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Der großangelegte Angriff Russlands auf die Ukraine führte zu der größten Krise Europas seit dem Zweiten Weltkrieg und zur Verletzung internationaler Sicherheitsvereinbarungen. Terror seitens des Aggressorstaates resultierten im Tod von Zivilisten, in der Zerstörung der zivilen Infrastruktur und in technogenen Katastrophen im Kriegsgebiet. Deren Folgen sind nicht nur in der Ukraine, sondern auch in anderen Ländern spürbar.

Die Welt begann gerade erst, sich von der Corona-Pandemie zu erholen, ist aber mit den steigenden Preisen für Lebensmittel und Energie sowie der Gefahr eines Atomkriegs konfrontiert. Die Menschen auf der ganzen Welt sind von den Auswirkungen des Krieges betroffen, doch Russland beschießt immer weiter tagtäglich ukrainische Städte und Dörfer. Auf solche Weise wirkt Moskau auf die globale Agenda ein. Diese Krisen sind das Ergebnis des von Russland angestifteten Krieges und nicht des Widerstands der Ukrainer, die ihr Land gegen die Okkupanten verteidigen. In diesem Artikel erklären wir, welche Krisen es in der „Erfolgsbilanz“ des Aggressorlandes gibt.

Lebensmittelkrise

Schon lange vor dem Beginn des Krieges stiegen die weltweiten Lebensmittelpreise aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie. Während der Lockdowns nahmen die Wirtschaftsaktivitäten weltweit stark ab. Laut dem Internationalen Währungsfond (IWF) sank das durchschnittliche globale Bruttoinlandsprodukt von 2019 bis 2020 um 3,9 %, was die schlimmste Rezession seit der Weltwirtschaftskrise 1929–1933 war. Als die Quarantänebeschränkungen aufgehoben wurden, begann die Erholung der Wirtschaft und die Preise schossen rasant in die Höhe.

Die Weltwirtschaftskrise
Die Weltwirtschaftskrise dauerte vom Herbst 1929 bis Ende der 1930er Jahre und traf vor allem die Länder Westeuropas sowie die USA.

Außerdem beeinträchtigte die Pandemie vehement die globalen Logistikketten, was ebenfalls zu steigenden Lebensmittelpreisen und der Ausbreitung des weltweiten Hungers beitrug. Statistik zufolge sterben etwa 9 Millionen Menschen jedes Jahr an Hunger. Russlands Militäraktionen in der Ukraine verschlimmerten die Lebensmittelkrise immens.

Foto: Jefrem Lukazkyj.

Die Ukraine ist seit langem ein bedeutender Getreideexporteur. Im Jahre 2021 ernährte das Land weltweit 400 Millionen Menschen. Bis 2022 verkaufte sie jährlich durchschnittlich 50 Millionen Tonnen landwirtschaftliche Produkte. Die Ukraine und Russland exportierten zusammen fast ein Drittel der Weltproduktion von Weizen und Gerste. Darüber hinaus exportierte die Ukraine 2020–2021 5,27 Millionen Tonnen Sonnenblumenöl, was 46,9 % der weltweiten Exporte ausmachte.

Ungefähr 90 % des Weizens und anderen ukrainischen Getreides wurden ins Ausland auf dem Seeweg transportiert. Nach der großen Invasion blockierte Russland die Schwarzmeerküste, sodass der Getreideexport über die wichtigsten Seewege in den ersten fünf Kriegsmonaten eingestellt werden musste.

Außerdem beschießt Russland regelmäßig landwirtschaftliche Infrastruktur, zündet Felder an und stiehlt ukrainisches Getreide.

Ende Mai zeigten die von Maxar Technologies aufgenommene Satellitenbilder, dass Schiffe unter russischer Flagge in einem Hafen auf der Krym mit Getreide beladen wurden und wenige Tage später mit offenen Luken in Syrien anlegten. Interessant ist auch die Aussage des russischen Präsidenten Putin, dass 2022 die Ernte in Russland einen Rekordwert von 130 Millionen Tonnen erreichte.

