Sie ist Autorin von über vierzig ukrainischen Büchern in Lyrik und Prosa, die in ihrer Kindheit kein Ukrainisch sprechen durfte. Ihre Gemälde werden in Museen ausgestellt und sind ein Teil der privaten Sammlungen in der ganzen Welt. Die ukrainische Malerin und Schriftstellerin Emma Andijewska emigrierte während des Zweiten Weltkrieges aus dem Donbass nach Deutschland, nachdem ihr Vater, der berühmte ukrainische Chemiker und Erfinder Iwan Andijewskyj von Mitgliedern des NKWD erschossen worden war. Im Ausland lebend, blieb Emma Andijewska immer im ukrainischen Kontext: Die Ukrainische Freie Universität in Deutschland, die New Yorker Gruppe in den USA u.a. Ihr Schaffen widmet sie der Ukraine, die sie einst verlassen musste.
In einer kleinen Münchner Wohnung an jeder freien Fläche der Wand, des Bodens und des Tisches hängen, stehen und schmiegen sich ihre Bilder aneinander. Manche trocknen, da sie bald abgegeben werden müssen. Gerahmt und ohne Rahmen. Die Gemälde gleichen ihrer Schöpferin in ihrer Energie und Farbigkeit. In diesem Jahr wird Emma Andijewska, Dichterin, Schriftstellerin und eine der berühmtesten ukrainischen Künstlerinnen, derer Gemälde in mehreren europäischen Ländern ausgestellt wurden, 90 Jahre alt. Sie wurde in Donezk geboren, lebte in Wyschhorod, und später in Berlin, München und New York. Fast vierzig Jahren arbeitete sie in der deutschen Redaktion des Radios Swoboda in München unter dem Künstlernamen Halyna Hordijenko.
Das Leben hat ihr immer etwas weggenommen: den Vater, die Gesundheit, die Muttersprache, die Heimat. Bedeutsame Ereignisse ihres Lebens haben sie nicht nur gebrochen, sondern auch geformt. Sie hat niemals nach Auszeichnungen und Orden gestrebt. Der Schewtschenko-Preis, mit dem die Dichterin 2018 ausgezeichnet wurde, liegt im Etui zwischen Bücherstapeln und Kunstkatalogen versteckt. Die Geschichte von Emma Andijewska besteht aus farbigen Errinerungsbruchstücken. Zusammen mit tausenden Gemälden und Gedichten ist ihre Geschichte das Kostbarste, was sie hat.
Familie. Emigration
Emma Andijewska wurde 1931 in Donezk geboren, das damals Stalino hieß. Emmas Eltern waren Ukrainer. Ihre Mutter, Agronomin von Beruf, arbeitete als Biologielehrerin. Sie hat Emma in einer russischsprachigen Umgebung aufgezogen und bevorzugte, jegliche Erinnerungen an ihre Abstammung aus einem reichen Kosakengeschlecht nicht zu erwähnen. Ihr Vater stammte auch aus einer ukrainischen, aber russifizierten Familie. Iwan Andijewskyj war Chemiker und Erfinder, der 1941 von dem sowjetischen Geheimdienst erschossen wurde. Der ganzen Familie drohte die Gefahr der Vernichtung.
1943, als die Deutschen bereits den Rückzug antraten, zog die zwölfjährige Emma mit ihrer Mutter und ihrem jüngeren Bruder nach Deutschland und siedelte in der englischen Besatzungszone Berlins, wo sie bis 1949 wohnte.
Emma erinnert sich, dass ihre Mutter eine sehr mutige Frau war. Damals, als sie 1943 aus der Sowjetunion flohen, sind sie in einen Wagen mit leicht verletzten deutschen Soldaten hineingeschlüpft, dies war für einfache Menschen verboten, gar für die Ukrainer.
