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Der nationale Naturschutzpark „Tuslyer Limane“ ist eine Kette aus 13 Limanen (lagunenartigen Strandseen) im Gebiet zwischen den Flüssen Donau und Dnister. Die Limane, unter anderem der größte von ihnen, werden als „das Geburtshaus“ des Schwarzen Meeres bezeichnet, da hier immense Ressourcen für die Entwicklung der biologischen Vielfalt vorhanden sind.

Ungeachtet dessen, hat man lange Zeit versucht, aus dem Naturschutzgebiet einen Teich zu machen und erst vor einigen Jahren haben sich Ökologen der Sache angenommen und den Prozess der natürlichen Regenerierung des Gebiets gestartet. 1995 wurde das Liman-System in die Liste der Wasser- und Sumpfgebiete internationaler Bedeutung aufgenommen. Dennoch hat dieses Territorium den Status eines Parks erst 2010 erlangt.

Dieser Teil der Odessa Oblast hat die ganze Vielfalt von Flora und Fauna der Schwarzmeerküste in sich vereint: im Park kann man fast 300 Vogelarten sehen, in den heimischen Seen gibt es 60 Fischarten, mit 37 Arten ist die Tierwelt vertreten.

Für einige Vögel stellen die Limane eine Art Umschlagsort auf dem Weg nach Asien und Afrika dar, einige nisten und überwintern direkt hier.

Die meisten sind im Roten Buch der Ukraine und in der Europäischen Roten Liste eingetragen. Brandgänse, Blässgänse, Singschwäne, großer Brachvogel, Stelzenläufer, Säbelschnäbler, Zwergtrappen und eine Großzahl an weiteren Arten sind am Limit ihrer Existenz.

Iwan

Iwan Russjew, der Ex-Direktor des Parks, kümmert sich um das Schutzgebiet seit 2015, kennt es ausgiebig und liebt jeden Zentimeter dieses Territoriums:

„Wir haben viele Unterarten des Reihers: großer, kleiner, gelber, grauer, Nacht- und Purpurreiher. Wir haben 5 Arten der Meeräschen. Meeräschen – das sind Millionen von Fischen, die aus dem bulgarischen und türkischen Schwarzen Meer zu uns migrieren. Und wenn sie sich in großen Schwärmen sammeln, ist es ein faszinierendes Erlebnis. Ich habe sie ganz klein gesehen, als sie in unseren Liman reinkamen, und groß, als sie ihn wieder verließen. Sie schwimmen in Tausenden raus: versammeln sich im Kanal und man sieht kein Wasser zwischen ihnen. Meine Aufgabe ist es, diese Arten zu erhalten.“

Besonders fürsorglich kümmert sich Iwan um Delfine:

„Es sind sehr organisierte Wesen, sehr schlaue, können ohne Freiheit nicht leben, ohne das Schwarze Meer. Und wenn ich sie in den Delfinarien sehe, ist es eine große Tragödie für mich. Ich kam hierher, um bestimmte Bedingungen für sie zu schaffen. Wir haben 42 Kilometer Meereswasserfläche, damit sie sich dort sorglos fühlen können. Für mich sind Delfine das größte Ereignis. Ein Bekannter von mir, der Taucher ist, hat mir mal eine Geschichte darüber erzählt, wie er einem Delfin-Weibchen, das von Fischern verletzt wurde, beim Gebären geholfen hatte. Es kam ans Ufer zu ihm, damit er ihm helfen konnte.“

Iwan wusste immer, dass er Ökologe werden wollte. Trotz des Wunsches seiner Eltern, ihn als Arzt zu sehen, ist er ein Doktor in Biologie geworden:

