Kultur war für Russland stets eine Art von Waffe. Das anfangs weit verbreitete, heute jedoch komplett diskreditierte Narrativ über die „Brudervölker“ wurde im Jahre 2022 abrupt durch absurde Äußerungen Putins ersetzt. Russland habe moderne Ukraine geschaffen, so Putin. Die Russische Propaganda wirkt auf alle möglichen kulturellen Bereiche, indem Sprache, Religion und Ausbildung als Instrument verwendet werden.
Seit der großangelegten Invasion Russlands setzte die Ukraine nicht nur ihren Boykott russischer Kultur innerhalb des Landes fort, sondern sie ruft auch die ganze Welt dazu auf, sich diesem Boykott anzuschließen. Die ukrainischen Künstler*innen wendeten sich an ihre internationalen Kolleg*innen und Partner*innen, eine Petition für die Sanktionen im Kulturbereich gegen Russland zu unterzeichnen. Eine Vielzahl von Kultur- sowie Kunsteinrichtungen, Streaming-Plattformen, Ausstellungen und Festivals weltweit kündigten bereits eine Einstellung jeglicher Kooperation mit dem Aggressorstaat an.
Verlagswesen
Das Ukrainische Buchinstitut, der PEN Ukraine, das Kyjiwer Buch-Arsenal und das Bookforum Lwiw forderten die internationale Buchgemeinschaft auf, jegliche Zusammenarbeit mit Russland im Bereich des Verlagswesens zu blockieren: von der Absage russischer Verlage, Kulturzentren sowie Autor*innen, an Buchmessen und Festivals teilzuhaben, bis hin zur Aufhebung des Buchvertriebs für russische Autor*innen auf allen verfügbaren Plattformen.
Die prominentesten ukrainischen Buchketten und Buchhandlungen Yakaboo, Knyharnia „Є“, „Klub Simejnoho Doswillja“ beendeten ihre Kooperation mit russischen Verlagen. Einige davon kündigten an, alle Produkte des Besatzerstaates bereits aus dem Verkauf genommen und erhebliche Geldbeträge zur Förderung der ukrainischen Streitkräfte gespendet zu haben. Der ukrainische Verein der Comicverlage rief dazu auf, keine russischen Comics weder zu kaufen noch zu verkaufen und jegliche Zusammenarbeit mit Russland einzustellen. Um diese Tendenz auf gesamtstaatlicher Ebene festzuhalten, schloss das Staatskomitee der Ukraine für Fernsehen und Rundfunk Anfang März den Import sämtlicher Verlagsprodukte aus Russland in die Ukraine komplett aus.
Die größten Buchmessen der Welt verweigern die Präsenz Russlands mit seinem Bücherstand. Diese Entscheidung wurde schon von der Frankfurter Buchmesse getroffen, die sich als eines der wichtigsten Ereignisse in der Buchwelt auszeichnen lässt. Die Internationale Buchmesse in Bologna vertritt denselben Standpunkt bezüglich dieser Frage.
Einige Autor*innen, darunter der weltberühmte amerikanische Schriftsteller Stephen King, gaben an, keine neuen Verträge mehr mit russischen Verlagen zu schließen.
Musik
Der Musik-Streaming-Dienst Spotify meldete die Schließung seines Büros in Russland und stellte später den Verkauf von Premium-Abonnements aufgrund des Weggangs von Zahlungsanbietern aus dem Land ein.
Angesichts der Aggression gegen die Ukraine wurde Russland vom Eurovision Song Contest 2022 ausgeschlossen. Dazu rief der finnische TV-Sender YLE die Europäische Rundfunkunion (EBU) auf.
Prominente aus der ganzen Welt unterstützen die Ukraine und bewundern die Widerstandsfähigkeit der Ukrainer*innen. Madonna, Paul McCartney, Lady Gaga, Tom Odell, Yannis Philippakis (Solist von Foals) und viele andere fordern Putin auf, den Krieg zu stoppen. Mehrere Musiker*innen und Musikbands sagten bereits geplante Konzerte in Russland ab, unter anderem Imagine Dragons, Iggy Pop, Brainstorm, Green Day, The Neighborhood, Tommy Genesis, Franz Ferdinand, Apashe, Foals, The Killers.
Bei den russischen Musiker*innen, deren Auftritte im Ausland eingeplant waren, gibt es nun auch Probleme. Der russische Dirigent Walerij Gergijew, der das Regime Putins befürwortet und einen Brief zur Unterstützung der Krim-Annexion unterzeichnet hatte, verlor seinen Vertrag für einige Konzerte im Carnegie Hall, einem der renommiertesten Musiksäle der Welt. Die Auftritte des russischen Pianisten Denis Mazujew wurden ebenso abgesagt.