„Wir sind in einen deutschen Wagen eingestiegen, in den die Untermenschen überhaupt nicht durften. Man hätte uns dafür erschießen können. Die Mutter hatte alles richtig kalkuliert: Der Wagen transportierte die Verletzten nach Berlin. So sind auch wir nach Berlin gelangt.“
Untermensch
Ein ideologischer Begriff, der in Deutschland seit 1920 im Umgang war und bezeichnete Rassen, Völker und Personen, die den Arien gegenübergestellt wurden.In Berlin gab es schon damals Zentren, um die sich Migranten und Zwangsarbeiter aus der Ukraine, die so genannten Ostarbeiter vereinigten. In den 1940er gab es bereits die dritte Migrationswelle — die Nachkriegsmigration. Die erste Welle, die im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts begann, dauerte bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges. Es war vor allem eine Arbeitsmigration in die USA, nach Kanada und Brasilien. Die zweite Welle dauerte zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Außer den USA und Kanada zählten auch die Länder in Ost- und Westeuropa zu den beliebten Migrationszielen.
Familie Andijewski wohnte in Berlin unter einem falschen deutschen Namen. Emma ging in die Schule mit einer ausgedachten Biografie, ohne vorher ein einziges deutsches Wort zu kennen. Aber sie beherrschte schnell die Sprache und half ihrer Mutter Angelegenheiten zu regeln, da die Mutter kein Deutsch sprach.
„Man hat mich gleich in die deutsche Sprache versetzt und ich habe sie blitzschnell gelernt. Und bald habe ich schon alles auf Deutsch geregelt.“
Am Anfang hatte es die Familie nicht leicht. Als die Mutter und die beiden Kinder nichts zu essen hatten, tauschten sie Kleidung gegen Essen aus, so Emma. Um einen Austausch zu vollziehen, musste man manchmal 50 Kilometer zurücklegen. Eines Tages wurde die Mutter auf dem Rückweg nach Berlin festgehalten.
„Wir gehen zum Bahnhof und da sagt die Mutter: ‚Wenn diese zwei mich anhalten, tue so, als ob du mich nicht kennen würdest, als ob ich eine Fremde wäre, geh einfach weiter‘. Und so war es auch, sobald sie das gesagt hatte, wurde sie angehalten und ich ging vorbei. Ich hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen verloren zu haben. Ich hatte keine einzige Münze bei mir, einfach nichts, alles blieb bei der Mutter.“
Der Zug nach Berlin kostete damals 50 Pfennig, erinnert sich Emma. Sie blickte in die Menschenmassen auf dem Bahnhof hinein und suchte nach Hilfe.
„Eine Deutsche erwiderte meinen Blick, so kam ich an sie heran und sagte: ‚Könnten Sie mir bitte 50 Pfennig leihen, damit ich eine Fahrkarte nach Berlin kaufen könnte? Ich werde sie Ihnen zurückgeben‘. Und sie gab mir das Geld.“
Die Mutter war drei Tage weg. Als sie endlich nach Hause zurückkam, musste man das ganze Austauschen unterlassen. Die Deutschen haben die Mutter so heftig geschlagen, dass sie taub auf einem Ohr wurde, erinnert sich Emma.
„Sie wurde geschlagen, weil sie Russisch sprach. Das bedeutete, dass sie aus der Sowjetunion geflohen war und dass sie dorthin und nicht hierhergehörte.“
Danach hungerte die Familie noch stärker. Wir gingen zum Schwarzmarkt in Berlin, um die letzten Sachen auszutauschen, die wir hatten.
„Die Deutschen suchten damals alle (Migranten, Nichtarier) aus, um sie zu vernichten, zu vernichten, zu vernichten. Wir waren für sie einfach unwürdig, wir existierten einfach nicht. Es war, als wäre man in der Hölle gewesen und dann zurückgekehrt. Ich weiß nicht mehr, wie ich damals überlebt habe.“
Sprache. Wirbelsäule
Seit ihrer Kindheit hat Emma Andijewska ein besonderes Verhältnis zu Sprachen. Die Mutter wollte immer, dass Emma nur Russisch spricht, weil das damals die Zugehörigkeit zu einem „höheren“ Stand bedeutete. Deshalb, als die Familie noch in der Ukraine wohnte, wurde Emma gezwungen, ein richtiges Russisch zu sprechen. Dafür wurden Kinderfrauen und Lehrerinnen eingestellt, damit sie mit ihr nur Russisch sprechen. Lange Zeit hörte Emma kein Ukrainisch und hatte keine gleichaltrigen Freunde, mit denen sie Ukrainisch sprechen konnte.
