurij eine gemeinsame Sache – die Männer fertigen gemeinsam Einbaumboote an. Sie sagen, dass sie Bootsfahrten organisieren werden, und falls solche Angebote bei Touristen gefragt sind, werden sie noch mehr produzieren. Ein einzelnes Boot kann man in drei Tagen machen. Jetzt arbeiten sie gerade an der Herstellung eines Viersitzers:

„Das ist ein Gerät zum Schwimmen. Wenn es sich dreht, wird es in der Breite wie ein Auto sein. Ein Einbaumboot. Wir machen es nicht ganz traditionell – mit einem Wellenschliff, halben Flügeln. Hier kann man die Bordseite erhöhen, dann wird es noch größer. Schau, hier sind schon vorbereitete Teile, Haken – die werden ‚Boki‘ genannt. ‚Spant‘ in der Fachsprache. Die Borte der Einbaumboote sind traditionell polissisch. Als ich die Technik dahinter nicht kannte, dachte ich mir – aushöhlen und fertig, aber es ist nicht so einfach. Aber beim ersten Mal merkst du schon, bis hierher und nicht weiter. Man muss den Stamm so sägen, damit er beim Fällen nicht knackt, sonst gibt es Risse. Wie passt das? Bei allem gibt es Feinheiten. Wenn der Stamm fällt – bratsch – dann ist es aus, er wird einen Riss haben und dann wirfst du ihn weg. Danach, wie fange ich an, ihn auszuhöhlen? Man muss ihn ausmessen, damit das Boot nicht umkippt. Na dann weiter- und voran.“

Früher hatte Jurij 17 Ziegen, 30 Bienenstöcke, etwa hundert Hühner und ein Pferd. Jetzt hat er nur Pferde und Hühner. Im Garten wachsen nur Blumen. Der Mann hat die Hofwirtschaft beinahe aufgegeben, da er denkt, dass es Zeitverschwendung ist und es keinen Unterschied macht, ob er selbst erzeugt oder vom Nachbar kauft:

„Das alles gehört zum letzten Jahrhundert. Wenn jemand Kartoffel will, dann soll er sie selbst pflanzen. Aber nur Kartoffeln. Und dann brauchen wir Ferkel und dieses und jenes. Du läufst umher, hier gibt es Rüben, hier sind Ferkel, hier gibt es Kartoffeln und dann noch eine Kuh. Kurz gesagt, ich habe noch etwas anderes. Und so den ganzen Tag. Und dann: ‚Warum leben wir so schlecht, wo ist unser Geld, wir arbeiten doch so hart?‘. Man kann schwere Ziegel von einem Haufen zum anderen und wieder zurück schleppen und dann sich fragen, wo denn das Geld ist, wo ist das Geld? Man muss schon ein bisschen darüber nachdenken, was Gewinn bringt und was nicht. Tja, das ist aus der Sowjetunion übrig geblieben, solche Dinge.“

Sein Pferd beschloss Jurij zu verkaufen. Und er entschied, zum Abschied noch einmal auszureiten. Als Ergebnis hat er jetzt einen Stall und plant, Reitausflüge zu arrangieren:

„Ich bin zwei Tage durch Wälder geritten. Mir hat es gefallen und ich beschloss, dass auch andere das sehen sollen. Die Natur von Tschornobyl – Elche, Wölfe: Ab dem Frühling planen wir nun für einige Tage Reitausflüge mit ‚vollem Eintauchen‘ zu starten. Jetzt suchen wir Pferde aus und gleichzeitig versuchen wir, die Pferderasse Polissjas zusammen zu bekommen und wieder zu beleben, diese Rasse, die fast keiner kennt und die fast verschwunden, aber immer noch in den Dörfern zu finden ist. Bisher kommen nur Freunde und Freunde von Freunden zu uns, aber wir haben noch nicht offiziell angefangen.“

Musikwerkstatt

Musik spielt eine große Rolle in Jurijs Leben. Ohne eine spezielle musikalische Ausbildung brachte er sich das Spiel auf der Kobsa, der Lyra, dem Torban, der Gitarre, der Sopilka, dem Klavier und dem Schlagzeug in verschiedenen Stilen bei. Jurij ist Meister der Musikinstrumente. Er baut Lyren und Kobsas nach eigener Konstruktion. Die erste Lyra baute er sich anhand von Fotos, weil er spielen lernen wollte. Jetzt hat es seine eigenen Entwürfe und arbeitet dementsprechend:

„Ich wollte eine Lyra, und es gab kein Geld. Habe mir selbst eine gebastelt – sofort wurde sie gekauft. Ich dachte, ich mache noch eine und sie wurde wieder gekauft. Und so ging es weiter bis heute.“

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Jetzt macht Jurij Lyren auf Bestellung, eine kostet im Durchschnitt 250-300 US-Dollar. Es gibt jedoch keinen systematischen Charakter in seiner Arbeit. Er sagt, wenn er wirklich Geld braucht, dann kann er in 4 Tagen eine Lyra anfertigen, und wenn es nicht so dringend ist, dann in 4 Wochen:

„Nun, eigentlich mag ich es nicht, Instrumente zu bauen. Ich habe einfach kein Geld und muss verdienen. Ich würde lieber spielen anstatt sie herzustellen. Nein, sonst würde ich irgendwo irgendwann einmal, vielleicht einmal im Jahr, alleine, sitzen und auf die Schnelle irgendetwas machen oder bauen. Und so musst du es, du kommst und machst es, weil du Geld brauchst.“