„Meine Mutter sagte: ‚Was machst du? Was für ein Biologe? Du musst ein Arzt sein!‘. Was für ein Arzt?! Das gefällt mir nicht! Ich habe immer das Angeln sehr gemocht. Wir hatten an der Donau einen Stausee mit viel Fisch. Im Sommer bin ich um 3 Uhr früh aufgewacht und zu diesem See angeln gegangen. Als ich gefischt hatte, habe ich gesehen wie die Sonne aufgeht, habe die tolle Landschaft gesehen. Da fing ich mit den Gedanken an: ‚Was ist das da? Wie nennt sich das?‘.“

„Die Lehrerein zeigte uns die Natur von Afrika, Australien, und kein einziges Wort über die Natur bei uns. Deswegen machte ich mir Gedanken darüber.“

Die Meinung seiner Mutter hat sich nach einem Vorfall geändert:

„Eines Tages wurde ich zum Fernsehen eingeladen, um als ein Student aufzutreten, der die Natur schätzt. Ich war aufgeregt, da es das erste Mal war und da meine Mutter mich sehen könnte. Ich habe von den vorhandenen Problemen erzählt. Darüber, dass die Umwelt geschützt werden muss. Meine Mutter hat die Reportage aber nicht gesehen, die Nachbarn haben ihr davon erzählt. Dann bin ich einmal mit dem Hubschrauber bei einer Inspektion mitgeflogen und bin vor unserem Haus gelandet. Alle Kinder kamen zu dem Helikopter. Dann habe ich Artikel in Zeitschriften verfasst. Und die Leute sagten: ‚Schau mal was für einen Beruf dein Sohn hat. Er ist zwar kein Arzt, aber er ist echt!‘.“

„Ich dachte, dass ich etwa ein Jahr in diesem Park bleiben würde, aber es kam so, dass ich nun 3 Jahre lang hier bin und nicht weiß, wie lange ich noch bleibe, da ich spüre, dass der Park und die Gemeinschaft, die ich erschaffen habe, mich brauchen.“

Im August 2017 hat er den Posten des Leiters verlassen, jedoch ist er schon bald, im September des gleichen Jahres, wieder zurückgekehrt. Aber Ende 2017 hat Iwan endgültig die leitende Position aufgegeben. Seit Anfang 2018 ist die Direktorin des Parks „Tuslyer Limane“ die Ökologin Iryna Wychrystjuk.

Wilderer

Das Territorium des Parks leidet ständig unter Wilderei und illegalen Baumaßnahmen. Laut Iwan Russjew gibt es bereits über 50 Kriminalverfahren, aber keines davon wurde erfolgreich zu Ende gebracht. Die lokale Regierung, sagt Iwan, verteilt Grundstücke in der Rekreationszone. Immer noch ist die Einteilung des Territoriums der „Tuslyer Limane“ nicht abgeschlossen. Wilderer veranstalten Rallyes im Schutzgebiet, zerstören Hinweisschilder, greifen die Wachleute des Naturschutzparks an, beackern unberührte küstennahe Bereiche.

„Die Wilderer reichen Beschwerden gegen uns ein, da sie vom Ministerium ‚gedeckt‘ werden. Wir schreiben zurück. Es gab Fälle, dass Beamte des Ministeriums die Wilderer anriefen und denen erzählt hatten, wie sie gegen uns vorzugehen haben.“

Die Wilderer schließen die „Durchbrüche“ und fangen den Fisch. Die Mitarbeiter des Parks öffnen diese mit eigener Kraft und mit der Hilfe der Volontäre wieder.