„Ich habe niemals mit Puppen-Schuppen gespielt. Mit neun habe ich die ganze Weltliteratur gelesen. Ich war immer alleine, weil es nicht so Idioten gab, wie ich. Es gab sie irgendwo, aber nicht in meiner Umgebung. So musste ich mich selbst amüsieren lernen.“
In ihrer Kindheit erkrankte Emma oft an Dysenterie. Später stellte sich heraus, dass sie das Wasser aus Donbass nicht vertragen konnte. Die Ärzte rieten der Familie, den Wohnungsort zu wechseln. Sie sollten nach Kyjiw umziehen, seien aber in die Kleinstadt Wyschhorod gelangt, wo die Mutter ein ganzes Haus für alle gemietet habe, erzählt Emma. Damals wurde in Wyschhorod Ukrainisch gesprochen. So hat das Mädchen es schnell beherrscht.
„Ich habe Ukrainisch gewählt, weil es die Sprache meiner Seele ist. Lieber Gott, für diese Sprache hat mich meine Mutter, die mich fast anflehte, bestraft. Ich sollte auf den Knien stehen und dann hat meine Mutter wegen meine Knie geweint. Und ich bin wie verdammt auf den Knien gestanden. Ich habe 24 Stunden gestanden, so trotzköpfig war ich.“
In Berlin besuchte Emma Andijewska ein Jungengymnasium. In ein Mädchengymnasium wollte sie nicht.
„Man hat mich zuerst in ein Mädchengymnasium gebracht. Und ich sah diese dummen Hühner an und sagte: ‚Ich will nicht mit diesen bleiben‘.“
Dann hat man für sie eine Ausnahme gemacht und in das Jungengymnasium versetzt, das sie erfolgreich abschloss.
„Die Jungs waren bereit mir die Sterne vom Himmel zu holen. Ich lebte in einer anderen Zeit, als ob ich aus einem Buch herausgesprungen wäre. Ihre Mütter backten Torten aus Karotten, weil es nicht mehr übrig gab, und die Jungs schenkten mir diese Torten.“
Im Gymnasium lernte Emma weiter deutsche Sprache und Literatur.
„Die ganze Literatur war für mich da. Und ich habe ein hervorragendes Gedächtnis. Hatte niemals Probleme damit.“
Zu Hause war alles so geregelt: Jeden Morgen holte Emma einen Eimer Wasser zum Trinken und Waschen; der Weg in eine Richtung betrug einen Kilometer. Sie wuschen sich mit der Mutter und dem Bruder in einer kleinen Schüssel, aber das war jeden Morgen eine Pflicht.
„Und dann sagte die Mutter einmal: ‚Was für einen Buckel hast du am Rücken?‘ Die Mutter nahm mich an die Hand (ich war 16 Jahre alt) und brachte mich ins Krankenhaus. Da kam der Arzt gelaufen, der mir ein Röntgenbild gemacht hatte, und fragte: ‚Wie sind Sie denn bloß hierhergekommen?‘ Ich mochte damals Latein sehr und sagte: ‚Ante pedes apostolorum — zu Fuß, wie die Apostel‘. Der Arzt teilte mit, dass meine Wirbelsäule jederzeit brechen konnte.“
So wurde Emma Andijewska Tuberkulose der Wirbelsäule diagnostiziert.
„Ich wurde an einen anderen Ort gebracht. Ich hatte Mitleid mit den zwei amerikanischen Soldaten, die so dünn und um die achtzehn Jahre alt waren. Denn sie trugen mich in so einem riesigen schweren Gips. Ich dachte mir Verschiedenes und bat, dass man sich um sie kümmert, da der Gips da, das war etwas Schreckliches. Ein Mensch kann alles, wenn er es muss.“
Nach der Operation an Wirbelsäule war Emma drei Jahre lang vom Ohr bis Fuß in Gips gehüllt und musste die ganze Zeit liegen. Danach musste sie noch acht Jahre lang ein spezielles medizinisches Korsett tragen.