Russlands Verbrechen verschärften die globale Lebensmittelkrise, die sich katastrophal auf die ganze Welt auswirkte. Die Sperre ukrainischer Getreideexporte verschlimmerte den Hunger in einigen der vulnerabelsten Regionen der Welt. Es gelang jedoch, den Getreideexport dank langer Verhandlungen wieder aufzunehmen. Am 22. Juli 2022 unterzeichneten die Ukraine, Russland und die Türkei ein Abkommen über den sicheren Export ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer. Dadurch konnten die Lieferungen erneuert werden, aber die Lebensmittelsituation in der Welt blieb weiterhin kritisch. In Ostafrika beispielsweise verursachte die anhaltende Dürre, Getreideblockade und wirtschaftliche Folgen des Krieges in der Ukraine Massenhunger, wodurch drei Millionen Menschen in der Region gefährdet sind.

Foto: Kevin Carter.

Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) stiegen die Weltmarktpreise für Fleisch vom Sommer 2021 bis Sommer 2022 um 8,2 %, für Milchprodukte um 23,5 % und für Weizen um 10,6 %. Und die Preissteigerung dauert weiter an. Im schlimmsten Fall könnten die globalen Lebensmittelpreise nach UN-Schätzungen bis 2027 um weitere 8,5 % steigen. Die FAO schätzt außerdem, dass im Jahre 2022 bis zu 181 Millionen Menschen in 41 Ländern einer Lebensmittelknappheit oder noch stärkerem Hunger ausgesetzt werden können.

Energiekrise

Russland ist einer der Hauptakteure auf dem Weltenergiemarkt, es gehört zu den drei größten Ölproduzenten der Welt und ist das weltweit größtes Gasexporteur. Das Land hängt stark von Rohstoffeinnahmen ab, 2021 machten sie 45 % des russischen Staatsbudgets aus. Diese Tatsache erlaubt dem Aggressorstaat, Öl und Gas als Erpressungsmittel zu nutzen, wenn es um politische Interessen geht.

Bereits vor dem großangelegten Angriff auf die Ukraine war die Situation mit den Weltenergieressourcen schwierig. Die Länder fingen erst an, sich von der COVID-19-Pandemie zu erholen und die rasche Wiederaufnahme der Produktion verursachte eine Preissteigerung für Kohle, Erdgas und Öl. Gleichzeitig nutzte Russland seine Monopolstellung auf dem europäischen Gasmarkt: es schränkte die Lieferungen ein und erhöhte die Preise. Darüber geht es in der Erklärung der Internationalen Energieagentur (IEA) vom September 2021. Aufgrund abnormaler Gaspreise mussten einige europäische Düngemittelfabriken sogar schließen (z. B.einige Ince-Werke von CF Fertilizers in Großbritannien, Agropolychim- und Neochim-Werke in Bulgarien), was wiederum die Preissteigerung für Düngemittel um 300 % innerhalb eines Jahres bedingte. Dies wirkte sich direkt auf die Lebensmittelsituation aus.

Im Januar schlug die IEA erneut Alarm und betonte, dass Russland die Lieferungen nach Europa ungerechtfertigt und erheblich reduzierte, wodurch eine künstliche Krise auf den Märkten entsteht und die Energiepreise erhöht werden.

Derzeit verschlimmerte sich die Situation noch mehr. Die Versorgung mit Erdgas aus Russland wurde ziemlich instabil und unberechenbar, weswegen Europa in eine Energiekrise geriet. Bereits am 7. März 2022 erreichten die Erdgaspreise in Europa ein historisches Maximum von 3.700 USD pro tausend Kubikmeter an der ICE-Futures-Börse. Im März  2022 stiegen die Brent-Ölpreise stiegen auf fast 129 USD pro Barrel zum ersten Mal seit 2008 (zum Vergleich: Im März 2021 schwankte der Preis zwischen 60 und 70 USD pro Barrel und im März 2017 zwischen 50 und 56 USD pro Barrel).

Brent
Eine hochwertige Rohölsorte, ein Mix aus Rohölen, die in der Nordsee zwischen den Küsten Norwegens und Schottlands gefördert werden.