Der Baumeister hat auch einige einheimische Studenten. Für manche ist es eine Art Therapie, vor allem für Männer, die aus dem Osten zurückgekehrt sind (Soldaten, die im kriegerischen Konflikt in der Ostukraine im Einsatz waren – Üb.):

„Nun, das hier hat alles ein Einheimischer gemacht – das Ganze. Ich erklärte und zeigte es ihm, und er hat es schon alleine gemacht. Auf ihr kann man noch nicht spielen – ein verpfuschtes Rad. Das Rad muss ausgetauscht werden. Ich habe so eine Idee, wir möchten ein Rehazentrum und ein psychologisches Zentrum aus dem ehemaligen Krankenhaus machen, wo die Menschen hinkommen würden, die mit ihrem Leben unzufrieden sind. So eine Entspannung – du hast eine Lyra gemacht und drehst die Drehscheibe. Und du wirst ganz glücklich. Eigentlich kann man das jemandem innerhalb einer Woche beibringen.“

Manchmal muss man auf einen Baum guter Qualität warten, um eine Lyra zu bauen. Früher dachte Jurij, man könnte aus jedem beliebigen Baum Instrumente machen. Jetzt arbeitet er ausschließlich mit guten Materialien.

„Ich habe schon Gott weiß wie viele gemacht. Ich habe überhaupt auf diesen Baum gewartet. Bei mir war alles bereit, um zu kleben, und ich sollte sie noch bis Ostern hergeben. Ich schrieb, dass ich sie nicht hergeben kann, ich wartete auf einen sehr guten Baum. Und du wartest. Nun gut. Nein, es ist wirklich cool. Ich hatte bis dahin ein so edles Holz noch nicht in den Händen. Du schaust, und es ist wie Kunststoff, diese Fasern. Mann, du glaubst gar nicht, dass es so etwas gibt – so perfekt gemacht. Nämlich gewachsen, nicht gemacht. Zumal es noch 20 oder 30 Jahre trocknen und stehen muss. Und dir wird klar, dass es du das gleiche hast, wie es bei einem Flügel ist. Das ist genau der Sound.“

Jurij sagt, wenn es auch Streicher, Stifte und Streichinstrumente auf der ganzen Welt gab, dann ist die Lyra ausschließlich europäisch:

„Wo Europa war, da waren auch die Lyren. In Russland gab es sie noch nicht. Wo die Lyra aufhört, da hört auch Europa auf. Also dort, wo die ukrainischen Dörfer sind – noch weiter als abgeschnitten. Niemals wurde etwas erwähnt. Die Lyra ist ein Indikator für Europa. Es gab sie nicht in Afrika, es gab sie nirgends.“

Im Studio von Jurij gibt es viele verschiedene Instrumente und Materialien für deren Herstellung. Der Mann zeigt uns ein Morin Chur (mongolische Pferdekopfgeige) aus Holz. Er sagt, dass er ein solches Instrument wollte und er es sich machte und seine Saiten sind aus Pferdehaaren.

„Morin Chur, Mongolei. Also, ‚Morin‘ – Pferd und ‚Chur‘ – Instrument. Als quasi der Vorfahre von unserer Geige oder so etwas. Das lustige daran ist, dass man die Saiten nicht ganz drückt. Also, sonst klingt es nicht. Das heißt, die Saiten drücken nicht gegen den Hals, er ist Gott weiß wie weit von ihnen entfernt. Das hier ist ein Ding aus Pferdeschwanzhaaren, mit dem ich spiele.“

Abgesehen davon, dass Jurij Musikinstrumente baut, spielt er auch auf ihnen. Er hat eine eigene Gruppe ‚Bramado‘, die einen Mix aus ukrainischen Gesängen, Psalmen und Dumas (Sagen – Üb.) spielt.

Mit kleinen Schritten versucht Jurij, etwas zu ändern. Mit seiner Familie gemeinsam in Prybirsk lebend, reitet er, arbeitet viel mit Holz und spielt. Die Dorfbewohner beginnen bereits zu verstehen, dass Touristen sich für diese Ortschaft interessieren. Das bedeutet, dass die Zeit der Veränderung gekommen ist – für jeden von ihnen.

Wie wir gefilmt haben

Über das Dorf Prybirsk und den Weg zu Jurij Molfar, der in Wirklichkeit kein Molfar, kein Zauberer ist! Über die Dorfvorsteherin von Prybirsk, die versucht, positive Veränderungen vorzunehmen und es gelingt ihr nicht immer. Über das mobile GPS und das gastfreundliche Polissja.

Beitragende

Gründer von Ukraїner:

Bogdan Logwynenko

Autor des Textes:

Maryna Odnorog

Redakteur:

Tetjana Rodionowa

Fotografin:

Taras Kowaltschuk

Fotografin:

Marija Petrenko

Projektproduzentin:

Natalka Pantschenko

Tontechniker,

Kameramann:

Pawlo Paschko

Filmeditor:

Andrij Rohosin

Regisseur,

Filmeditor:

Mykola Nossok

Bildredakteur:

Olexandr Chomenko

Transkriptionist:

Diana Dalkewytsch

Übersetzungsredakteurin:

Elina Fojinska

Folge der Expedition