Ende des Jahres 1949, während der Berlinblockade (der sogenannten Berliner Krise), als die sowjetischen Truppen Auto- und Eisenbahnwege nach Westdeutschland gesperrt hatten, war Emmas Familie zuerst in ein DP-Lager in Mittenwald und dann nach München umgezogen, wo sie später an der Ukrainischen Freien Universität (UFU) Philologie und Philosophie studierte.
DP-Lager
Einrichtungen zur vorübergehenden Unterbringung von Displaced Persons (DPs) in Westdeutschland und Österreich während der Besetzung von den Alliierten seit 1945. Im Jahr 1947 wohnten in solchen Lagern über 200 tausend Ukrainer.Dort studierte sie Sanskrit und Altgriechisch bei Wolodymyr Derschawin, dem ukrainischen Dichter, Übersetzer, Literaturwissenschaftler und Kritiker, aktiven Mitglied der Ukrainischen Kunstbewegung, der NTSCH (Wissenschaftlichen Taras-Schewtschenko-Gesellschaft — Red.) und der Ukrainischen Freien Akademie der Wissenschaft.
„Mir ging es darum, zu wissen, wo jedes Wort herkam. Ich lernte auch Altgriechisch, weil ich nach dem Ursprung suchte.“
Malerei
Die Malerei von Emma Andijewska wird als die pureste Authentizität der Moderne bezeichnet. Freie Bewegung der Phantasie, philosophische Subtexte, tiefer Archaismus und Form des Primitivismus, komplexe Verflechtung von Farben und Kompositionen. Sie malt, und wie sie selbst zugibt, wiederholt sie ihre Bilder mehrmals. Kinder reagieren auf ihre Malerei am besten, weil diese „die Kindheit der Menschheit wiederherstellt“.
„Ich sehe gleich alles im Detail, was gemalt werden muss. Bis zu zehn Bilder auf einmal. Ich versuche immer, alle so schnell wie möglich zu malen, aber ich schaffe nur ein paar. Dann kommt etwas anderes. Immer. Ich denke, es geht allen gleich. Es ist, als ob ein Kind mit ihrer Mutter etwas teilen würde: Dies ist so und so. Und die Eltern sagen ihm: ‚Das ist Unsinn!‘ Und so wird das Sehen verlernt.“
Die Erziehung, meint Emma Andijewska, setzt viele Rahmen. Macht ein Experiment: Zeigt einem Kind, dem man niemals etwas gezeigt hat, etwas Ungewöhnliches. Und ihr werdet sehen, wie es darauf reagiert. Wenn das Kind neugierig ist und Interesse daran findet, schaltet es zusätzliche Lichtwerfer ein, die ihm das Gelernte zu behalten helfen.
Emma begann mit vier zu malen. Zuerst hatte ihre Mutter alle Bilder bewahrt, aber als die Familie nach Deutschland floh, nahmen sie nur etwas Essen mit und ließen die Bilder da. Die Malerin behauptet so viele Bilder gemalt zu haben, dass sie sich an ihr erstes Bild nicht mehr erinnern kann.
„Ich denke mir nichts aus, nichts. Herr Gott steckt irgendwie diese Bilder in meinen Kopf, er lacht über mich und malt durch mich. Ich halte nicht viel von mir selbst, immer.“
Diashow
Mit 15 brachte ihre Mutter sie zum Gesangslehrer, damit sie ihre Lungen trainierte. Da stellte sich heraus, dass Emma eine dichte tiefe Altstimme hat, eine unglaubliche Stimme. Das Mädchen lernte Gesang und trat oft vor vollen Sälen auf. Mit der Zeit gab sie allerdings das Singen auf.
„Ich habe für mich einiges verstanden: Ich kann nicht malen, schreiben und noch etwas Drittes machen. Ich habe meine Stimme getötet und mit den Auftritten aufgehört. Es ist sehr gut, wenn Vieles gelingt. Aber wenn man zu viel tut, wird daraus nichts Echtes. Man muss schonungslos alles schneiden-schneiden-schneiden, und das habe ich auch gemacht, ja. Alles, was nicht praktiziert wird, fällt weg.“
Die Malerei von Emma Andijewska benötigt eine ständige Wiederkehr. Ein und dasselbe Gemälde muss mehrmals betrachtet werden. Jedes Mal eröffnet sich etwas Neues. Und jedes Mal versteht man auch die Welt des Bildes besser.