Durchbrüche
enge Kanäle, durch die der Wasseraustausch zwischen der Gruppe der Tuslyer Limane und dem Schwarzen Meer stattfindet

Es gibt immer mehr Leute, die hinter dem Fisch her sind, erzählt Iwan:

„Unserer Einschätzung nach, gibt es momentan ca. 2 Tausend Fangnetze in diesen Limanen. Sicher haben die Einheimischen ein Recht darauf, hier zu fischen und wir unterstützen das. Aber es gibt auch solche, die Wilderei betreiben: Sie errichten die Kanäle illegal und fangen den Großteil der Fische. Dagegen werden wir kämpfen.“

Es häufen sich die Fälle, wenn Parkmitarbeiter kommen, um die Netze zu entfernen, und sie dabei von Grenzschützern gehindert werden:

„Die Wilderer sind im Bund mit den Grenzschützern, sie werden von ihnen ‚gedeckt‘. Wir kommen, um die Netze zu beseitigen, und die Grenzschützer hätten uns helfen müssen, da wir ein Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Organisationen haben. Stattdessen haben sie eine Anzeige gegen den Leiter des Schutzdienstes des Parks und gegen einen Inspektor erstattet.“

Es gibt auch Streitpunkte mit dem Militär. Die Parkleitung kümmert sich laut eigener Satzung um die Tarutyner Steppe – es ist ein lokales Reservat, das keine eigene Leitung hat:

„Wenn das Reservat keine Leitung hat, wird es zu einem begehrten Grundstück. Es gibt ein Dokument von 1946 darüber, dass es ein Übungsplatz der sowjetischen Armee ist. Aber aktuelle Dokumente für dieses Grundstück gibt es nicht. Und inzwischen hat man begonnen, es zu zerstören, um einen Gewinn zu erzielen, es in eine Landwirtschaftsfläche zu verwandeln. Sie sagen: wir brauchen den Gewinn für die Armee. Dann trainiert doch dort eure Soldaten und beackert es nicht. Denn wenn man es in Ackerland verwandelt, verliert man für immer die Möglichkeit, die Steppe wiederherzustellen. Jetzt sind 10.000 Hektar im Tarutyn Rajon noch unberührt. Aber wir können sie verlieren, wenn es keinen politischen Willen des Verteidigungs- und des Umweltministeriums gibt.“

Sassyk

Sassyk ist der größte Liman der westlichen Schwarzmeerküste.

„Sassyk bedeutet ‚der Stinkende‘. Als hier kein Liman war, erfolgte ein Zersetzungsprozess von organischen Verbindungen, in erster Linie von Algen, und es hat sich ein heilender Sumpf gebildet. Früher haben die Einheimischen hier gebadet. Jetzt findet ihr niemanden, der sich am Ufer des Limans erholt, da es gefährlich ist. Das Wasser ist nicht mehr so rein.“

Zu Sowjet-Zeiten gab es am Sassyk ein Heilschlamm-Sanatorium. Es war zu klein für alle Interessenten, daher mussten die Leute im nächstgelegenen Ort – Boryssiwka – untergebracht werden.

„Dieses Dorf war früher aufgrund der Anzahl von Besuchern sehr erfolgreich. Es wurde das Muskel-Skelett-System behandelt, Kreislauf- und Verdauungserkrankungen geheilt.“

Das wasserwirtschaftliche Projekt „Donau-Dnister-Dnipro“ hat den Liman in ein ökologisches Desaster verwandelt. Nach diesem Projekt wurde hier 1978 ein 14 Kilometer langer Stahlbetondamm errichtet, welcher den Sassyk vom Meer trennte. Das hat laut Iwan eine Reihe von Problemen mit sich gebracht:

„Durch das Kappen des Wasseraustausches mit dem Schwarzen Meer haben sie praktisch Sassyk in ein Aquarium verwandelt, in welchem im Sommer sich grünblaue Algen und toxische Gase gebildet haben. Und dieses Gebiet ist in der Sommerzeit im epidemiologischen Sinne unbewohnbar geworden.“

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Aufgrund der Errichtung des Damms sind in den umliegenden Dörfern die artesischen Quellen und zwei Flüsse, die in den Sassyk mündeten – Sarata und Kohylnyk – ausgetrocknet.