Europäische Abgeordnete haben Russland wiederholt beschuldigt, Energieexporte als Druckmittel einzusetzen. Diese Politik wird auch heutzutage durchgeführt: Das russische staatliche Erdgasförderungsunternehmen Gazprom stellte alle Gasexporte über die Nord-Stream-Pipeline aufgrund vermeintlicher Wartung von Kompressoren seit dem 31. August ein. Die Lieferungen sollten in drei Tagen wieder aufgenommen werden, Gazprom gab jedoch später bekannt, dass die Pipeline angeblich wegen eines Öllecks auf unbestimmte Zeit eingestellt werde. Russland erklärte westliche Sanktionen als Ursache der Probleme, denn diese würden das Land hindern, die Pipeline zu warten und zu betreiben. Eine solche Rhetorik lenkt die internationale Gesellschaft und insbesondere den Durchschnittsverbraucher von Kriegsverbrechen ab, die die russische Armee täglich in der Ukraine begeht. Einige Bürger, die schnell zu den Vorkriegspreisen zurückkehren möchten, würden dem Aggressorland zustimmen, dass die Aufhebung der Sanktionen das Problem lösen würde. Doch eine solche Position ist kurzsichtig und kollaborativ, denn die Aufhebung oder Lockerung der verhängten Sanktionen beendet den Krieg nicht, sondern zieht ihn nur in die Länge. Wer sich an Russlands Seite stellt und sich mit den Worten „Wir wollen Frieden“ rechtfertigt, unterstützt und finanziert somit den Krieg gegen die Ukraine.

Erdgas ist die Hauptenergiequelle für Haushalte und Industrie in Europa, 40 % davon kommt aus Russland. Die Länder suchen nach alternativen Lösungen, was aber zu einem Rückgang des Angebots auf dem Markt und damit zu einem Anstieg der Strompreise führt.

Nord Stream
Nord Stream ist eine Gaspipeline, die durch Russland, Schweden, Dänemark und Deutschland verläuft und Westeuropa direkt mit russischem Erdgas versorgt.

Trotz internationaler Sanktionen, Verzicht einiger Länder auf russische Energiequellen und die Einstellung von Nord Stream, verdoppelte sich der Erlös Russlands vom Öl- und Gasexport nach Europa in den ersten 100 Tagen des Krieges aufgrund der Preiserhöhung. Der Erlös betrug dabei 93 Milliarden US-Dollar. Dies erlaubte Russland, den Krieg in der Ukraine fortzusetzen und Europa weiter zu erpressen.

Wirtschaftliche Krise

Auf die Energiekrise folgt eine Wirtschaftskrise. Steigen die Treibstoffpreise, leiden die Verbraucher nicht nur an der Tankstelle, sondern auch indirekt, da auch die Preise für Lebensmittel und Dienstleistungen durch gestiegene Transportkosten erhöht werden. Der Krieg in der Ukraine wirkte sich stark auf die durch die Corona-Krise geschwächte Weltwirtschaft aus.

Weltbankpräsident David Malpass behauptet, dass sich das globale Wirtschaftswachstum zwischen 2021 und 2024 um 2,7 % verlangsamen wird. Dies ist mehr als doppelt so viel wie zwischen 1976 und 1979, als zuletzt eine Stagflation beobachtet wurde. Eine Stagflation bedeutet die Verlangsamung der wichtigsten wirtschaftlichen Prozesse (sinkende Nachfrage sowie Rückgang der Geschäfte), begleitet von der steigenden Inflation.

Nach Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat ist die Verbraucherpreisinflation in Europa im Mai auf 8,1 % gestiegen und erreichte somit den höchsten Stand seit 1997. Im Juni erreichte dieser Wert bereits 8,6 %.

Dieser Preissprung bedeutet, dass für viele Menschen einige Lebensmittel, die sie sich noch gestern leisten konnten, heute nicht mehr verfügbar sind. Die steigenden Lebenshaltungskosten bedeuten Armut oder sogar Hunger für Millionen von Menschen.

Die Inflation trifft am stärksten die Armen und Schwachen und verursacht eine zunehmende Ungleichheit in der Welt. Laut dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) befinden sich die Schwellenländer Länder in Europa und Ostasien bereits in einer Rezession, einer Phase des wirtschaftlichen Zyklus, die einen allgemeinen Rückgang der wirtschaftlichen Tätigkeit verzeichnet.

Manche Länder spüren bereits die schweren Folgen der Krise. Dazu gehören Armenien und Usbekistan in Asien; Burkina Faso, Ghana, Kenia, Ruanda und Sudan in Afrika; Haiti in Lateinamerika; Pakistan und Sri Lanka in Südasien. In Äthiopien, Mali, Nigeria, Sierra Leone, Tansania und Jemen können die Auswirkungen für Menschen unterhalb der Armutsgrenze besonders stark sein, und in Albanien, der Kirgisischen Republik, der Republik Moldau, Tadschikistan und der Mongolei können die Folgen verheerend sein.