„Mir wird dies gegeben. Ich bin eine Visionärin. Es liegt nicht an mir, es ist mir irgendwie gegeben worden. Als Kind musste ich mir in die Zunge beißen, denn ich wusste, dass ich für meine Visionen bestraft werde. Ich war ein sehr kompliziertes Kind.“
Zu Hause spürte Emma, dass es gefährlich ist, anders zu sein, denn die Erwachsenen mögen es nicht so sehr, wenn etwas andres ist. Emma konnte viel. Ihr gelang alles, womit sie sich nur beschäftigte. Aber sie hatte immer vorgetäuscht, als wäre es zufällig.
„Und es wird den Kindern verlernt, genial zu sein, das ist tatsächlich so. Ich habe mir so viel ausgedacht, dass man die Augen groß gemacht hat. Ich habe früh verstanden, dass man damit nicht prahlen darf, vielmehr verheimlichen muss, sonst wird es einem einfach abgeschnitten, so ist es.“
Dichtung
Guten Abend, Einsamkeit!
Hier ist der Krug, hier ist mein Pferd, hier ist mein Herz.
Mein veilchenfarbener Weg,
Gedanken, vom Mond abgeschliffen.
Sag nicht: Irgendwo hinter den Bergen.
Sag: Hier, heute, um Mitternacht.
Heute. Jetzt. Niemals.
Ihre ersten Gedichte schrieb Emma Andijewska im Alter von 4 Jahren. Sie zeigte sie zuerst, wie auch ihre anderen Fähigkeiten, niemandem: Sie schämte sich, dass ihr so was gelungen war.
Emma Andijewska gilt als Erfinderin der poetischen Dissonanzen. Man darf jedoch die Lyrik und Prosa von Emma Andijewska von ihrer Malerei nicht trennen. Wie in der Malerei experimentiert sie auch in der Poesie: Sie spielt mit dem Wort, erfindet neue Zusammenhänge zwischen den Wörtern, versucht immer die wahre, pure Bedeutung des Wortes in ihren Epen, Sonetten und Gedichten zu benutzen. Emma Andijewskas Texte laden dazu ein, gemeinsam die Grenzzustände und Realitäten zu erleben, die schwer zu analysieren und zu erklären sind.
Dissonanz
In der Poesie ist es eine Art des Reims, in dem die Konsonanten gleich klingen, die betonten Vokale jedoch nicht.„Wenn man sich selbst gegenüber ehrlich ist, dann gelingt es von selbst. Es ist eine Riesenfreude, denn man schaut und versteht, dass man sowas selbst nicht ausdenken könnte. Hätte man es gemacht, würde es gekünstelt wirken. Wer weiß, woher es kommt.“
„Mein Körper kann selbst denken. Ich vermute, dass jeder Gedanke ungewöhnlich ist. Wenn er gebildet wird, dann bedeutet es, dass es irgendwo die notwendigen Zutaten gab, die ihn dazu gebracht haben. Allerdings kann man sie nicht immer beweglich machen.“
Als Emma noch das Gymnasium besuchte, hat sie selbstständig ihren Bruder und ihre 14 Jahre jüngere Schwester erzogen. Sie wiederholt oft, dass sie nur dank ihrer Mutter überlebt hat, von der sie die ganze Energie weggenommen hat. Mit der Zeit verstand sie, dass sie diese Energie zurückgeben muss, in dem sie ihre Geschwister erzog.
„Ich nehme jeden Menschen so wahr, wie er ist. Und dann öffnet er sich, jeder Mensch birgt solche Schätze in sich, von denen er nicht wusste. Ich sage oft: ‚Seht mal, in euch ist soviel mehr‘.“
New Yorker Gruppe
1957 zog Emma Andijewska nach New York um, wo sie ein paar Jahre lebte, bevor sie die US-Staatsbürgerschaft beantragte. Dort lernte sie ihren zukünftigen Ehemann, den ukrainischen Emigranten, Literaturwissenschaftler, Kritiker und Übersetzer Iwan Koscheliwez kennen, mit dem sie bis zu seinem Tode 1999 in München lebte.