Theater und Filmindustrie
Die Assoziation für Filmindustrie der Ukraine forderte auf, russische Filme zu boykottieren. Der Aufruf wurde von der Europäischen Filmakademie unterstützt, indem russische Filme von den diesjährigen European Film Awards ausgeschlossen wurden. Als Reaktion auf einen Brief ukrainischer Filmkritiker*innen teilte FIPRESCI (Fédération Internationale de la Presse Cinématographique) mit, dass ihre Mitglieder sich weder an den Festivals in Russland noch an den von Russland organisierten Festivals beteiligen werden.
Dutzende Kulturinstitutionen erklären ihre Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation für vollkommen beendet. Dazu gehören unter anderem das führende amerikanische Theater Metropolitan Opera sowie das Royal Opera House in London, das litauische Nationaltheater für Oper und Ballett, die estnische Nationaloper und andere.
Das Kyjiwer Theater für russisches Drama und Komödie ist in das Nationale Akademische Lesja-Ukrajinka-Theater umbenannt worden.
Der inoffizielle Account des ukrainischen Theaters in Podil erwiderte dem staatlichen A.-S.-Puschkin-Museum Moskau auf Twitter mit denselben Worten wie dem russischen Schiff („Russisches Kriegsschiff, verpiss dich!“ war die Antwort der ukrainischen Grenzschützer auf den Vorschlag russischer Streitkräfte, sich zu ergeben, Üb.), als es mitgeteilt hatte, sein gesamtes Einkommen, erwirtschaftet am Tag des Verteidigers des Vaterlandes (ein ehemaliger staatlicher Feiertag in der Ukraine, der vom sowjetischen System geerbt und am 23. Februar gefeiert wurde, Üb.) für die Fonds der Flüchtlinge aus den selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk zu spenden.
Kunst
Die Weltverbände von Künstler*innen, Bildhauer*innen, Folklorist*innen, Designer*innen und anderen kreativen Bereichen schließen die russischen Teilnehmer*innen aus eigenen Gemeinschaften, thematischen Ausstellungen und Festivals aus. So wird es auf der 59. Venedig-Biennale (die wichtigste Ausstellung zeitgenössischer Kunst, A.d.Ü.) keinerlei Projekte aus Russland geben. Angesichts der Invasion Russlands in die Ukraine sagen die Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s die im Juni 2022 vorgeplante Versteigerung russischer Kunst ab.
Die Kreativwettbewerbe und -gemeinschaften wie z. B. European Design Awards, Awwwards, Cannes Lions, Red Dot Award und andere setzten sich für die Ukraine ein und beenden somit ihre Zusammenarbeit mit dem Aggressor.
Der Internationale Rat für die Organisation von Folklorefestivals und Volkskunst (CIOFF) setzte die Mitgliedschaft von Russland und Belarus aus.
Blogger und Influencer
Ukrainer*innen blockieren massenhaft prorussische Blogger*innen, Meinungsbildner*innen und Influencer*innen, die das Putin-Regime unterstützen oder sich nur verschleiert zum Frieden äußern und zugleich darauf hinweisen, dass alles nicht so klar auf der Hand liege. Immer mehr Hashtags wie #SlavaUkraini und #stoprussia tauchen in den Kommentaren unter ihren manchmal sogar neutralen Posts auf, die sie kaum zu löschen schaffen.
Kim Kardashian, Timothy Snyder, Malala Yousafzai, Richard Branson und andere Top-Influencer*innen mit mehr als 1 Million Follower*innen bringen in den sozialen Netzwerken ihre aktive Unterstützung für die Ukraine zum Ausdruck. Die meisten ukrainischen Blogger*innen nehmen sich mittlerweile Zeit für die Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte und sind auf ihren Social-Media-Profilen nur situativ aktiv.
Streaming-Plattformen
Am 26. Februar blockierten mehr als 200 Anbieter die Service-Dienste, die die russischen TV-Sender ausstrahlten. Darauf folgt das Verbot der wichtigsten Internetressourcen, , die die Wiedergabe der russischen Sender weiterhin gewähren. Am selben Tag, dem 26. Februar, appellierte das ukrainische Kulturministerium zusammen mit den größten Mediengruppen an internationale Fernsehanbieter, alle russischen TV-Sender abzuschalten.
Der Streaming-Dienst Netflix verhängte auch kulturelle Sanktionen gegen Russland. 20 russische TV-Sender werden nicht mehr auf der Plattform erscheinen. YouTube stellte die Ausstrahlung des russischen Ersten Kanals (Perwyj Kanal), Russia 24, Russia 1, TASS, RIA Novosti, RBK und eine Menge anderer propagandistischer Sender ein.