Doch nicht nur in den ärmsten Ländern wird sich das Leben verändern. In Großbritannien beispielsweise führen steigende Preise dazu, dass sich immer mehr Menschen Grundnahrungsmittel nicht leisten können und sich an die Lebensmittelbanken wenden. Sollten die Gaspreise weiterhin auf dem Niveau von Sommer 2022 bleiben, werden die Stromrechnungen noch weiter steigen und sich spürbar auf die Einkommen der Verbraucher auswirken. Und zwar nicht nur in Großbritannien, sondern auch in anderen europäischen Ländern.

Lebensmittelbank
Eine wohltätige Organisation, die Lebensmittel von Herstellern, Händlern, Gastronomiebetrieben, Privatpersonen sammelt und diese an bedürftige Menschen verteilt.

Humanitäre Krise und Migrationskrise

Russlands Invasion in die Ukraine war der Grund für eine der größten und schnellsten Flüchtlingsströme in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

Laut dem UN-Flüchtlingskommissar erreichte die Zahl der Flüchtlinge am 20. Juni 2022 weltweit 100 Millionen, ein Drittel davon sind Kinder. Das ist ein Rekord, obwohl es laut dem UN-Bericht bereits 2021 Spitzenwerte gab. Der Grund für die Migration und Flucht waren Kriege, bewaffnete Konflikte, Aufstände und Repressionen, vor allem in afrikanischen Ländern.

Ende 2021 betrug die Zahl der Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, 89,3 Millionen. Das ist 8 % mehr als 2020 und mehr als doppelt so viel wie vor 10 Jahren. Die höchste Zahl an Binnenflüchtlingen wurde bisweilen in Syrien, Kolumbien, der Demokratischen Republik Kongo, Jemen, Äthiopien und Afghanistan verzeichnet. Jetzt hat sich auch die Ukraine der Liste angeschlossen: Nach Angaben der UN mussten Stand Juni 2022 mehr als 14 Millionen Ukrainer:innen aufgrund des russischen Angriffs ihren Wohnort verlassen, sechs Millionen davon flüchteten ins Ausland.

Umfangreiche Umsiedlungen der Menschen verursachen humanitäre Probleme. Schon vor dem 24. Februar 2022 versuchte die UN, Finanzmittel für die humanitäre Hilfe zu beschaffen. Doch 2021 erhielt die UN sogar weniger als die Hälfte der beantragten Geldmittel. Jedes Jahr steigt der humanitäre Bedarf, aber die Finanzierung nimmt ab. Daher konnte das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) weniger Nahrungsmittel an Geflüchtete und andere vulnerable Bevölkerungsgruppen in Ostafrika und im Nahen Osten zur Verfügung stellen.

Eine große Anzahl von Geflüchteten ist eine zusätzliche Belastung für andere Länder, die ihnen Zuflucht bieten, insbesondere für deren Bildungswesen, Gesundheitssystem, Arbeits- und Wohnungsmärkte. Dies wird besonders spürbar, wenn die Menschen nicht nach und nach, sondern schlagartig in großen Mengen ankommen, wie im Fall der Ukrainer:innen.

Nach der Ankündigung der Teileinberufung von Reservisten in Russland, siedelten die Russen massenhaft in andere Länder um, in denen die wegen dem Krieg geflüchteten Ukrainer:innen vorübergehend Asyl erhielten. Dies kann zu Spannung und internen Konflikten innerhalb der jeweiligen Länder führen.

Der Mangel an Lösungen für diese Probleme wächst weiter, denn aufgrund des täglichen Terrors Russlands und deren Erpressung mit Atomwaffen werden Menschen zur Flucht gezwungen. Der UN-Sicherheitsrat verliert allmählich die Fähigkeit, bewaffnete Konflikte zu verhindern und immer wieder auftretende Flüchtlingskrisen zu meistern.

Ökologische Krise

Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine verursachte große Umwelt- und Gesundheitsschäden. Einige schädliche Folgen sind bereits zu sehen, andere werden die Ökosysteme der Ukraine und der Welt erst auf Dauer beeinträchtigen.