Zu der Zeit bildete sich im ukrainischen Milieu in New York eine Dichtergruppe, die „New Yorker Gruppe“ genannt wurde. Zu dieser Gruppe gehörten Dichter wie Jurij Tarnawskyj, Bohdan Bojtschuk, Bohdan Rubtschak, Dichterin Patricia Kylyna und andere. Unter ihnen war auch Emma Andijewska. Obwohl sie ihre Zugehörigkeit zu dieser Gruppe in jeder Hinsicht ablehnt. Sie sagt, sie sei „ein einsamer Wolf“. Bohdan Rubtschak erinnert sich jedoch, dass Emma an allen Sitzungen der New Yorker Gruppe teilgenommen hat.
„Sie verspätete sich natürlich und erzählte unglaubliche Geschichten als Ausreden.“
Die DichterInnen der New Yorker Gruppe versuchten, das ukrainische Wort aufs Neue zu hören, sie verzichteten auf die traditionelle poetische Form und auf den Reim, der beispielsweise den Schistdesiatnyky (DichterInnen der sechziger Jahre — Üb.) eigen wahr. Sie hatten das Heimweh überwunden und versuchten, sich als UkrainerInnen im neuen Land durchzusetzen. Die DichterInnen trafen sich im Café „Orchidee“ und diskutierten über Ästhetik, Literatur und Kunst. Das erste Treffen fand 1954 statt, und die Gruppe wurde erst 1958 offiziell gegründet, als die Mitglieder der Gruppe die Absicht hatten, eine Zeitschrift mit ihren Dichtungen zu veröffentlichen. Dafür war es nötig, den Namen ihrer Gruppen anzugeben.
Nach der Heirat kehrte Emma mit Iwan nach München zurück. Iwan Koscheliwez war auch während des Zweiten Weltkrieges emigriert. Er stammte aus Nischyn. Zuerst arbeitete er von 1951 bis 1955 als Redakteur der literarischen Seite in der Zeitung „Sutschasna Unkrajina“ („Die moderne Ukraine“ — Üb.), die in München herausgegeben wurde. Später wurde auf ihrer Grundlage „Ukrajinska literaturna haseta“ („Ukrainische literarische Zeitung“ — Üb.) gegründet, die Iwan zusammen mit Jurij Lawrinenko redigierte. In dieser Zeitschrift wurden die Texte von DichterInnen der New Yorker Gruppe veröffentlicht. Am Ende des Jahres 1960 wurden die Zeitschriften „Sutschasna Ukrajina“ und „Ukrajinska literaturna haseta“ vereinigt und ab 1961 wurde eine neue literarische und gesellschaftlich-politische Zeitschrift „Sutschasnist“ („Gegenwart“) herausgegeben. Iwan Koscheliwez wurde zum Hauptredakteur.
Im Ausland lebend betont Emma Andijewska stets, dass sie ihr ganzes Schaffen immer der Ukraine widmet. Vor dem Anfang des kriegerischen Konflikts im Donbass hat sie die Ukraine und vor allem die Heimatstadt Donezk besucht, hat Kunstabende, Ausstellungen und Buchpräsentationen organisiert.
„Ich bin wie der fliegende Holländer: Ich fliege über alle Welten. Solange ich noch am Leben bin, will ich noch etwas für die Ukraine tun. Jeder sieht sie mit eigenen Augen. In meinen Augen kann die Ukraine niemand übertreffen. So wahnsinnig bin ich. Es ist wie ein Paradies. Es ist mein auserwähltes, mein auserwähltes Volk.“
Schon ihr ganzes Leben lang verschenkt Emma Andijewska ihre Gemälde. Sobald das neue Gemälde getrocknet ist, gibt sie es weg. Für sich behält sie nur wenige, die übrigen gehen an Museen und private Sammlungen in der ganzen Welt.
„Sehen Sie, wie alt dieses Gemälde ist? Auf der Rückseite steht das Jahr 1992. Ich gebe alles gleich weg, dieses ist zufällig bei mir geblieben.“