„Die Ursache für diese Probleme war das autoritäre Regime, aber es war auch eine Sünde – wenn der Mensch glaubt, er wäre schlauer als die Natur. Wenn der Mensch meint, er könne die Umweltprozesse steuern. Das bedeutet Hochmut. Die Tragödie von Sassyk ist ein klares Beispiel dafür, wie man weder leben noch handeln darf.“

Volontäre

Laut Iwan Russjew, ist ehrenamtliche Hilfe die wichtigste Ressource, dank welcher der Park überlebt.
So hat der Park, mit der Hilfe eines Enthusiasten der Niederländischen Königlichen Gemeinschaft für Vogelschutz, Ferngläser und Fernrohre für das Beobachten von Vögeln und das Aufspüren von Wilderern bekommen.

Volontäre helfen beim Reinigen der Durchbrüche und beim Errichten von Inseln für die Vögel. Die Inseln braucht man, damit Vögel dort ihre Nester bauen können:

„Wir haben sehr viel Wasser, ca. 12 Tausend Hektar, aber es gibt praktisch keine Inseln. Nur die Geschiebebänke, über welche aber Fleischfresser wie Füchse, Dachse, Schakale oder Waschbären den Zugang haben. Sie zerstören die Nester und fressen die Jungvögel. Also wenn wir die Inseln errichten, können dahin keine Wildtiere gelangen. Auf diesen Inseln nisten sich sofort Vögel ein, womit wir ihnen eine Möglichkeit geben, ihren Bestand wiederherzustellen. Im Moment haben wir bereits ein kleines abgeschlossenes Programm: es gibt 42 Nester eines sehr seltenen Vogels, Säbelschnäbler, der im Roten Buch der Ukraine aufgelistet ist.“

Im nächsten Jahr planen sie Inseln für Pelikane. Sie werden aus Weinreben bestehen, die mit dem Floss zum Flachwasser gebracht werden. Vor Ort erhalten die Inseln ihre Form:

„Wir füllen sie mit den Weinreben, verdichten sie. Danach, je nachdem, welche Vögel wir einbeziehen wollen, decken wir alles entweder mit Heu, mit Muscheln oder mit Schilfrohr ab. Solche Gebilde erfüllen lange ihren Zweck, da dort das Salzwasser ist und die Äste nicht faulen. Und unterhalb formiert sich eine andere Ansiedlung — zum Beispiel Seeanemonen und Kleinfische.“

Die Freiwilligen werden hier außerdem für die Errichtung von ökologischen Buhnen, von Pfaden und Parkplätzen, sowie für die Befragung von Touristen eingesetzt.

Buhnen
Die senkrecht zum Ufer verlaufende Bauten, die als Schutz vor Abspülung dienen.

Einige helfen nicht nur physisch, sondern verteidigen die Interessen des Parks auch auf rechtlichem Niveau:

„Es gibt freiwillige Helfer, die in Kyjiw und Odessa leben. Sie kontaktieren mit den Beamten, erstellen Reportagen, organisieren Streiks, wenn es nötig ist.“

„Wir arbeiten mit vielen Schulen zusammen, mit den Lehrern, den Kindern, die unseren Park besuchen und hier einige Objekte, Vögel oder Pflanzen erforschen. Und wir setzen auf diese Leute. Das ist die Zukunft unseres Parks und der großen Gemeinschaft – unseres Landes.“

Schaut euch in unserem Videoblog auch an, wie alles gefilmt wurde:

Beitragende

Projektgründer:

Bogdan Logwynenko

Autorin des Textes:

Wiktorija Sawyzka

Redakteurin:

Jewhenija Saposchnykowa

Projektproduzentin:

Olha Schor

Fotografin:

Polina Sabischko

Kameramann:

Pawlo Paschko

Kamerafrau,

Filmeditorin:

Marija Terebus

Regisseur,

Filmeditorin:

Mykola Nossok

Bildredakteur:

Olexandr Chomenko

Transkriptionist:

Serhij Husenkow

Übersetzer:

Petro Jurkewych

Folge der Expedition