Im Juli 2022 veröffentlichte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) einen umfassenden Bericht über die Umweltprobleme, die Russland durch seine Verbrechen in der Ukraine verursacht. Dem Bericht zufolge beschießt das Aggressorstaat Wälder, Land- und Meeresökosysteme, Industrieanlagen, Verkehrsinfrastruktur sowie Wasserversorgungs-, Abwasserentsorgungs- und Abfallentsorgungsanlagen. Wegen ständiger Angriffe auf Ölraffinerien, Chemiebetriebe, Energiewerke, Industrielager und Pipelines werden Luft, Wasser und Boden der Ukraine verseucht. Dadurch kann die Gesundheit der Bevölkerung langfristig gefährdet werden. Die Auswirkungen werden nicht nur in der Ukraine, sondern weit über ihre Grenzen hinaus spürbar sein.

Kampfhandlungen verursachen eine Zunahme von solchen Abfällen wie Bauschutt (zerstörte oder beschädigte Gebäude), medizinische und militärische Abfälle (verbrannte Ausrüstung, Granatsplitter, Elektroschrott von Drohnen etc.). Einige davon sind giftig und erfordern eine besondere Handhabung, Transport und Entsorgung, was einerseits während aktiver Kampfhandlungen unmöglich ist und andererseits systemische Maßnahmen auf staatlicher und lokaler Ebene erfordert. Die in den Munitionsrückständen enthaltenen Giftstoffe können in den Boden gelangen und Oberflächen- und Grundwasser verseuchen. Eine weitere Bedrohung sind die Blindgänger.

Die russische Armee beschoss auch Treibstoffdepots und Ölraffinerien in der ganzen Ukraine, was zu großen Bränden und Schadstoffemissionen von Ruß, Methan und Kohlendioxid führte.

Die Erfahrung früherer Kriege zeigt, dass sich diese Emissionen über große Entfernungen verteilen und die Menschen weit über die Kriegsgebiete hinaus an deren Folgen leiden werden. So steckten irakische Soldaten Anfang der 1990er Jahre in Kuwait mehr als 650 Ölquellen in Brand, die dann 10 Monate lang brannten. Als Folge kam es zu einem großflächigen Leck von Rohöl in die Wüste und später in den Persischen Golf. Laut NASA bildeten sich damals etwa 300 Ölseen und eine Schicht aus Ruß und Öl fiel vom Himmel, vermischte sich mit Kies und Sand und bedeckte 5 % der kuwaitischen Landschaft. Die Luftanalyse zeigte damals, dass die Verbrennung von Öl 2 % der weltweiten Kohlendioxidemissionen ausmachte. Eisproben, die Jahre später von tibetischen Gletschern entnommen wurden, stellten fest, dass der vom Wind über Hunderte von Kilometern weggetriebene Ruß die Gletscher bedeckte.

Der Krieg beeinflusst ohne auch negativ die Ökosysteme der Ukraine, was sich auf den Zustand der globalen Ökologie auswirkt. Derzeit befinden sich 44% der ökologisch am stärksten gefährdeten Gebiete des Landes in der Kriegszone. Russische Truppen drangen bereits in mehr als ein Drittel der Naturschutzgebiete des Landes ein, wodurch deren Ökosysteme bedroht werden.

Etwa 35 % der Biodiversität Europas befindet sich in der Ukraine. Es gibt mehr als 70.000 seltene und endemische Arten von Flora und Fauna, die durch den Krieg bedroht sind.

Ein weiteres Problem sind die Leichen russischer Soldaten, die lange Zeit auf dem ukrainischen Land liegen bleiben. Mit der Zeit zersetzen sie sich, verrotten und bilden gefährliche Bakterien, die den Boden vergiften und die Vegetation beeinträchtigen. Die Leichen werden von Wildtieren gefressen und die Infektionen werden so verbreitet.

Die Kämpfe entlang der Schwarzmeer-Küste der Ukraine fügen enorme Schäden dem Wasserökosystem zu. Bereits im Juni wurden an den Küsten Bulgariens, Rumäniens, der Türkei und der Ukraine mehrere tausend Delfine tot aufgefunden. Der Krieg kann sich auch auf die allgemeine Population von Tieren auswirken und eine Massenmigration nach Süden auslösen.

Russland verursacht auch indirekte Umweltfolgen, die mit der Energiewirtschaft verbunden sind. Das Erreichen der Klimaziele im Rahmen des Übereinkommens von Paris wird dadurch verhindert. Statt einer schnellen Umstellung auf erneuerbare Energiequellen plant die Europäische Union nun, das russische Gas teilweise durch Gas aus den USA zu ersetzen, das aber hohe Emissionen aufweist.

Das Übereinkommen von Paris
Eine Vereinbarung des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen in Bezug auf die Regelung von Maßnahmen zur Reduzierung der Kohlendioxidemissionen ab 2020.

Einige durch den Krieg verursachte Umweltbedrohungen können erst viele Jahre später auftreten. So wurde beispielsweise 2016 in Russland aufgrund eines Anthrax-Ausbruchs in sibirischen Siedlungen sogar der Notstand verhängt. Aufgrund einer ungewöhnlichen Erwärmung wurde der Anthrax-Erreger, der Anfang der 40er Jahre in Zeiten des Zweiten Weltkriegs dorthin geriet, entfrostet. Damals starben viele Rentierherden und der Krankheitserreger blieb in den im gefrorenen Boden vergrabenen Überresten bestehen. Somit litten die Anwohner mehr als 70 Jahre nach dem Kriegsende an dessen Folgen.

Atomkrise

Russland erpresst die ganze Welt mit Atomwaffen und schafft sogar Präzedenzfälle, die zu einer echten Katastrophe mit unvorhersehbaren Folgen führen können.

Bereits am Anfang des grossangelegten Angriffes führte Russland Militäroperationen in der Nähe des Kernkraftwerks Tschornobyl durch und lagerte dort Tonnen von explosiver Munition. (In Tschornobyl fand 1986 die weltweit schlimmste Nuklearkatastrophe statt.) Die aufgrund der Beschüsse verursachten Waldbrände in der Nähe des Kernkraftwerks führten zur Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Atmosphäre. Durch den intensiven Verkehr von Militärfahrzeugen überstieg die Gammastrahlung in der Tschornobyl-Zone bereits am ersten Tag der Invasion die Jahresnorm um etwa 28 mal.

Die russische Invasion ist der erste Fall in der Weltgeschichte, in dem ein Krieg direkt in der Nähe von Kernkraftwerken stattfindet, und der erste Präzedenzfall der gewaltsamen Beschlagnahmung eines Atomkraftwerkes. Es geht um das Kernkraftwerk Saporischschja in der Stadt Energodar in der Region Saporischschja, dessen Mitarbeiter gezwungen wurden, das Unternehmen mit vorgehaltener Waffe weiter zu betreiben.

Die Besatzer beschießen mit Raketen die Siedlungen in der Nähe des Kernkraftwerks Saporischschja und manchmal auch die AKW selbst. Im September 2022 wurde infolge eines  Mörserbeschusses auf das AKW-Gelände der Notfallschutz ausgelöst und der fünfte Generator abgeschaltet. Früher, im August, wurden drei Strahlungssensoren beschädigt. Internationale Institutionen und Politiker forderten Russland weiterhin auf, Militär vom Werk abzuziehen, doch ohne Erfolg.

Das AKW Saporischschja ist das größte in Europa. Sollte sich an einem seiner aktiven Reaktoren ein Unfall ereignen, würden die schrecklichen Folgen nicht nur die Ukraine, sondern auch die Nachbarländer betreffen, da der Wind radioaktive Partikel sehr weit treiben kann. Es handelt sich nicht nur um die Verschmutzung riesiger Gebiete, sondern auch um radioaktive Schäden für die Bevölkerung. Die Erfahrung von Tschornobyl zeigt, dass die Folgen einer Explosion noch mehrere Generationen beeinträchtigen werden.

Die russische Armee schießt gelegentlich auf ukrainische Atomkraftwerke und beschuldigt dabei die Ukraine. Bei einem der Angriffe auf das Kernkraftwerk Südukraine im September fiel eine Rakete nur 300 Meter entfernt von den Reaktoren. Die Druckwelle beschädigte die Kraftwerksgebäude und zersplitterte mehr als 100 Fenster.

Russland nutzt nuklearen Terror als Waffe und droht der ganzen Welt, Atomwaffen einzusetzen. Der Kreml kündigte noch im Februar 2022 an, Nuklearstreitkräfte auszubilden und dass Putin selbst die Raketenstarts überwache. Bereits während der Invasion testete Russland am 20. April 2022 eine neue Langstreckenrakete. Gleichzeitig warnte Putin, dass dies „diejenigen zum Nachdenken bringen sollte, die in der Hitze der wahnsinnigen aggressiven Rhetorik versuchen, sein Land zu bedrohen“.

Am 21. September drohte der russische Präsident während der Ankündigung der Teilmobilmachung erneut mit Atomwaffen und betonte, Russland sei bereit, diese im Falle eines Angriffs auf sein Territorium einzusetzen. Gleichzeitig kündigte er die Durchführung von Pseudo-Referenden in den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine an.

Da nach dem Pseudoreferendum diese Gebiete als Teil Russlands betrachtet werden können, kann die Befreiung des Landes (von Russland als Angriff seitens der Ukraine betrachtet) der Grund für den Einsatz von Atomwaffen sein.

Erpressungen und Manipulationen finden ständig statt, russische Politiker machen dauernd zweideutige Aussagen über einen potentiellen Einsatz von Atomwaffen. So sagte z.B. der russische Ex-Präsident Dmitrij Medwedew am 27. September, dass Russland berechtigt sei, Atomwaffen einzusetzen, wenn dies erforderlich ist. Putins Pressesprecher Peskow betonte am 30. September, dass der Kreml dieses Thema nicht weiter besprechen wolle und fordert alle auf, sich verantwortlich zu verhalten.

Sicherheitskrise

Der Terror seitens Russland löste die größte Sicherheitskrise in Europa seit dem Kalten Krieg aus und zwang europäische Länder, gemeinsam die Ukraine gegen Russland zu unterstützen. Russland verletzt diverse internationale Vereinbarungen, erpresst die ganze Welt und bedroht die Sicherheit von Millionen Menschen.

Das Aggressorland ist die größte Bedrohung für den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit, weil es die von den Europäer jahrelang aufbaute Sicherheitsstruktur zerstört und systematisch die Souveränität anderer Staaten verletzt – in den letzten 30 Jahren waren es Moldawien, Georgien und die Ukraine.

Außerdem zwingt es neutrale Länder, ihre Verteidigungsfähigkeiten zu stärken, wie z. B. Finnland und Schweden, die einen Antrag auf NATO-Beitritt gestellt haben. Europäische Nato-Mitgliedsstaaten und die USA erhöhten ihre Militärausgaben. Andere Länder sind sich der potenziellen Risiken einer Nachbarschaft zu Russland bewusst und ergreifen notwendige Sicherheitsmaßnahmen. Zum Beispiel stellt Polen im Staatshaushalt für das Jahr 2023 eine Rekordsumme von mehr als 20 Milliarden Euro für Armee und Verteidigung bereit.

Viele Länder geben hohe Summen aus, um die Ukraine im Krieg gegen Russland zu unterstützen, anstatt in eigene Entwicklung zu investieren. Die Ukrainer müssen ihrerseits mit ihrem Wohlstand und Leben dafür zahlen, dass der Feind weder zu diplomatischen Verhandlungen noch zu einem friedlichen Zusammenleben fähig ist.

Oft kommen in den Medien solche Ausdrücke vor wie „Probleme in der Welt sind durch den ukrainischen Krieg hervorgerufen“. Es ist aber wichtig, nicht zu vergessen, WER und WAS genau dahintersteckt. Für jede der oben genannten Krisen ist ausschließlich die Russische Föderation verantwortlich, keinesfalls aber die Ukraine, die ihr Land und ihre Unabhängigkeit sowie das ganze Europa verteidigt. Es wird derzeit nicht nur um Territorien gekämpft, sondern auch um die Freiheit, das Recht auf Leben sowie das Recht auf die Entwicklung als Persönlichkeit und als eine unabhängige Nation.

Die Eroberungspolitik Russlands besteht ausschließlich aus Konflikten und Kriegen, die genannt und getarnt als „militärische Spezialoperation“, „Befreiungs-“ oder „Friedensmission“. Die Welt muss verstehen, dass diese Situation nur mit einem Sieg seitens der Ukraine gelöst werden kann, andernfalls könnte der Aggressor im Laufe der Zeit versuchen, weitere Länder anzugreifen.

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Dieses Material wurde mit Unterstützung von International Media Support (IMS) erstellt.

Beitragende

Projektgründer:

Bogdan Logwynenko

Autorin des Textes:

Chefredakteurin:

Anja Jablutschna

Redakteurin:

Kateryna Lehka

Bildredakteur:

Jurij Stefanjak

Content-Managerin:

Kateryna Jusefyk

Übersetzerin:

Oleksiy Obolenskyy

Olena Stezjuk

Übersetzungsredakteurin:

Daryna Arjamnowa

Koordinatorin der Übersetzung:

Alla Mandzjuk

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